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290 Dr. Gustav Nachtigal's Reise nach Baghirmi 1872. Seiten, welche durch Baumstämme, Dornzweige u. s. w. sorgfältig verrammelt waren. Das Centrum des Quadrats nahm ein dichtes Wäldchen ein, ebenfalls von viereckiger Form, worin das innerste Dorf, der letzte Zufluchtsort, lie gen sollte. Almai, des Reisenden Marokkaner, und einige Flintenträger gingen als Tirailleure vor, und unter ihrem Schutze gelang es gepanzerten Fußsoldaten, die Barrikaden des nächsten Zuganges wegzuräumen. Damit war das innere Dorf unhaltbar geworden, und als Panzerreiter, Flintenträger, Baghirmi, Sklaven und Heiden ins Innere der Umwallung drangen, zogen sich die Eingeborenen in das centrale Wäldchen zurück und vertheidigten sich dort vom frühen Morgen an bis Nachmittags drei Uhr auf das Heldenmüthigste. Das centrale Wäldchen war ebenfalls mit Graben und hohem Walle umgeben, und nur zwei ganz enge Pfade, die nur einem Menschen Platz ließen, führten in sein Inneres. Hier waren die sonst von den Heiden so gefürchteten Panzerreiter ganz überflüssig, und wären nicht die Feuerwaffen gewesen, so wäre auch an jenem Tage Kolik noch nicht erobert worden. Ein besonderes Hinderniß für den Sieg der Baghirmi liegt in dem Mangel an einheit lichem Vorgehen; vielmehr sucht jeder in erster Reihe seinen eigenen Vortheil zu wahren durch Gefangennahme von Sklaven, von denen ihm die Hälfte gehört, und durch Raub von Ziegen, Hunden und dergleichen, die ganz ihm verblei ben. Sobald daher der Zugang zu den ins Innere führenden Pfaden durch Aexte etwas erweitert — im Innern des Gehölzes verbreiterten dieselben sich etwas — und die Auf merksamkeit der Belagerten auf die dort Eiudringenden con- centrirt war, begannen auch die Baghirmi-Leute sofort ihre privaten Unternehmungen. Von allen Seiten krochen sie unter die dichten Büsche und kehrten nach einiger Zeit mit Erstürmung einer Barrikade in Kölik. einem Kinde oder einer Ziege wieder; ost freilich mögen sie auch ihre Raubsucht drinnen mit dem Leben gebüßt haben. Auf der Seite, wo Nachtigal sich befand, leitete der Falsch« den Kampf; den andern Zugang suchten die Leute des Mbärma und Ngarmäni zu erobern. Doch bei dem Fatscha waren die Feuerwaffen und endlich auch der Erfolg. Die Heiden machten zwar von Zeit zu Zeit wüthende Aus fälle und zogen sich dann wieder in das centrale Dorf zu rück, wo sie von ihren Frauen mit Wasser und Melissa erquickt wurden; allein für jeden Feind, den sie zu tödten oder auch nur zu verwunden vermochten, verloren sie aus ihrer ohnehin beschränkten Zahl mehrere durch das tödtliche Blei. Am verderblichsten für sie war der Moment, in dem es einem der Angreifer gelang, eine der innersten Hütten, welche auf einem engen Raume dicht zusammengedrängt standen, in Brand zu stecken. „Ich selbst — schreibt Nach tigal — wünschte um diese Zeit ebenfalls einen Einblick in die Zufluchtsstätte der Einwohner zu gewinnen, stieg vom Pferde und schlich langsam und vorsichtig auf dem engen Pfade bis auf eine Lichtung, auf der unsere Kämpfer sich hielten, und von hier seitlich bis zu den Hütten, die auf dieser Seite theilweise in Flammen standen und von den Frauen und Kindern bereits verlassen waren. Doch als ich langsam zurückging, trat ein Moment der Ermannung der ermüdeten Kolik-Kämpfer ein, sie griffen die Baghirmi mit großem Ungestüm an und trieben sie in eine wilde Flucht, in die auch ich verwickelt wurde. Zunächst verlor ich bei dem rasenden Laufe das einzige Schuhpaar, das ich noch mein nannte, und wurde dann, bei der Nacktheit meiner zart häutigen Füße, in beunruhigender Weise von den Flüchtlin gen überholt. Meine imponirende blaue Brille, das letzte unzerbrochene Exemplar, sank sodann in den Staub und mein Tarbusch blieb an seiner Quaste in den Zweigen hän gen. Schon hörte ich das Geheul des erbitterten Feindes in nächster Nähe; schon fühlte ich im Geiste ein scharfes Wurfeisen meiner Flucht ein Ende machen, wagte jedoch