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Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. das Kolo an manchen Orten ein einfaches Stampfen ist, so fesselt es gerade in dieser Gegend trotz seiner Einfachheit durch die Kunst des Taktes und der von Allen zugleich aus geführten Schritte. Es würde einem Tanzlehrer nicht leicht werden, dieses eigenthümliche Aufhüpfen und den kombinirten Schritt nachzuahmen. Die Bursche schlugen die Absätze aneinander, und einer suchte den andern durch kecke, witzige Lieder zu überbieten. Manche dieser Leute sind Künstler eigener Art. Sie machen nämlich Fingerringe von Zinkblei, die sie mit rothem Siegellack einlassen; durch die Weise der Verzierungen ver- rathen sie oft einen guten Geschmack. Abends bei der Heimfahrt suchten sich die einzelnen Wa gen im Schnellfahren zu überbieten und zu überholen. Ein Kirchthurmrennen begann. Bei solchen Jagden ist die Straße nicht geheuer und Unglücksfälle sind häufig, weil die Pferde oftmals scheu werden und ein Wagen den andern in den Graben schleudert. Die Pferde sind klein und nicht so stark und schön wie die im Broder und Gradiskaner Bezirke, aber flink, die Wagen gut und hübfch gebaut. Auch Bükovica hat viel Weingärten. Von hier steigt und fällt die Straße Uber sanfte Hügel bis zu dem ^4 Stunden entfernten Miklos. Die Felder sind nicht mehr so schön, Wald be ginnt. Miklos liegt im Bereiche großer Wälder, nahe am Gebirgszuge. Der Name des Ortes stammt aus dem 15. Jahrhundert, als der ungarische Große Ujlaky Mikläs (Niko laus) ein Schloß in nächster Nähe besaß. Die letzten Steine desselben verwendete man zur Ausmauerung der Brunnen wände in einem Bauernhause. In Miklos bekam ich Ge legenheit einen Hochzeitszug und auch ein Leichenbegängniß zu scheu. Ersterer rasselte auf 15 Wagen heran, in deren erstem die aus ihrem Heimathsdorfe geholte Braut saß. Besonders fiel der Pferdeschmuck auf: lange vom Scheulcder bis auf die Knie der Rosse herabhangende, weiß und roth gewürfelte, gewebte Tücher und die aus ähnlichen Tüchern zusammengesetzten Fahnen. In der Mitte des Zuges saß ganz allein auf einem etwa fünf Eimer fassenden, vollen Fasse der 6aus, der Lustigmachcr, der singend und jauch zend mit seinem Stocke aus das von ihm gerittene Faß los schlug. Die Gestalt erinnerte, da sein Hut unter Blumen- büschen verschwand, sehr stark an Bacchus. Die Aufgabe des Oaus ist cs, die Hochzeitsgesellschaft mit Späßen zu unterhalten. Seine Possen stehen im größten Kontrast zum würdigen Ernst der beiden Beistände, des Debeli Kum und Stari svat. Als die Juugvcrmählten das Haus des Bräu tigams betraten, streute ein Mann aus der Begleitung Mais körner aus vorgebundenem Säckchen hinter ihnen her. Das bedeutet Fruchtbarkeit. Dazu ertönten ununterbrochen die Klänge des Dudelsackes. Nach dem Essen folgte das Kolo, dem das ganze zusammengclaufene Dorf zusah. Des an dern Tages begaben sich in den Vormittagsstunden zwei Män ner und zwei Frauen aus der Zahl der Gäste mit brcuncn- der Laterne zu einer Quelle, in deren Wasser sie das Licht verlöschten. Ich konnte nicht erfahren, was das für Be deutung habe. „Tatro so irock uns odiöss" (»So ist cs bei uns Sitte") lautete die Antwort auf meine Frage. Der Gebrauch stammt jedenfalls aus der heidnischen Zeit und erinnert an die Hochzeitsfackeln der Griechen. Es haben sich außerdem bei Hochzeiten, Taufen, Leichenbegängnissen so viele Gebräuche erhalten und sind in den verschiedenen Gegenden so verschieden, daß man ein Buch darüber schrei ben könnte und auch schon geschrieben hat. In der Podra- vina z. B., um nur Einiges zu erwähnen, legt die Mlada (Jungvcrmählte), wenn sie mit dem Manne fährt, ihren rechten Arm über dessen Nacken. In Velika muß sie ein halbes Jahr lang das Essen stehend einnehmen und jeden, der das Haus zum ersten Male betritt, mit einem Knsse willkommen heißen. Ich erstaunte, als ich einst in Velika in ein Bauern haus tretend von einem schönen jungen Weibe umarmt und geküßt wurde; doch erinnerte ich mich rechtzeitig an sonstige Gebräuche bei Hochzeiten und schenkte dem schlanken Weib chen für den fo freundlich gebotenen Willkommcngruß einen ganz neuen Silbcrguldcn, den ich zufällig bei mir hatte. Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. ui. lieber Morphu, eine unweit der Bai gleichen Namens reizlos in der öden Mcssaria belegene Stadt, die in frü heren Jahren durch ihre Krappknltur eine große Bedeutung gehabt haben soll, setzte Baker seine Reise nach dem Süden der Insel fort. In möglichst schnellen Tagemärschen, um dem Anblick der traurigen Ebene und den gewaltigen Staub wolken zu entgehen, die der heiße Wind über sie hinweg führte, ging cs zunächst nach dem innersten Theile der großen Bai, die in einem weiten, nach Nordwesten offenen Bogen tief in das Land cinschneidet. Hier ändert sich die Land schaft: ansehnliche, von bewaldeten oder angebauten Schluchten und Flußthälern durchschnittene Hügel, die nördlichen Aus- läuser der Troodoskette, treten bis an die Küste. Das etwa drei englische Meilen von der letztem entfernte Lefka ist ein wahrhaft paradiesischer Ort: an beiden Seiten eines engen Flußthalcs gelegen, sind die Häuser der Stadt in dem Grün ihrer Gärten und Orangenhainc fast verborgen. Die schmalen Gassen, in deren jeder ein Bach entlang fließt, sind von Ulmen, Eschen, Ahorn- und verschiedenartigen Globus XXXIX. Nr. 19. Obstbäumen dicht beschattet und durch das Rauschen zahl reicher Mühlräder anmuthig belebt. Das ganze Mauer werk der Aquädukte war jetzt mit zierlichen Fraucnhaarfarren geschmückt, die Fülle der reifenden Früchte an den Oraugcn- und Citronenbäumen aber eine derartige, daß bei mehreren derselben die Blätter vor der Masse der goldenen Acpfcl nicht zu sehen waren. Man befand sich hier in einem der glücklichsten Landstriche Cypcrns, der, wie eine oberflächliche Rundschau über die vortrefflich kultivirte Umgegend von Lefka erkennen ließ, mit seinen nie versiegenden Strömen vom Troodos ein ungemein wichtiger Distrikt für den Ackerbau ist. Dicht an der Küste liegen neben dem heutigen Dorfe Karawostasi die Ruinen der alten, von den Athenern ge gründeten Hafenstadt Soli: ein Zeichen, daß man im Al- terthum den Werth dieser günstigen Landungsstelle wohl zu würdigen gewußt hat, und zugleich eine Mahnung an die für den hcutigcn Handel Cypcrns höchst wichtige Wieder herstellung eines Hafens in d« Morphu-Bai: eine Aufgabe, 38