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Carl Haberland: Biene nnd Honig im Volksglauben. 221 ganisation, die Regelmäßigkeit der Beschäftigung, das Wun der der Verwandlung des Bltithenstaubes in Wachs und Honig, mancherlei Eigenthümlichkeiteu des arbeitsamen Lebens, welche einen liefern Sinn ahnen ließen, rückte dieses Thier- chen dem Menschen näher, als ihm nach seinem Platze auf der Stufenleiter der Thicre eigentlich zukam; sein instinkt mäßiges Handeln erschien wie Aeußerung eines bewußten planmäßigen Wollens und schied es dadurch von der übri gen Thierwclt; die Verborgenheit seines geschlechtlichen Lebens ließ es als ein besonders reines Thier erscheinen, als ein Liebling der Götter, als ein Symbol der unbefleckten Seele. Diese Gesichtspunkte kannte bereits das orientalische und klassische Alterthum und kein Wunder war es, daß seine Naturkundigen in Bewunderung vorliegender Eigenschaften dem Thierchcn auch noch andere andichteten, welche als aus einer oft menschlichen Verstand übersteigenden Weisheit her- vorgchend erschienen: thut ja doch unsere Bolksweisheit das selbe, ist ja doch auch ihr die Biene noch ein höheres We sen, scheut ja doch auch sie sich noch dieselbe mit den anderen thierischen Wesen auf eine Stufe zu stellen. Den Griechen galt Demeter als die Geberin des Ho nigs — als ein Blüthenerzeugniß konnte diese Gabe ihr mit dem meisten Rechte zugcschrieben werden — und ihr geweiht und mit ihr mehrfach in Verbindung gesetzt erscheint daher auch die Biene; Bienen (Melissai) war der Name ihrer Priesterinnen sowohl als der in ihre Mysterien einge weihten Frauen. Der gleiche Name kam aber auch noch den Priesterinnen einiger anderer Gottheiten zu; „Biene von Delphos" nennt Pindar die pythische Priesterin, und an diesem dem Apoll heiligen Orte befand sich auch das Tcmpclchen, welches die Bienen kunstvoll aus Wachs und Federn zubercitet, und welches auf sein Geheiß die Hy- perboräer als Geschenk dorthin gestiftet hatten ^). Dem Apoll als Bienengott wurde am 24. Juli ein Opfer dargcbracht, während in Böotien dem Priapos „da wo Bienenstöcke sind" Verehrung erwiesen wurde; ferner tritt noch im Alterthum Pan als Beschützer der Bienen auf; auch eine Mellonia weiß Augustin als römische Honiggöttin zu nennen 2). Außer der Demeter erscheint die Biene noch der ephesi- schen Artemis häufig auf Münzen bcigescllt — Bienen hatten den Ioniern den Seeweg von Attikas Küste nach Kleinasien gewiesen —, wie sie gleichfalls auf Münzen von Neapel neben dem Dianakopf auftritt 3). In der indischen Götterlehre wird Wischnu bisweilen als Biene auf einem Lotosblatt dargestellt und seiner Er scheinung als Krischna (der Schwarze) ist die durch eine dunkelblaue, fast schwarze Farbe ausgezeichnete große Biene geweiht, welche daher auch auf Abbildungen über seinem Haupte flattert oder auf seiner Stirn sitzt. Ferner eignet die Biene dem Kama, dem indischen Liebesgotte, welcher stets vom Kuknk, der Hummel und sanften Lüftchen be gleitet wird, und dessen Bogensehne aus Bienen verfer tigt ist, dessen fünf blumenumwundene Pfeile, welche je einen Sinn der Götter oder Menschen verwunden, an ihrer Spitze einen Bienenstachel (oder aber auch je eine Blume von erhitzender Eigenschaft) tragen^). Biene (Bhramari) ist auch ein Beiname der Kali, der Gemahlin des Schiwa, welchen sie der Legende nach erhielt, weil sie den Dämonen Arunas besiegte, indem sie eine aus Bienen zusammengesetzte Gestalt annahm nnd ihn so zu Tode marterte"). Wie überhaupt die leichten geflügelten Wesen vom Volks glauben als Repräsentanten der Seelen betrachtet werden, diese selbst als Vogel, Schmetterling, Fliege -c. in Märchen und Sage auftreten, so erscheint auch die Biene als Seele in der