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den Uebergang. Man muß also bei großem Andrange der Wagen, namentlich aber bei widrigem Winde oft stunden lang warten, bis man mit seinem Fuhrwerke an die Reihe und hinüber kommt. Fußgänger ohne Gepäck haben es leichter, da sie immer Platz finden. Ich miethete daher, um des Wartens überhoben zu sein, einen stets am magyarischen Ufer bereitliegenden Kahn und ließ mich trotz heftigem Winde und hochgehenden Wellen hinüber fahren. Große Tabak pflanzungen dehnten sich am jenseitigen Ufer aus, die aber bei dem letzten, hohen Wafferstande der Drave viel gelitten hatten und voll Koth und Schlamm hingen. Auf guter, durch niedriges, sumpfiges Terrain führender Straße ward in dem Wagen eines Freundes in kurzer Zeit Bazije er reicht. Dieser Ort ist einer der schlechtest gelegenen in der ganzen Podravina (Drave-Ebene), denn bei mehrtägigem Regen stecken die links und rechts an der Straße, doch viel tiefer als diese liegenden Häuser in Wasser und Morast. Auch diesmal, da die ersten Tage des August sehr regnerisch waren, hatten sich die Wände derselben bis an die Giebel mit Feuchtigkeit gesättigt. Alle Höfe waren unter Master. Die Sprößlinge kroatischer, deutscher und ungarischer Eltern — im Orte wohnen alle drei Nationen friedlich beisammen — liefen in drei Sprachen lustig schreiend und lachend und zu meist splitternackt durch die Pfützen; einige auch, da sie im Schlamme gelegen hatten, erdfarbig. Ueberhaupt finden sich durch die Podravina, auch im übrigen Slavonien zerstreut ziemlich häufig Böhmen, Ungarn und Deutsche angesiedelt. Letztere haben hier und da ganze Ortschaften inne. Sie sprechen die Landessprache mit wenigen Ausnahmen beinahe eben so gut, wie die deutsche, und tragen eine Tracht, die nach beiden Seiten entspricht. Nach einer im Ganzen anderthalbstündigen Fahrt kam der hohe Thurm der Klosterkirche und das schöne Schloß von Virovitica in Sicht und bald nahm uns das gastliche Dach meines Bekannten auf. Virovitica (auch Beröce genannt), Serota der Rö mer, hat seine historische Vergangenheit und Bedeutung. Zur Zeit der Römer lag es an der Heerstraße, die von Uootovio (Pettau) nach Narsa (Effeg) führte. Einige im Jahre 1835 aufgefundene Münzen, darunter eine vonBespa- sian, und ein Römerstein sind bis jetzt die wenigen Reste jener Zeit. Im 15., 16. und 17. Jahrhunderte stand hier, wie in allen wichtigeren Orten von Kroatien und Slavonien, eine Festung, ein Bollwerk gegen die Türken. Doch kam Virovitica, in dessen festem Schlosse sich König Bela IV. von Ungarn wiederholt aufhielt, und das König Mathias Corvinus um 1487 seinem unehelichen Sohne, dem Banus Ivan Korvin, schenkte, mehrmals unter türkische Herrschaft. Noch 1684 stand es unter den Befehlen des Ali Beg Mufti und von sechs Agas. In der mit einem tiefen Wassergra ben und breitem Sumpfe umgebenen Feste lagen damals 500 türkische Soldaten nebst 2300 anderen Türken: Män nern, Weibern und Kindern. Durch die Grafen Leslie, Trautmannsdorf, Herberstein und Zrinj aber gänzlich ein geschlossen, fanden dieselben es für gut abzuziehen und sich das Sicherheitsgeleite bis zur Save auszubedingen. Das wurde ihnen zugesagt und 600 Kroaten eskortirten sie; sie wurden jedoch von den Banalgrenzern überfallen und trotzdem die begleitende Mannschaft pflichtgemäß auf die eigenen Landsleute Feuer gab, größtentheils niedergemacht und ge plündert. Graf Gall blieb darauf Kommandant des Schlosses I. Der Wassergraben umgiebt noch heute den Platz, auf dem die Feste gestanden. Von dieser selbst ist nur ein ver- r) Vnlvasor: Grentz Oertern Bd. XII, S. 40 bis 41. mauertes Thor zu sehen; doch erhebt sich über den Trüm