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202 Isabella L. Bird's Reise durch Japan. Rcisesonnenschirm thronend und die Jlolo mit mehreren hundert Bewaffneten um ihn versammelt, dem ich beiwohnte, photographirt, aber damals jagten Sturm und Regen das ganze lebhafte Schauspiel auseinander, ehe ich meine Apparate in Thätigkeit setzen konnte. Wie in so vielen Dingen, muß ich auch hierin Entsagung üben. Jetzt allerdings, da es zu spät ist, möchte Muata Jamvo ein eigenes Tetama für mich zum Photographiren berufen. Ich habe fast von allen Platten Abzüge genommen, von den meisten drei. Davon schicke ich je einen mit, zwei be halte ich bei mir, in verschiedenen Koffern verpackt. Auch von den Platten habe ich die gleichartigen getrennt in zwei verschiedene Kisten verpackt, welche zwei verschiedenen Trä gern anvertraut werden sollen, denn zwischen hier und Malange sind gar viele Flüsse. Ich überziehe die Platten kasten mit in Kautschuksaft, den ich mir in Flaschen kom men lasse, getränktem Zeug. Ich glaube, daß sich dieses Verfahren bewähren wird. Auch mein Boot habe ich mit natürlichem Kautschuksaft geflickt. Letzte Nachrichten. Linkes Ufer des Kahunguisch, ungefähr 8" 44' Sud. 22. Juni 1880. Ich bin nun glücklich den Klauen Muata Jamvo's ent ronnen und am Kahunguisch. Muata Jamvo ließ ich schließlich sagen, wenn er jetzt noch mehr von mir wolle, müsse er mir schon mit Krieg kommen, dann würde ich aber auch schießen, übermorgen würde ich auf jeden Fall marschiren, und wenn er mich noch verabschieden wolle, müsse er das morgen thun. Und siehe da, er kam richtig zu der von mir bestimmten Zeit, verabschiedete mich, und die Lukokessa, welche ich gänzlich ignorirte, schickte mir.noch einen großen Zahn nach. So ist es immer mit diesen Negern, denen gegenüber man nur mit einem guten Theil Selbstbewußtsein gut durchkommt. Ueber den Lulua und hier beim Muicsch über den Ka hunguisch wurde ich mit einer geradezu wunderbaren Schnel ligkeit expedirt, obwohl meine Karawane mindestens 160 Köpfe zählt. Ich habe nämlich außer meinen 60 „Ge treuen" noch 40 nach Malange zurückkehrende Träger und einige Ambakisten mit etwa 50 Sklaven, lauter Weibern und Kindern, bei mir. Diese elenden Wesen würden nur den Lunda in die Hände fallen, wenn ich sie in Freiheit setzte, und ihre Leiden würden von vorn beginnen. Das Fliehen steht ihnen frei, da ich keine Kette dulde, und die Ambakisten würden verhungern, wenn sie nicht von der Ration meiner Leute, ihrer Freunde, mitessen könnten. Vom Kassai ab muß dieses abscheuliche Anhängsel verschwinden, denn dort gedenke ich nach Norden abzuschwenken. Den Weg am Kahunguisch nach Norden kann ich nicht finden, der scheint ganz unter Sumpfschilf verborgen zu sein, und es macht mir schon Mühe genug, meine Karawane den geraden Weg zum Nguv zu steuern. So waren wir heute 5 Stunden auf dem Marsch und haben nur 9 km zurück gelegt, fast Zi/z Stunde verloren wir durch Halten wegen Pfadsuchens und beim Passiren von acht kleinen Sumpf becken. Das Vorwärtskommen in den Thalgebieten ist ent setzlich schmierig, und am Kassai wird es wahrscheinlich nicht anders sein. Quer über Savane und Thäler von Osten nach Westen ist das Reisen viel leichter. An Führer ist hier nicht zu denken, die Leute fürchten sich, von mir zu Sklaven gemacht zu werden und nehmen regelmäßig außer Sicht ihres Dorfes Reißaus. Muene Tschikamb, 8°35' S., 1. Juli 1880. Ich schicke soeben die Leute nach Malange von mir weg. Ich selbst gedenke morgen oder übermorgen auf diesem, also rechtsseitigem, User des Rusanseisch nach Norden zu gehen. Nach Malange gehen ab: 71^ Pfd. Elfenbein; 2 Lasten ethnographischer Sammlungen; 2 Packele mit je einem Plattenkasten und ein 9 Pfd. schwerer zu einer Trompete zugerichtetcr Elfenbein zahn, der aus Tukongo sein soll; 1 große Kiste enthaltend verschiedene Gegenstände, unter anderen das Herbar. Ich schreibe dies bei einer echt afrikanischen Morgen- kältc, zähneklappernd und steifsingerig. Muß schließen. Meine nunmehr gereinigte und gegliederte Expeditionsschaar zählt 51 Träger, 12 Gehilfen (üips^sa), 5 Weiber, 1 Soba, 3 Diener. Isabella L. Bird^s Reise durch Japan. IV. Nicht mit Unrecht sagt ein altes japanisches Sprichwort: „Wer Nikko nicht kennt, darf das Wort üoüNo (herrlich, schön) nicht gebrauchen"; denn neben aller Schönheit einer großartigen Gebirgslandschaft, neben der überreichen Fülle der herrlichsten Vegetation treten dem Besucher des so hochgerühmten Ortes auch in den Wunderbauten der Tem pel und Mausoleen gewaltige Kunstschöpfungen entgegen, die durch die Schönheit ihrer Formen und den Glanz und Reichthum ihrer Farbenzusammenstellungen jeden Beschauer zu staunender Bewunderung Hinreißen. In ihrer ganzen Anlage sowohl als auch in der Ausführung den reinsten japanischen Stil aufweisend liefern diese glänzenden Bau werke den Beweis, daß das lackirte Holz, allen hergebrach ten Anschauungen der abendländischen Kunst zum Trotze, gar wohl ein Material sein kann, dessen sich die Architektur und die Skulptur mit erfreulichstem Erfolge bedienen können. Die Tempel mit ihren zahlreichen Nebengebäuden, die kost baren Thore und Säulenhallen, die hohen Pagoden und endlich die aus gewaltigen Steinen kyklopisch aufgesetzten Gräberbauten vereinigen eine wahrhaft überwältigende Fülle von schönster Bronze-, Lack- und Holzbildhauerarbeit in sich. Wir dürfen uns hier leider auf keine Wiedergabe von Miß Bird's anziehender Schilderung dieser „Wunder Japans" einlassen, an deren Schluß sie sagt: „Alle diese Einzelheiten verschwinden mit jedem Tage, an dem ich mich weiter von Nikko entferne, mehr und mehr aus meinem Gedächtnisse, und an ihre Stelle tritt ein buntes Gesammtbild: unüber sehbare Massen von Gold und schwarzer und rother Lacki-