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tung auf Verkehr mit dem Auslande und auf Schifffahrt, für welche es ihm an Kohlen nicht mangelt, nehmen, Peru dagegen erst recht das werden, was es seinem Kerne nach immer gewesen ist: ein vorwiegend binnenländisches abge schlossenes Gemeinwesen. Die Abgeschlossenheit oder die Zugänglichkeit der spanisch amerikanischen Länder, welche auf ihrer sehr verschiedenen Natur beruht, mußte eine entsprechend verschiedene Wirkung auf ihre Menschen üben. Nach Westindien, nach der Ar gentina, nach Chile, reichen und leicht zugänglichen Ländern, hat sich seit der Eroberung ununterbrochen, thcils freiwillig, thcils, wie die Neger, gezwungen, ein Strom fremder Men schen ergossen. Vor ihnen sind die Eingeborenen ganz oder doch bis auf kümmerliche Reste dahin geschwunden. In der Argentina und in Chile, die beide der gemäßigten sub tropischen Zone angehören, wiegen Menschen europäischer Abstammung vor. In dem heißen Westindien überwiegen an Zahl die Afrikaner. Dagegen auf dem Rücken der An den sind die Ureingeborenen obenauf geblieben. So verschieden im Blut sind die Bevölkerungen dieser Länder. Und diese Verschiedenheit tritt immer stärker zu Tage. Alljährlich wandern Tausende von Italienern nach der Argentina, zahlreiche Deutsche, Engländer, Amerikaner nach Chile ein. Diese beiden Länder werden immer mehr europüisirt. Dagegen in Westindien, in den Thälern des Cauca und des Magdalena, in Venezuela treten die Afrika ner von Jahr zu Jahr stärker hervor. Es steht zu befürch ten, daß in den genannten Ländern mit der Zeit auch die politische Herrschaft den Schwarzen zufallen wird, wie cs auf Haiti schon seit fast einem Jahrhundert geschehen ist. Endlich in den Andesländern beginnen die Indier neuerdings sich selbst thätig zu regen, nachdem sie Jahrhunderte lang nur durch leidendes Beharren ihren Eigenwillen gezeigt ha ben. Bon Mexiko kann ich selbst dies bezeugen. Bon Peru wird cs außcr durch andere durch die Autorität von Tschudi's beglaubigt. Wir unterschieden im spanischen Amerika zuletzt drei ausgedehnte Zonen sehr verschiedenartiger Produktion nnd Bevölkerung. Darauf beschränken sich die Gegensätze nun nicht. In jeder dieser Zonen haben sich mehrere Gemein wesen gebildet, die einander widerstrebende oder doch nicht zusammcnfallende Interessen haben, wenn sie auch sich sehr viel näher stehen, als jene großen Gruppen zu einander. In dem Gebiete des La Plata finden sich drei oder, wenn wir Brasilien hinzurechnen, vier Staaten. Es ist bekannt, wie fremd inmitten der drei anderen das von Jesuiten ge gründete und in ihrem Geiste fortgeleitetc Paraguay steht, wie eifersüchtig das kleine Uruguay über seine Unabhängig keit Brasilien und der Argentina gegenüber wacht, wie häufig die letztere durch den Gegensatz der großen Hafen- und Hauptstadt nnd des viehzüchtenden Landvolks zerrissen wird. Bian kennt ferner den Zwiespalt zwischen Chile und der Argentina wegen des südlichen Patagoniens, besonders der Kolonie Punta Arenas halber, welche die Magellan- straße beherrscht und deshalb noch einmal eine nicht unbe deutende Rolle spielen wird, wenn nicht inzwischen der Pa nama-Kanal eröffnet wird und dem Handel zur Westküste eine andere Richtung weist. Wir kommen jetzt zu den Staaten, welche sich aus dem Reiche der Jncas gebildet haben, und wollen uns bei diesen etwas länger aufhaltcn. Man sollte denken, daß Ecuador, Peru, Bolivia ein ein ziges Gemeinwesen bilden müßten. Unter den Jncas haben sie es gethan. Seitdem gehört ihre eingeborene Bevölkerung — mit Ausnahme der dcS Mittlern Bolivia, wo Aymarä GlvbuS XXXIX. Nr. 18. gesprochen wird — größtentheils einem