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276 Dr.. Gustav Nachtigal's Reise nach Baghirmi 1872. viersaitigen Darmsaiteninstrumcnten und ihrem einfachen, nicht unmelodischen Gesänge zu lauschen. Das störendste Element in diesem Stillleben waren die zahllosen, kläffenden Köter, die meist gelb, klein, spitzohrig, dem Reisenden auch keinen Augenblick Frieden gönnten, und das Lieblichste die wohlgebildeten, wirklich hübschen Kinder, deren sich die Leute durchgängig erfreuten. Die religiösen Vorstellungen dieser Heiden beschränken sich auf den Glauben an einen Gott, der im Himmel wohnt und sich im Donner zu erkennen giebt. Sein Symbol ist ein heiliger Pfahl aus dem Holze der Hablla, den man durch theilweise Entfernung der Rinde ringt und in einer beson der» kleinen Hütte neben der Familienwohnung aufstellt, zu welcher Frauen und Kinder keinen Zutritt haben. Diesem heiligen Pfahle opfert man von allem: von den Fellen des erbeuteten Wildes die Nackenhaut, von dem erschlagenen Feinde das Schamfell. Nie vergißt man, ihm Melissa zu opfern, und bedarf man seines Rathes und Beistandes, so schlachtet man ein Huhn an ihm. Zauberer und Zauberei sind sehr im Schwange und äußern sich, wie so vielfach bei den Negern, in bestialischer Weise. Stirbt der Sultan oder ein vornehmer Mann oder auch nur ein schönes Pferd, so kann dies nie ohne Einfluß von Zauberei geschehen sein, deren Urheber in willkürlichster Weise, die der Bosheit freien Spielraum läßt, entdeckt wird. Zwei Mann tragen in Somrai den Todten, so daß der eine das Fußende, der andere das Kopfende auf dem Kopfe chat. Die Verwandten und „kluge Männer" ermahnen dann den Todten laut, seine Träger zum Hause des Schuldigen zu führen, und wohin seine Füße sich wenden, folgt man, um, wenn die Füße des Tobten sich einem Hanse gegenüber fixi- ren, dasselbe zu überfallen, zu verbrennen, den Hausherrn todtzuschlagen, Frauen und Kinder fortzuschleppen und als Sklaven zu verkaufen und sich der ganzen Habe zu bemächtigen. Baghirmi - Wittwen. Die Todten werden in einem großen, runden Grabe bestattet. In der östlichen Wand desselben wird eine Nische angebracht, geräumig genug, den Todten mit Zubehör auf zunehmen. Man bettet ihn auf 20 bis 30 schönen Toben, bindet ihm die Hände zusammen, schlägt die Toben Uber ihm zusammen und umwickelt das Ganze mit Baumwollstrei fen. Zu seinen HLuptcn wie zu seinen Füßen legt man eine geschlachtete Ziege, stellt einige Krüge Honig und noch mehr Melissa neben ihn und stülpt eine kleine Schüssel mit Perlen oder Kaurimuscheln auf seinen Mund. Bei einigen Stämmen, wie bei den Njillem, begräbt man mit dem ver storbenen Sultan einen 12 bis 14 jährigen Knaben und ein fast mannbares Mädchen lebendig, damit dieselben ihm die Fliegen abwehren. Letztere Gewohnheit soll früher ganz allgemein gewesen sein, jetzt aber allmälig durch den Verkehr mit den Baghirmi aufhören. Am Tage von Nachtigal's Ankunft in Mofu war in einem Nachbarhause ein Kind gestorben. Man grub ein ovales Loch etwa so tief, wie die Hüftenhöhe des Todten war, und stopfte die Leiche hinein, so daß die Knie herausragten; dann heulten und jammerten Männer und Weiber den ganzen Tag vor der Thür der betreffenden Hütte, bald ohne Begleitung, bald mit Lanzen und Töpfen klappernd, bald unbeweglich stillstehend, dann wieder den Körper einförmig hin- und herbewegend. Am Tage nach dem Begräbnisse folgte den Trauerbczeugungen ausgelassene Lustigkeit und ein schwelgerisches Melissa-Gelage. Unweit Broto lagen verschiedene Ortschaften, deren Ein wohner sich auf die hohen Bombax - Bäume zurückgezogen hatten und auf die schönen Worte und politischen Unter handlungen der Baghirmi nicht hören wollten. Diese aber fühlten sich den luftigen Wohnungen gegenüber machtlos. Eine halbe Tagereise südöstlich von Broto wohnten die Leute von Kimrs, ihrem Stamme nach Gaberi, gegen welche der Fatscha, Mohammedu's oberster Feldherr, am 14. April einen Raubzug unternahm, dem sich Nachtigal anschloß. Der Zug ging durch die Ackerfelder von Broto, über baumlose Ebenen, durch Buschwald und endlich über die fruchtbaren Felder Kimro's, schwarzen Thonboden, mit Wassertümpeln durchsetzt und von Elephantenspuren durch zogen. Vor ihnen lag der Wald, welcher das Dorf verbarg; Rauchwolken stiegen hier und da aus demselben auf, als Warnungszeichen für Fernerwohnende und als Beweis, daß die Annäherung der Feinde bemerkt worden war. Auf lichten Stellen des Waldes sah man noch Getreidefelder;