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Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. 263 vermeidliche Wurseisen auf der Schulter, rechts und links und im Hintergründe ausgestellt war. Bou allen Anwesenden war Busso, der den Dolmetscher abgab, der interessanteste: eine untersetzte, regelmäßig ge baute Figur mit kohlschwarzer, sorgfältig eingeölter Haut, ein breites, behaglich schmunzelndes Gesicht, schöne, weiße Zähne, einen zierlich gedrehten Zwickelbart, dessen lang aus gezogene Spitze durch eine Reihe blauer und rother Perlen noch ansehnlich verlängert wurde, um die Fußknöchel Messing ringe, die hinten offen waren und in spornartige Spitzen auslicfen: ein vollendeter Stutzer. Die Audienz war nur kurz; der Sultan erwies sich als ein noch junger Mann in den dreißiger Jahren, von mäßig schwarzer Farbe, bartlos und von ziemlich regelmäßigen Zügen. Als die Fremden wieder unter ihren Baum zurückgckehrt waren, entwickelte sich dort ein ansehnlicher Markt in Cerea lien, welche die Frauen gegen Glasperlen, Muscheln und Tabak austauschten. Gedik sandte eine Kuh und eine Ziege und Abends schickte Busso einen Krug vortrefflicher Melissa (stark gegohrenes Durra-Bier), einen Krug weißen Erd honigs und ein Huhn mit der Bitte um Nachtigal's Freund schaft und besonders um einige schöne Perlen für seinen zierlichen Bart, was denn auch zu seiner Zufriedenheit be willigt wurde. Am nächsten Morgen sollte der Aufbruch stattfindcn; allein Gedik suchte denselben zu hintertreiben, um die Pferde und Flinten der Karawane erst gegen seine Feinde auszu- nutzcn — ein Vorschlag, worauf dieselbe natürlich nicht ein ging, auch nicht, als Gedik dem Reisenden einige Dutzend Sklaven als seinen Antheil an dem Geschäfte in Aussicht stellte. So ging es denn in südöstlicher Richtung weiter, fortgesetzt über Felder und an Häusergruppen vorbei, doch in langsamem Tempo, denn man war jetzt nahe bei König Mohammedu, und es erschien unstatthaft, gegen Abend bei ihm anzulangen. Um Sonnenuntergang wurde im letzten Dorfe von Somrak gelagert. Am nächsten Morgen, den 4. April, wurde spät auf gebrochen, um dem König Zeit zu lassen, einen würdigen Empfang vorzuberciten. Bald betrat man das Territorium der Gäberi und rückte nun gegen das Wäldchen vor, wo sich das Endziel der Reise befand. Es erschienen nun einige Reiter in Wattenpanzern, brachten Nachtigal's Faktotum Almas eine Botschaft und setzten sich dann an die Spitze des Zuges. Bald darauf entwickelte sich vor ihnen ein be trächtlicher Theil der Reitermacht des entthronten Königs, und zwar in ziemlich sonderbaren Kostümen. Sie waren alle in Kriegsschmuck, so weit das ihre Verhältnissegestattcten. Einige vollständig in Watte gepanzert, sie sowohl wie ihre Pferde, und mit eben solcher rothen Mütze mit weißem Knopfe, die den ganzen Kopf einhüllte; andere nur mit Pferdedecken, wieder andere nur mit der Mütze versehen. Hier schleppte einer einen rothen Tuchburnus aus besseren Zeiten, dort ein anderer ein Panzerhemd über seiner zerlumpten Kleidung. Im Ganzen waren ihrer etwa vierzig; dazwischen jagten wie Dämonen auf ihren schnellen kleinen Ponies die Heiden umher, natürlich noch viel unzureichender nnd viel seltsamer ausstaffirt, als jene 40 Kavaliere. Man ordnete sich zum Zuge; vor an Kiari, dann in breiter Front die Mitglieder der Kara wane, Nachtigal in der Mitte. Heiden zu Pferde und zu Fuß, letztere mit sechs Fuß hohen schmalen Schilden aus Büffelhaut oder dichtem Korbgeflecht, umschwärmten sie schreiend, heulend, tobend. Zuweilen machten Nachtigal's Reiter einen Scheinangriff auf sie, wobei jeder Flintenschuß ein furchtbares Kriegsgeheul ihrerseits hervorrief. Sie gingen auf das Spiel ein, vertheidigtcn sich scheinbar, ergriffen bei jedem Schüsse die Flucht, kehrten von allen Seiten heulend wieder zurück u. s. w. In dieser Weise zogen sie langsam vorwärts, an dem Rande des oben erwähnten Gehölzes nach Westen hin, stets Häusergruppen und Dörfchen der Gaben vor sich, bis zur improvisirten Stadt Sultan Mo- hammedu's. Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. i. Am 4. Juni 1878 wurde in Konstantinopel der selt same „Vertrag einer Defensivallianz zwischen England und der Türkei" unterzeichnet, durch den England in den Be sitz von Cypern gelangte. Die Insel, die bis dahin von den betretenen Pfaden der englischen Touristen ganz aus geschlossen gewesen war, wurde dadurch plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses gerückt: der neue Besitz, der wichtige strategische Punkt wurde das Ziel zahlreicher Reisen; es entstand in kürzester Zeit eine nicht unansehnliche Cypern- Literatur, in der das Land unter den verschiedensten Gesichts punkten beleuchtet, das Für und Wider der Besitznahme bald mehr, bald weniger vorurtheilsfrei erörtert wird. Sir Samuel W. Baker's, des bekannten Afrikareisenden, 081sav it in 1879" (London, Macmillan, 1879) steht unter der Zahl dieser Werke obenan; denn wenn es auch an wissenschaftlichem Werthe in mehr als einer Be ziehung von anderen übertroffen worden ist, so erfüllt es seine Aufgabe, dem Leser ein ungefärbtes, anschauliches Bild von Land und Volk Cyperns zu geben, in vollstem Maße. Die sonderbare Verklausulirung des englisch-türki schen Vertrages!), derzufolge Englands Besitzrecht auf Cypern ein nur bedingtes, unter Umständen aufzuhebcndes ist, während die Pforte nach wie vor den Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben der Insel (96 000 Pf. St. jährlich) bezieht, hat, wie überhaupt die ganze Idee einer Defensivallianz mit einer so unzuverlässigen, abstcrbenden oder eigentlich abgestorbenen Macht, in England viele Widersacher gefunden: auch Baker gehört zu denjenigen, die diesen unmotivirten und unklaren Abmachungen „die !) Zwischen den kontrahirenden Mächten ward weiterhin vereinbart: „Daß England der Pforte den gegenwärtigen Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben der Insel bezahlen und daß dieser Ueberschuß nach dem Durchschnittsertrag der letzten fünf Jahre berechnet und bestimmt werden soll," und „Daß, wenn Rußland der Türkei Kars oder andere von ihm in Armenien während des letzten Krieges gemachte Er oberungen wieder zurückgiebt, die Insel Cypern von England wieder zu verlassen ist und der Vertrag vom 4. Juni 1878 seine Endschast erreicht haben soll."