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gische Thätigkeit des britischen Oberkommissars, Artillerie obersten Warren, zu Theil geworden sind. Die Straßen und Plätze zeichnen sich durch die größte Reinlichkeit aus, da aller Unrath bis weit vor die Stadt hinausgeschafft wird; rings um die Plätze sind Reihen junger Bäume gepflanzt, der Kai und der von ihm auslaufende Molo befinden sich im besten Zustande, in den Läden und Lagerräumen am Kai und in den Straßen des Bazars herrscht reges Leben, dabei musterhafte Ordnung. Neuerdings sind auch offene, mit gereiften, galvanisirten Eisenblechtafeln bedachte Markt hallen nach europäischen Mustern erbaut worden, eine Ein richtung, mit der Oberst Warren jedoch einstweilen noch kein Glück bei den Einwohnern gemacht hat, da die Haupt absicht, die er mit derselben verfolgte, in der Abschaffung alter, verrotteter Zustände des cyprischen Marktverkehrs be stand. Nach den an vielen Stellen noch in Kraft be findlichen städtischen Gesetzen der türkischen Verwaltung wurde nämlich für jede Art der Marktwaaren an Fleisch, Fischen und Gemüsen ein bestimmter, von der bessern oder schlechtem Qualität ganz unabhängiger Preis pro Oka fest gesetzt. Große und kleine, seltene und gewöhnliche Fische sind nach der Annahme dieser geistreichen Bestimmung das selbe und dürfen auch nur zum gleichen Preise verkauft wer den. Ebenso verhält es sich mit Fleisch und Gemüse: der beste sorgfältig im Garten gezogene Blumenkohl hat z. B. nicht mehr Werth als das gleiche Gewicht gemeinen halb verwilderten Feldkohls. Welche Folgen derartige Bestim mungen auf den Stand des Gemüsebaues haben müssen und auf die Schlachtviehzucht haben müßten, wenn diese letztere überhaupt eine nennenswerthe Rolle in Cypern spielte, ist leicht denkbar, und doch begegneten die neuen, gegen diese Mißstände gerichteten Anordnungen dem zuerst lebhaften, dann passiven Widerstande aller Betheiligten. Biele Ver käufer zogen sich gänzlich vom Markte zurück, die wenigen, die in ihren Stellen blieben, trieben die Preise in die Höhe, so daß vieles, was bisher Volksnahrung gewesen war, nur noch von den reichen Einwohnern gekauft werden konnte. So ruinirte die neue Einführung, die nach der Absicht der Engländer allen Klassen zu gute kommen sollte, eine Zeit den ganzen Markt von Limasol: natürlich betrachtet die Regie rung dieses erste Fehlschlägen der gesunden und nothwen- digcn Reform nicht als einen Grund gegen die schließliche Ausführung derselben, wohl aber als eine Mahnung zu langsamerer Gewährung von Freiheiten an ein Volk, das durch lange Unterdrückung von jeglicher Freiheit entwöhnt ist. Zwei kleine Dampfer vermitteln alle zwei Tage den Personen- und Güterverkehr zwischen den beiden südlichen Häfen Limasol und Larnaka, von denen der letztere nur durch eine Laune des Zufalls oder vielmehr durch den Unverstand der hohen britischen Militärbeamten zu der bevorzugten ersten Stellung gekommen ist, die er seit der Okkupation einnimmt. Angesichts der gesunden, schattenreichen Umgebung von Lima sol muß cs jedem vernünftigen Menschen wie eine unerklär liche Gewissenlosigkeit erscheinen, daß die englischen Okkupa tionstruppen im heißen Juli 1878 nicht hier, sondern in Larnaka ausgeschifft werden und dort in der traurigsten baumlosen Küstenebene, dicht neben den die Luft verpestenden Sümpfen, ihr Sommerlager aufschlagen mußten. Ob die Anregung zu dieser wahnsinnigen Maßregel, die für den Gesundheitszustand der Truppen so verhängnißvoll wurde, wirklich, wie Baker glaubt, von Leuten ausgegangen ist, die Eigcnthum in Larnaka besaßen und aus dem plötzlichen und unverhtiltnißmäßigen Steigen der Hausmiethen Bortheil ziehen wollten, wird heute schwer zu entscheiden sein — auf jeden Fall ist es keinem der früheren Eroberer von Cypern, weder Richard