Sprachstamme, dem Quichua, an, das sogar der Fremde neben dem Spani schen anzuwenden gezwungen ist. Endlich die Natur der drei Länder ähnelt sich sehr. Das sind die Gründe, welche für ihre Vereinigung zu sprechen scheinen, zu der ja übrigens neuerdings Pwrola, der Diktator Perus, die Initiative er griffen hat. Sie sind nicht unstichhaltig. Dennoch sehen wir die drei Republiken getrennt. Die Staaten sind eben nicht Verbindungen aller Men schen gleicher Sprache, sondern geschichtliche Bildungen. Eine Familie oder eine Anzahl von Familien erwirbt das Uebergewicht über andere und hält es fest. Sic schützt sic und wird dafür von ihnen erhalten. Ob dieselben gleiche oder verschiedene Sprache reden, macht nicht so viel aus. Ich meine, die Menschen sind sich, wenn sie nicht in per sönlicher Beziehung zu einander stehen, im Grunde sehr gleichgültig, und der Umstand allein, daß zwei dieselbe Sprache reden, macht den Einen dem Andern nicht sympathischer. Wenn ein Staat sich auf Gesinnungen anstatt aus Ein richtungen stützte, so wäre er auf Sand gebaut. Auf die Einrichtungen oder vielmehr auf die Menschen, welche die Einrichtungen zu treffen haben, kommt es an. Nun hat sich aber in den Hauptstädten der drei Länder, zum Theil schon in der spanischen Zeit, je ein herrschender Kreis ge bildet. Natürlich wird ohne Weiteres weder die Oligarchie von La Paz zurücktreten noch die von Quito auf die reichen Zolleinnahmcn ihres Hafens Guayaquil verzichten wollen. Zwischen Pern und Ecuador schwcbt übrigens noch eine besondere Mißhclligkeit. Es handelt sich um den Bezirk von Jaen de Bracamoros, den Ecuador in Anspruch nimmt, Peru seit einigen Jahrzehnten in Besitz genommen hat. Ecuador hat diesen Verlust nicht verwunden. Um ihn wie der einzubringcn, hat cs sich sogar, nach Zeitungsberichten zu urtheilen, in dem gegenwärtigen Kriege einmal auf die Seite Chiles gegen Peru stellen wollen. Peru, Bolivia und Ecuador sind indcß nicht allein poli tisch gesondert. Sie sind auch Berkchrsgebicte für sich. Quito hat einen vortrefflichen und nicht allzu weit entfern ten Hafen in Guayaquil, das seinerseits durch den Kakao seiner scuchthcißcn Umgegend von selbständiger Wichtigkeit ist. Bolivias Schwerpunkt liegt auf der östlichen Abdachung der Anden um die Quellen des Pilcomayo und dcs Madera herum. Das auf der öden mittler» Hochebene gelegene La Paz ist nur deshalb Hauptstadt, weil es der Stapelplatz des über Arica seinen Weg nehmenden überseeischen Verkehres ist. Nämlich die Regierungen dieser Länder ziehen sich dahin, wo ihre Einnahmequellen fließen. Ihre besten Ein nahmen aber bestehen aus Zöllen, weil deren Erhebung kei nen Widerstand wcckt. Peru ist das Gebiet der oberen südlichen Quellflüsse des Maranon. Die Benutzung der Unterläufe dieser Ströme für die Verschiffung von Gütern wird vielleicht noch lange auf sich warten lassen und, da diese nicht in reichlicher Menge vorhanden, jedenfalls nicht leicht zu heben sind, kaum je sehr umfassend sein. Allein wenn die Flüsse hier auch dem Welthandel nicht von Nutzen sind, so dienen sie doch unmittelbar und mittelbar dem inländischen Verkehre. Zn die Waldwildniß kann die Gesittung nur auf und an ihnen entlang hincindringen. Oben aber sind ihre Thälcr warme erdreichc Einschnitte in den kalten steinigen Hochgebirgen. Sie allein sind Sitze einer dichtcrn Bevölkerung und zugleich, theils dieses Umstandes, theils ihrer größern Wegsamkeit halber, natürliche Vcrkehrsstraßen. Cuzco, einst der Mittel punkt des ganzen und jetzt noch wcnigstcns der des innern Landes, das besser bevölkert ist als die Küste, verdankt seine Bedeutung dem Umstande, daß es auf der Höhe zwischen 36