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222 Carl Haberland: Biene und Honig im Volksglauben. neue Bienen zu erhalten einem Farren Nase und Mund verstopfe und nächstdem sein Inneres durch die unblutige Haut mürbe stampfe, und beschreibt dann die Entstehung folgendermaßen: Aber die gährcnden Säst', im zarten Gebein sich erhitzend, Sieden indcß, und ein Schwarm seltsamer Beseelungen , Zeigt sich, Mangelnd der Füße zuerst, doch bald mit schwirrenden Flügeln. Zuerst habe Aristäus auf diese Art, als erzürnte Nym phen durch eine Seuche seine Bienen vernichtet, neue Schwärme erhalten, indem er auf den Rath seiner Mutter Cyrene diesen Nymphen ein Sühnopfer von Rindern gebracht hätte, aus deren verwesendem Fleische dann Bienen empor geschwärmt seien 21). Allgemeinen Beifall scheint aber diese cigenthümliche Bienenerzengung nicht bei den Römern gefunden zu haben; sowohl dem Celsus als dem Columella will es scheinen, als ob diese Kunst denn doch mehr Schaden als Nutzen brächte —). Porphyrios deutet die Bienencntstchung aus dem Leichnam des Stiers dadurch, daß der Mond, welcher auch Biene (Melissa) genannt werde, im Zeichen des Stieres kulminirc?«). Aehnlichen Ursprung wie diesen „Sticrgeborenen", diesen „geflügelten Kindern der verwesenden Kuh", schrieb man nun auch den Wespen und Hornissen zu, welche aus verfaulenden Pferden — nach Servius sollen aus diesen aber auch die Drohnen kommen — entstehen sollten?«); nach Konrad von Megeuberg kommen sie aber aus eingcgrabcnen Esels- Häuten, während aus dem Esellcibe selbst rothe Fliegen ent stehen 2Z). Diese Bienencntstchung ans dem Stierleibc erscheint auch in den dionysischen Mysterien wieder; der Gott selbst, nachdem er in der Gestalt des Stieres zerrissen worden, soll in Gestalt einer Biene wiedergeborcn sein '-'«). Die Verbindung von Rind und Biene zeigen uns ferner noch griechische und römischen Münzen -'?), und sogar im Nor den wies das im Jahre 1653 zu Tournay entdeckte Grab des Frankenkönigs Childerich des Ersten goldene Bienen ini Verein mit einem Stierkopf auf?«). In der hebräischen Heldensage erscheint der Löwe ver bunden mit der Biene; in dem von Simson zerrissenen Löwen nistet ein Bienenschwarm und giebt ihm die Idee seines Räthscls „Vom Fresser kam Fraß, und vom Starken kam Süßigkeit" 20). In den Mithrasmystcrien treten beide Thierc gleichfalls verbunden aus 3"). 4- * 4- Unter den verschiedenen Eigenschaften, welche der Volks- glanbe den Bienen zuschreibt und welche sie dem Volke in einem bessern Lichte als andere thicrische Wesen erscheinen lassen, ist zunächst ihre Vorliebe für körperliche und geistige Reinheit, ihre Abneigung gegen alles körperlich oder moralisch Befleckte, gegen alles Rohe und Frevelhafte hervorznheben. Ihre eigene Unschuld läßt sic sofort erkennen, ob eine sich nähernde Person auch eine keusche ist; bereits Plutarch und Aelian berichten, daß sie Personen, welche von einem unkeu schen Umgänge kommen, angrcifen und verfolgen "), und noch der jetzige französische Volksglaube läßt sic die Eigenheit besitzen, eine tugendhafte Frau von einer leichtsinnigen zu unterscheiden und letztere gern mit ihren Stichen zu verfol gen -'2); gleichfalls behauptet der böhmische, daß eine ehrsame Jungfrau sicher vor ihren Stichen sei ««). Ab scheu vor Menstruirtcn schreibt ihnen Plinius zu; auch gegen Leichen sollen sie nach antiker Anschauung heftigen Widerwillcu zu erkennen geben; Abneigung sowohl gegen übele Gerüche als auch gegen Wohlgerüche schreibt diese