Löwenherz im Jahre 1191, noch Lala Mu- I stapha im Jahre 1571, eingefallen, seine Truppen anderswo auszuschiffen, als in Limasol. Aber: „der militärische Theil der Okkupation," sagt Baker, „wurde genau mit der selben Kopflosigkeit und demselben Mangel an Verständniß ins Leben gerufen, die alle derartigen englischen Unterneh mungen charakterisiren." Und daß es neben solchen großen Mißgriffen auch an kleineren nicht gefehlt hat, beweist er uns durch Anführung einiger Thatsachen, welche allerdings die englische Militärverwaltung in etwas sonderbarem Lichte erscheinen lassen. „Das Kommissariat hatte sich alle Mühe gegeben, die Truppen mit Luxusgegenständen auszurüsten, die einem gewöhnlichen Menschen unfaßbar Vorkommen." Während es an dem nöthigen Kochgeschirr mangelte, hatte man unter anderen Ungeheuerlichkeiten eine große Menge — kupferner Wärmflaschen mitgegeben (für eine Julitem peratur von 40" C.!), und ein ähnlicher Komfort, den die vorsorgliche Behörde massenweise gesandt hatte, bestand in einem gewaltigen Vorrath von — gußeisernen Kohleneimern. Diese merkwürdigen Gegenstände, die, lU/g Fuß lang, 2^ Fuß breit und ebenso tief, nach Baker's Ansicht „sich besser zu Fuß- oder Sitzbadewannen oder zu Bassins für junge Seehunde geeignet hätten", sollten als Kohlenbehälter in den Zelten aufgestellt werden, wo man keine Kohlen brauchte, und diese, selbst wenn man sie gebraucht hätte, auch lieber auf die Erde gelegt hätte. „Welcher Reisende hat je eine kupferne Wärmflasche oder einen riesigen, fast 200 Pfund schweren Kohlenkasten mit sich geschleppt?" ruft Baker aus. „Was soll aus unserm Lande werden, wenn diese schreckliche Verschwendung nicht aufhört? Und diese unnützen Thorhei- teu hindern die Bewegungen unserer Truppen und verur sachen beim Ausladen solchen Trödelkrams unseren Matro sen unnöthigen Kraftaufwand! Sollten wir später einmal das Unglück haben, Spitzbergen zu annektiren und Truppen dahin senden, so werden wir denselben wahrscheinlich keine Wärmflaschen und kein Brennmaterial, sondern eine Schiffs ladung Wasserkühler und Familien-Eismaschinen mitgeben." Der Hafen von Limasol wird schließlich der Haupt stapelplatz des Handels von Cypern werden. Als letzterer im Jahre 1879, der großen Dürre und der allgemeinen Ungewißheit wegen, gänzlich darniederlag, bildete Limasol eine Ausnahme von der Regel. Den Hauptzweig des Ex portes der Stadt bildet die Weinausfuhr; denn der Distrikt von Limasol vertritt vor allen anderen Theilen des Landes die von den Venetianern zuerst angeregte Weinkultur: wenn man eben die äußerst rohe Art und Weise, die Weinstöcke zu behandeln und den Wein herzustellen mit dem Worte Kultur bezeichnen will. Man muß Baker's eingehende Schilderung der cypriotischen Weinbereitung gelesen haben, des endlichen Transportes des für den Verkauf fertigen Ge tränks in schmutzigen getheertcn Ziegenschläuchen, auf dem Rücken eines Maulthieres, das mühsam den meilenweiten Weg bergauf und bergab klimmt, in einer Sonnengluth, die den Wein im Schlauche in die Temperatur des heißesten Bades versetzt und ihm den entsetzlichen Geruch dieses Primi tiven Behälters mittheilt, um es zu bewundern, daß damit ein wichtiger Handelsartikel und ein von Liebhabern theuer bezahltes Produkt gewonnen werden kann. Es versteht sich von selber, daß bei verständiger Pflege und unter gesunden Bedingungen die Qualität des cyprischen Weines sich un endlich verbessern könnte — was die Quantität der Produk tion anbetrifft, so hat dieselbe seit langer Zeit von Jahr zu Jahr abgenommen, und werden heute nur noch diejenigen Ländereien zum Weinbau benutzt, die zu anderer Kultur durchaus nicht zu verwenden sind. Und dies ist kein Wun der; denn diese Industrie ist, weil den mohammedanischen Principien zuwider, von den Türken mit außerordentlichen 38*