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die Wohnungen lagen weithin zerstreut im Schutze und Schatten der ebenso majestätischen als lieblichen Bäume, sie waren aber längst verlassen und meist vom Feuer zerstört. Seit Wochen lebten die Einwohner hoch oben in ihren luf tigen Kriegswohnungen auf den riesigen Bombaxbäumeu, welche diese Wälder charakterisiren. Die Höhe derselben und die Regelmäßigkeit ihrer Aeste in Zahl und Richtung machte dieselben besonders dazu geeignet. Der dicke graue Stamm entwickelt in einer Höhe von circa 15 Fuß die ersten Aeste, welche unbenutzt bleiben. Doch die darauf folgende Etage, circa 25 Fuß vom Erdboden entfernt, wird bewohnt, indem man zwei der Riesenäste, welche fast rechtwinklig vom Stamme abstehen, durch darüber gelegte Stangen vereinigt. Auf diesen befestigt man ein solides dickes Strohgeflecht und errichtet darauf eine kleine Hütte oder läßt diese Plattform zum Aufenthalte der Ziegen und Hunde dienen. Hart am Stamme werden, wie Mastkörbe, große stark geflochtene Körbe angebracht, welche einen oder mehrere Menschen auf nehmen können, und wo sich die Waffen befinden. In den leichten kleinen Hütten wird das nothwendigste Haus- geräth, nämlich der große Holzmörser zum Mahlen des Getreides und die großen Wasserkrüge aus Thon, aufbewahrt. In noch höherer Etage der riesigen Bäume wiederholt sich ein solches Hauswesen, so daß verschiedene Familien auf einem Baume wohnen, mit ihrem Hausgeräth und selbst ihrem Kleinvieh, wenn dasselbe nicht zu zahlreich ist. Nachts, wo sie vor Ucberfällen sicher sind, steigen sic herunter und erneuern ihren Vorrath von Wasser und von Getreide, das sie im unzugänglichen Busche versteckt halten oder im Bo den vergraben. Zwei durch feste Stricke in bestimmten Ab sätzen verbundene dünne Baumstämme bilden die primitive Leiter, deren Sprossen die Vorsprünge bilden, welche durch die Stricke entstehen. Von den Mastkörben und offenen Hütten aus schleudern die Männer ihre harmlosen Wurf geschosse — ein circa 1 Fuß langes, an einem Ende scharf zugeschnittenes, am andern durch Thonklumpen beschwertes Rohr — auf die Untenstehenden; von dem Wurfeifen ma chen sie erst Gebrauch, wenn der Angreifer im sichern, un- Ceremonien beim Begräbnisse eines Kindes. vermeidlichen Bereiche desselben ist, und die Lanze benutzen sie erst, wenn es dem Feinde gelungen ist, den Baum zu ersteigen. Die Baghirmi mit ihren heidnischen Bundesgenossen, zusammen eine Streitmacht von etwa 80 Reitern, 500 Baghirmi mit Sklaven und mehr als 1000 Heiden, waren diesen Festungen gegenüber gänzlich hülflos. Jeden Baum unter Verlust einiger Streiter gewaltsam zu erobern, dazu fehlte ihnen der Muth; die Bäume abzusägen, hatten sie nicht die Instrumente, und ihre Waffen genügten nicht, den Leuten oben gefährlich zu werden. Es waren zwar einige Flintenträger vorhanden, aber dieselben waren nicht im Stande, zu zielen und zu treffen. Zuweilen freilich versuchte man, die Strohbauten durch Feuer, das man mit tels langer Stangen anlegte, zu zerstören; doch war es stets leicht für die Belagerten, entweder die Gefahr ganz abzu- wcnden oder das Feuer gleich im Beginn zu ersticken. Die Ehre des Tages gebührte zu Nachtigal's Schmerz leider seinen Leuten, besonders Almat, welcher mit dem Pulver und Blei des Reisenden die armen Leute wie Vögel von den Bäumen herabschoß und dadurch viele der übrigen zum Hcrabsteigen veranlaßte, worauf dann stets eine wahre Hetz jagd auf die Unglücklichen begann. Glücklicherweise war aber auch er nur ein mittelmäßiger Schütze; sonst würden an diesem Tage viele Kimrs ihr allzu großes Vertrauen auf den Bombax mit ihrem Leben gebüßt haben. Männlicher Muth fehlte den armen Heiden wahrlich nicht: Nachtigal sah unreife Knaben, in die höchsten Wipfel der Bäume getrieben, von dort freiwillig sich in die Tiefe stürzen und den Tod der Sklaverei vorziehen. Zum Tode oder leichter getroffene sanken stets ohne einen Laut des Schmerzes zusammen, und gingen die Schüsse fehl, so bra chen Männer und Frauen in ein Triumphgeschrei aus. Aber die Baghirmi und ihre heidnischen Bundesgenossen, eigentlich doch die Vettern der armen Belagerten, entwickelten eine ekelerregende Bestialität. Kaum hatte ein aus schwin delnder Höhe herabfallender Verwundeter den Boden erreicht, so sielen diese Teufel Uber ihn her und zerfetzten ihn buch stäblich mit ihren scharf schneidenden Wurseiscn. Die oben erwähnten Knaben sah Nachtigal in der Luft von Zweig zu Zweig fallen; doch als er hinzueilte, fand er nur noch un förmliche, kopflose Massen mit herausgerissenen Gedärmen;