Anschauung der verschiedenen Bölter. Als solche hatte sich die Seele, wie eine Unterengadiner Sage erzählt, aus einem alten Weibe entfernt, welche man daher leblos am Wege fand und welche erst zur Besinnung zurückkehrte, nachdem die hernm summende Biene wieder den Weg in ihren Mund gefunden hattet; als solche oder als Bremse, Hummel, Wespe entsenden auch in deutschen Sa gen die Hexen ihre Seelen, während ihr Körper regungslos zurückbleibt?); als Hummel liebt der Teufel in der Rolle eines spirikus kamiliaris seine Schützlinge zu begleitens. In einem altgriechischen Märchen dient eine Biene als Bo tin zwischen einer Hamadryade und ihrem Geliebten; einmal von ihm, da sie ihn gerade beim Spiele stört, hart angesah- rcn, ist sie die Ursache, daß die erzürnte Nymphe ihn mit Blindheit straft; auch hier ist wohl, wie mit Recht vermuthet wird, die Biene ursprünglich die Seele der Nymphe gewesen, welche in dieser Gestalt den Geliebten besuchte s). Daß auch der indischen Auffassung die Biene als Seele nicht fremd ist, zeigt uns der in diesem Jahrhundert in Kaschmir vorgekommcne Fall, daß nach dem Tode des Tyrannen Gholap Singh derselbe sich in eine Biene ver wandelt haben soll, und daher diese als geheiligte Thiere betrachtet wurden "); ferner auch der Zug der Heldensage, daß das Leben des Mairavana, des Feindes des Rama, als Bienen in einer Höhle sich befand, und ihm nicht eher das Leben genommen werden konnte, als bis diese von Hanu- man, dem Freunde des Rama, getödtet waren "). Ihre schärfste Ausbildung erhielt aber diese Idee in der Seelen lehre der Ncuplatoniker, welchen die Biene, die obgleich ausfliegend doch der Heimath nicht vergißt, als ein bedeut sames Symbol der sich im Leben rein erhaltenden, auf ihre Rückkehr in höhere Sphären denkenden Seele galt"); in der Gestalt von Bienen kehrten gleichfalls die Seelen der Todtcn vom Monde, welcher selbst Biene genannt wird, auf die Erde herab, um neue Körper aufzunehmen "). Auch bereits den alten Pythagoräern sollen nach Porphyrius die Bienen für die Seelen ans der Zeit der ersten Unschuld oder für selige Geister gegolten haben "). In der griechischen Symbolik erscheint die Biene ferner noch, da sie die Heimath verläßt und sich in einem neuen Staate ansiedelt, häufig als das Symbol einer Kolonie; in ihrer Gestalt waren die Musen die Führer der Ionier von Attika nach der kleinasiatischcn Küste gewesen"). Auch die unterirdische Orakclstätte des Trophonios in Böotien wiesen Bienen den Suchenden, indem sie vor ihnen in die Erde flogen"). Das Geheimnißvolle der Bienenzeugung, das Verborgene des Zeugungsaktes selbst ließ früh schon die Meinung auf kommen, daß ihre Erzeugung nicht auf geschlechtlichem Wege geschehe. „Jr kamen unkäuscht mit der andern noch habent zuo cnander unkäuschen glust und habent kaineu smcrzen in irr gcpurt" erzählt uns in Anlehnung an seine antiken Vor bilder der Verfasser der ersten deutschen Naturgeschichte"), und den gleichen Glauben finden wir in China wieder, wo von den Erdbienen behauptet wird, daß sie keine Weiber hätten, sondern die Jungen der Würmer des Maulbeer baumes nähmen und aufzögen"). Diesem Glauben einer spontanen Erzeugung in Verbindung mit mythischen Vorstel lungen verdankt die griechische Anschauung von der Geburt der Bieueu aus dem Stierlcibe ihreu Ursprung, für welche die ältesten Zeugen griechische Dichter aus dem Zeitalter der Ptolemäer sind") und welche später häufig bei Dichtern und Naturkundigen bis in den Beginn der neuern Zeit, wo noch Melanchthon sie für wahr und für einen Beweis der Vorsehung, sowie sür ein herrliches Bild der christlichen Kirche gehalten hat, wiederkehrt 2«). Virgil beschreibt in seinem Gedichte vom Landbau, wie man in Aegypten um