mern ein stattliches, von einer Parkanlage umgebenes Schloß, das die aus Bosnien eingewanderte und in Oesterreich zu erst in den Freiherrn-, dann in den Grafenstand erhobene Familie der Pejaöevio gebaut, später sammt dem Gute, das dazu gehört, an den Fürsten Lippe-Schaumburg verkauft hat. Den Schloßplatz umgeben hübsche, darunter mehrere stockhohe Häuser. Das Franziskaner-Kloster ist im Jahre 1370 von der ungarischen Königin Elisabeth gestiftet, doch 1553 von den Türken zerstört und erst 1729 wieder erbaut worden. Virovitica, wie es heute ist, hat eine Einwohnerzahl von etwa 4000 Bekennern der katholischen und griechisch-orien talischen Religion; daneben auch einige Israeliten. Der Ort ist als Sitz der Centralverwaktung der großen Lippe'- schen Herrschaften Veröce und Miklos für diese von Be deutung; auch führt nach ihm das ganze Komitat den Na men, obgleich die obersten Komitats-Behörden ihren Sitz in Effeg haben. Die einzelnen Domänen sind in neuester Zeit mit Ausnahme dreier und der Wälder verpachtet, welch letztere einen bedeutenden Ertrag an Binderholz und Eisen bahnschwellen, sowie durch die livitsmäo verpachtete Eichel und Buchelmast ab werfen. Sie sind, wie die meisten in Slavonien, Urwälder, und obgleich die Eiche und Buche vor waltet, reich an Eschen, Birken, Erlen, Ahorn, wilden Birn- und Aepfelbäumen. In den Gebirgswäldern der Janko- vio'schen Herrschaft Vuöin findet man aber auch die herr lichsten Tannen massenhaft neben hohen Buchen empor- geschoffen; weshalb dort die Brettererzeugung im Schwünge ist. Virovitica hat auch schöne Weingärten. Bon hier bis Suhopolje kommt man zu Wagen in einer Stunde. Auf halbem Wege liegt rechts eine jetzt in ein Wirthshaus umgewandelte Schweizerei; links dehnt sich ein großer, mehrere Meilen im Umfange fassender, mit ge mauerten Pfeilern und Bretterwänden eingefriedeter Thier garten aus. Der Zugang ist nach der Straße durch ein hohes, säulengeschmücktes Gitterthor abgeschlossen. Dahinter liegen Wiesen und schattige Waldgründe und die Wellen eines Baches fließen hindurch; aus der Ferne schimmern die weißen Wände eines Jägerhauses herüber. Der Thiergar ten ist Eigenthum der adeligen Grundherren Jankovio von Terezovac und stammt noch aus jener Zeit, wo die slavoni- schen Grundherren zur bequemer« Pflege des Waidwerkes und zur Hegung von Hochwild ihre schönen Buchen- und Eichenstämme zur Herstellung so umfangreicher Einfriedun gen nicht zu schonen brauchten. Die Arbeitskräfte gab der zur Robot verpflichtete Bauer umsonst, wofür er einige Benesicien von Seiten der Herrschaft genoß. Jetzt freilich ist es anders, da die schönen Stämme zu Nutzhölzern ver arbeitet werden und mehrere der ältesten Wälder bedeutend gelichtet sind. Es gab im Viroviticer Komitat mehrere solcher großer, jetzt ganz aufgelassener Thiergärten. Eine schöne Pappelallce, die bei der Schweizerei beginnt und die noch eine halbe Meile lange Straße bisTerczovac beschattet, war durch sehr interessante Gestalten belebt. Zigeuner, Muldenmacher, beschäftigten sich um eine gefällte Pappel. Diese Leute tragen ihre aus weichem Holz gefer tigten, oft sehr großen Mulden, Schüsseln und Schüsselchen, Löffel und dergleichen in der Podravina zum Verkaufe herum und trotzen dabei, obgleich halb nackt, jedem Wetter. Selbst das Haupt ist unbedeckt und dessen einziger Schutz das dunkele, theils wild über den Nacken hängende, theils in Zöpfchen geflochtene Haar. Die kürze, rothe Pfeife, oft ohne Rohr, rauchen auch die Weiber. Bei Mangel an Tabak wird auch das untere Ende eines Pfeifenrohres im Munde getragen. Sie sprechen neben ihrem Idiom nur Ungarisch und gelten als ehrlich; während ihre Stammesgeuossen, die