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Carl Berghoff: Notizen über die nubischen Wüstenbewohner Ababdeh und Bischarib. 285 eine reiche Einnahmequelle sein, um so mehr, als sich inner halb weniger Schritte Entfernung kleine Buchten befinden, die während der Sommermonate Küstenfahrzeugen von 20 oder 30 Tonnen sichern Ankergrund gewähren könn ten. Der Weg von der Nordküste nach dem einige Mei len südlicher im Lande gelegenen Morphu führt über ein anscheinend fruchtbares Plateau, das, an einigen Stel len kultivirt, zum größten Theile mit Wald oder vielmehr mit den Ueberresten eines Waldes von Terpentinkiefern be standen war. Auf der meilenlangen Strecke gab es keinen unverstümmelten Baum, der über acht Jahre alt gewesen wäre. Wo man nicht die ganze Spitze abgeschnitten hatte, nur um eine gerade Stange zu erhalten, da hatte man 15 Jahr alte und noch ältere Bäume um der Terpentin gewinnung willen schonungslos angehaucn, die Rinde zum Gerben abgeschält. Mit den Mastixbüschen war man nicht besser verfahren — und doch bedeckten trotz dieser unauf hörlichen Verwüstungen junge von den herabfallenden Zapfen ausgesäete Baumpflänzchen überall den Boden und zeigten, wie das fruchtbare Erdreich hier die Forstkultur belohnen würde. Lange Reihen von hoch mit Holz beladenen Eseln, die mit Aexten bewaffneten Holzfäller daneben schreitend, zo gen auf der sogenannten Straße nach Morphu hin —, ge rade als herrschte der Türke noch im Lande und als hätte der englische Gouverneur noch kein Gesetz zur Schonung des Waldes gegeben. Freilich, zwischen dem Erlassen eines .Gesetzes und seiner kräftigen Durchführung ist ein gewalti ger Unterschied! Notizen über die nubischen Wüstenbewohner Ababdeh und Bischarib. Von Carl Berghoff in Chartum. Auf dem Asfuaner Suk (Markt) hatte ich zuerst Ge legenheit, Repräsentanten der nubischen Nomaden, die dort zu Handels- und Tauschzwecken versammelt waren, zu sehen und zu beobachten; ich muß gestehen, daß sie meine Auf merksamkeit vor allem andern in Anspruch nahmen. Durch eine fünftägige Stromfahrt nach Korosko wurden die braunen Gesellen etwas meinem Gesichte entrückt, um jedoch in letzterer Stadt naturwüchsiger und origineller als je wieder zum Vorschein zu kommen. Ich reiste in Gesellschaft einer arabischen Kaufmannskarawane, die, nach dem Sudan zie hend, zur Fortschaffung ihrer Waaren etwa 50 Kameele brauchten. Die Herren und Begleiter dieser Thiere waren: acht Bischarib - Jünglinge, zwei Ababdeh und ein SudLn- Araber, von denen ich die folgenden Mittheilungen durch vorsichtiges Fragen, nach vorhergehender Geschmeidig- machung durch „Bachschisch", erhielt; auch trafen wir wäh rend der Reise mehrmals Bischarib-Lager, wo ich, wenn auch nur flüchtige, Gelegenheit fand, Beobachtungen anzu stellen und bisher Erhaltenes zu kontroliren. Leider war die Reise von zu kurzer Dauer, zu mühselig, auch die Kameeltreiber, die Objekte der Beobachtung und Befragung in den Ruhepausen, zu ermüdet, als daß Bedeutendes er reicht werden konnte; doch hoffe ich immerhin, daß die kargen Fragmente, die ich mittheilen kann, einiges Interesse darbieten. Die Ababdeh (Singul. Abadi). Nichts hält wohl schwerer als die Zahl eines Nomadcn- volkes zu schätzen, Grenzen um das von ihnen beschwärmte Gebiet zu ziehen. Die Ababdeh sind ein kleines Hirtenvolk; ihre Zahl soll nach Angabe glaubwürdiger gebildeter Araber kaum 1500 bis 2000 Seelen betragen. Dr. Klnnzinger, dieser sonst so gewissenhafte Beobachter, nimmt (Bilder aus Oberägypten S. 249) 30 000 an, hat aber zweifellos viel zu hoch gegriffen. Nach meinen Erkundigungen bedienen sie sich keiner eigenen Sprache, sondern sprechen verdorbenes Arabisch, verstehen jedoch, ohne Ausnahme, die Bischarib- Sprache. Sie tragen das Haar kurz, doch immer noch derartig, daß es bei einem Europäer üppig genannt werden Würde. Es schien mir, ebenso wie die Hautfarbe, schwärzer als das der Bischarib und bedeckt den Kopf in großen zu sammenhaltenden, nicht wolligen, gefälligen Locken. Wie die Bischarib verschmähen sie jede Art Kopfbedeckung, auch stimmen sie mit denselben hinsichtlich der Kleidung und Be waffnung überein. Sie bewohnen die Wüste zwischen dem Nil und dem Rothen Meere, ungefähr vom 24" bis 20" nördl. Br. In früheren Zeiten sollen häufig blutige Kämpfe zwischen den Bischarib und Ababdeh stattgefunden haben, welche aber neuerdings einer friedlichen Vermischung und dadurch bedingten Absorption der letztem Platz gemacht zu haben scheinen. Die Ababdeh sind schön gebaute Menschen mit regelmäßigerm, angenehmerm Gesichte als die Bischarib, deren starker äthiopischer, etwas ans Semitische gemahnender Schnitt bei ihnen weniger auftritt. Auffallend sind die großen schönen sanften Augen. Als Hauptcharaktereigen schast wurde von den Arabern Heimtücke angegeben, doch ist diese Angabe mit Vorsicht aufzunchmen; mir schienen sie sonst viel ruhiger und kaltblütiger als ihre südlichen Nach barn. Bischari, Plur. Bischarib. (Bischarin ist die arab. Pluralform.) Das Land der Bischarib erstreckt sich in der Länge von der Nordgrenze Abyssinicns (incl. Bogos, Bazen) bis zum 24" nördl. Br. (doch sieht man sie häufig noch nördlicher z. B. in Assuan), in der Breite vom Nil bis zum Rothen Meere; natürlich ist damit die in diesem Gebiete liegende Wüste und Steppe gemeint, da die Bewohner der frucht baren Ufergelände des Nil, Atbara und Bachr el Azrak andern Stammes sind. Kleine Abtheilungen wohnen auch westlich vom Nil in der Breite von Berber und nördlich. Die Hadendüa zähle ich zu den Bischarib, denn ein bei unserer Karawane befindliches Individuum erstem Stammes unterschied sich nur durch eine unbedeutende Differenz des Haartoupets und ebenso kleine Dialektverschiedenheit. Die Bischari leben fast ausschließlich von Viehzucht, besitzen eine vortrefsliche Race von Kameelen, wenig Rindvieh und zahl reiche Herden von Ziegen und Schafen; die letzteren sind weiß, gelbbraun gesteckt, haben keine oder schlechte Wolle,