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268 Carl Haberland: Biene und Honig im Volksglauben. tern beweisen). Man führt diese Anlage auf die Zeit Abdulla-Chans (1555 bis 1597), des größten bucharischen Herrschers aus dem Hause der Scheibaniden, zurück; es ist also zu vermuthen, daß vor dreihundert Jahren das Ufer des Amu noch nicht so versandet war wie jetzt, und für den Handel Wichtigkeit hatte. Offenbar war damals Bur- dalyk der bedeutendste Stapelplatz; zu ihm führte eine Haupt straße, an welcher Halbwegs von Karschi zum Amu jene Sar- doba angelegt ist, die jetzt allein noch erhalten blieb, wäh rend die sonstigen Anlagen um dieselbe längst verfallen sind. Die Straße Karschi-Burdalyk führt auch direkt zu dem Hauptsitze der südlich des Amu wohnenden Ersari-Turkme- nen, dem Orte Gurjasch. Dort residirt als Haupt des Stammes Tilja-toksaba, der zwar nominell dem Emir von Buchara unterthan, in Wirklichkeit aber ganz unab hängig ist. Dies zeigt sich am besten darin, daß diese Turk menen die bucharischen Orte am Amu-darja ebenso wenig mit ihren Raubzügen verschonen, als das afghanische und persische Gebiet. Abdurrahman-Chan suchte von Kabul aus sogar die Bundcsgenossenschaft des Tilja-toksaba zu gewin nen, vielleicht nur um die Angriffe auf Andschui re. hintan zu halten. Im Jahre 1879 wußte der bucharische Beg vou Tschardschui die Ersari sogar zu einem Zuge gegen die Tekke-Turkmenen in Merw zu veranlassen, während sie sonst Streifzüge bis in das persische Gebiet hinein mit jenen gemeinschaftlich ausführen. Ueber die Straßen vom Amu nach der Oase Merw sind Beschreibungen bis jetzt nicht veröffentlicht. Nach der Karte des turkestanischen Militärbezirks vom Jahre 1877 ist die Straße von Burdalyk nach Merw nicht nur die nächste, sondern auch die am reichsten mit Ort schaften und Brunnenstationen besetzte. Die Karte giebt auf der 200 Werst langen Strecke vom Amu bis zur Oase von Merw deren nicht weniger als 27 an, während auf die Straße von Naruzym her deren nur 10 (davon 6 im eigent lichen Wüstengebiet) und auf die Straße von Tschardschui deren nur 4 kommen. Von Kerki aus in der Richtung auf Merw sind Karawanenwege auf jener Karte überhaupt nicht verzeichnet. Biene und Honig im Volksglauben. Von Carl Haberland. III. Es erübrigt nunmehr noch, die Stellung des Erzeug nisses des Bienenfleißes in der Bolksanschauung zu be trachten. Dieser süße, goldigglänzende Stoff konnte nicht nur das Erzeuguiß des unscheinbarenThierchens sein — „Klein unter den Geflügelten ist die Biene und der Süßigkeiten erste ist ihre Frucht" —, er mußte einen höher», bessern Ursprung haben, die Biene selbst konnte nur sein Sammler, sein Eintrager sein. Der böhmische Volksglaube drückt dies direkt aus, wenn er sagt, daß der Honig vom Himmel auf die Blumen fällt, wo ihn die Bienen nur sammeln; der Elsässer Volksmund nennt ihn einfach „Himmelsschweiß"; dem heidnischen Germanen war die Bienennahrung der Honigthau, der Thau welcher von der Weltesche Uggdrasil auf die Erde fällt?). Ein finnisches Runenfragment er mahnt die Biene ihre Schwingen in den kleinen Korb der alten Akka, des Weibes des Hauptgottes Ukko, zu stecken und dort Honig zn holen s; im Rigveda fcheint dem Zwil lingspaar der Asvinen das Bringen des Honigs für die Bienen zugeschrieben zu werdens. Auch nach antiker An schauung kommt der Honig bei Tagesanbruch oder beim Aufgang der Gestirne oder wenn ein Regenbogen am Him mel steht aus der Luft, und wird er verschiedenartig bald als ein Ausschwitzcn des Himmels, bald als ein Ausspucken der Sterne, bald als eine Reinigung der Luft selbst erklärt; je besser der Blumenkelch, welcher ihn aufbewahrt, je schöner und reiner ist auch der Honig. Nur der Honig fällt aber aus der Luft, den Wachs müssen die Bienen aus den Blu men, den Vorwachs aus den ausschwitzenden Säften der Bäume bereiten 5). Kein Wunder, daß diesen himmelentstammten Stoff Pindar neben der Milch als die zarteste, als die feinste Speise bezeichnet, daß er ihn den hundertsten Theil der Un sterblichkeit nennt; daß Jbykus ihm den neunten Theil der Lieblichkeit der Ambrosia beilegt §). Honig bildete in Ver bindung mit Brod nicht nur das Mahl der alten Pythago- räer, er war nicht nur die Speise Johannes des Täufers in der Wüste, sondern auch ein beliebter Bestandtheil des Mahles der Könige in den älteren Zeiten, als welchen ihn schon Homer und das alte Testament erwähnen; in Persien war er Königen und Priestern geschätzte Nahrung H. Für Indien schreiben die Gesetzbücher vor, daß zu ehren den Gästen stets Madhuparka, ein Gericht welches aus Honig mit dicker Milch oder süßer Milch oder im Nothfall Wasser besteht, vorgesetzt werden muß. Honig darf der in Annahme von Essen so peinliche Zweigeborene von einem jeden annehmen; verboten ist er ihm aber während seiner Schülerzeit und auch dann wieder, wenn er sich gegen Ende seiner Laufbahn vom bürgerlichen Leben zurückgezogen hat und als Einsiedler dem Heile seiner Seele lebt. Auch ge hört der Honig unter die Gegenstände, mit denen ein Brah- mane selbst in der höchsten Noth keinen Handel treiben darf. Beim Vorübergehen an einem Gefäß mit Honig muß der Hindu dieses, wie alle zu ehrenden Gegenstände, zur Rechten lassen s). Dem Alterthum war es bekannt, daß in Honig ausbe wahrtes Fleisch nicht verwest, und scheint der Honig als Konservirungsmittel dementsprechend benutzt zu sein?). Ganz ebenso bewahren die Beddahs auf Ceylon noch jetzt ihr Fleisch in Honig wegen Uebermaßes davon anstatt in Salz auf ^), und im Sudan genießt man Schaffleisch in Honig gesotten als ein beliebtes Gericht, welches auch euro päischem Gaumen zusagt iH. Auch das deutsche Alterthum kannte die Zubereitung des Fleisches mit Honig; als Gu drun die Söhne des Atli aus Rache getödtet und ihm auf- getischt hatte, ruft sie ihm triumphirend zu: Du hast deiner Söhne, Schwertvertheiler, Blutige Herzen mit Honig gegessen i?). Gleich den Menschen war der Honig auch den Göttern eine beliebte Speise. Nach Porphyrins bildete Milch und