ihnen gleichfalls zu, so daß parfümirte Leute ihren Stichen ausgesetzt gedacht wurden««). Beim Einfassen eines Bienenschwarmes muß, wie man in Oberbayern behauptet, ein keusches Mädchen sein; im Kanton St. Gallen hält man frische Wäsche dabei für nöthig, während man Larven nnd Handschuhe verschmäht, da die Bienen dem Reinen, welcher sie freundlich behandelt, nichts thuit; nach altrömischer Vorschrift mußte man vor dem Ansnehmcn sich den Mund spülen««). Ein jeder, welcher mit den Bienen in Berührung kommt, soll überhaupt ein moralisch guter Mensch sein, denn nur reine und getreue Leute dulden sie um sich, während sie unreine und falsche mit ihrem Zorne verfolgen«°); dahcr- gedeihen sie nicht dort, wo rohes und trügerisches Wesen wohnt«?); sogar bei geizigen Leuten gehen sie nach böhmischem Glau ben schon ein««), nach altrömischem verabscheuen sie auch Diebe«?). In ihrer Gegenwart soll man sich stets anständig be nehmen und freundlich mit ihnen verfahren; schon Plinius wußte, daß andernfalls die Stöcke aussterben"), und der Schweizer Volksglaube weiß, daß sie es thnn, wenn in Gegenwart der Biene geschworen oder geflucht wird""); der französische, daß sie im letztem Falle den Sünder mit ihren Stichen verfolgen oder ihn wohl gar eines Auges be rauben, selbst gegen einen unanständigen Scherz sind sic sehr empfindlich "). In der Normandie, wo man ihnen das Verstehen alles Gesprochenen zuschrcibt, glaubt man, daß sie sich gelegentlich für Beleidigungen rächen, dagegen gut behandelt dem Hause Heil bringen««); in der Schweiz, daß sie dem Menschen überhaupt nichts thnn, wenn er nur keine bösen Worte braucht««). Unrecht verträgt die Biene überhaupt nicht; ein gestohle ner Schwarm wird nie gedeihen, sondern bald aussterben, was schon Plinius berichtet und unser heutiger Volksglaube bestätigt, wenn er nicht, wie der französische annimmt, daß der Schwarm zum rechtmäßigen Besitzer zurückkchrt"). Der Westfale behauptet, daß, wie der Bienenstock so auch der Obstbaum und der Wermuth kein Unrecht vertrage, und daß namentlich Diebstahl von Bienen, Flachs und Federvieh der armen Seele Weh thue"). Nach französischem Glauben wollen die Bienen auch nicht einmal verkauft sein und rächen sich an dem Käufer durch Nichlgedcihcn, zuweilen auch an dem Verkäufer durch anderweites Unglück; nur tauschen oder verschenken darf man sie«?). Der praktische Engländer, bei dem dieser Glaube gleichfalls stellenweise herrscht, weiß sich zu helfen, indem er zwar den Bienenstock verschenkt, dabei aber als selbstverständlich das gleichwerthige Gegengeschenk in Korn, welches meist schon durch den Brauch festgesetzt ist, in An spruch nimmt"). In Schwaben darf man wenigstens beim Jmmenkauf nicht feilschen "). Der enge Zusammenhang, in welchem der Bienen schwarm mit seinem Besitzer steht, hat seinen schärfsten Aus druck in den Vorschriften gefunden, welche bei dem Tode des Herrn und dem Uebergang an den Erben zu beobachten sind, und welche sich gleichmäßig durch ganz Deutschland, Eng land und Frankreich, dann auch bei den Litthauern und den Serben verbreitet finden. Zunächst ist es nöthig, den Bienen den Tod ihres Herrn, bei den Litthauern auch den der Wirthin, in einzelnen Ge genden Englands auch den naher Verwandter, in aller Form, meistens mit einer feststehenden Formel anzuzeigen, wie z. B. Der Wirth ist todt (Norddeusichland); Der Vater ist todt (Voigtland); Bienchen, der Hausvater ist gestorben (Böhmen); Ihr Bienen, euer Herr ist gestorben (Oesterr.-Schlcsien);