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ganen-Unruhen zur Zeit seines Aufenthaltes in Alaschan eine starke chinesische Kriegsmacht dort gestanden zu haben. Chinesische Ansiedler sind übrigens über das Land hin zer streut und wohnen sogar ziemlich dicht in der Nähe des Gel ben Flusses. Im Süden von Alaschan findet man sie nicht, da dort das Land entschieden wüstenhaft ist, aber Dadschin, eine hart an dieser Wüste gelegene Grenzstadt in Kansu, hat rein chinesische Bevölkerung und Garnison. Im Ordoslande ist die Zahl der Chinesen groß im Norden und überall längs dein Gelben Flusse. Die meisten fruchtbaren Strecken sind in ihrem Besitze, aber auch minder fruchtbare, welche für die Mongolen sogar als Weideplätze keinen großen Werth hatten, haben sie mit ihrem sprichwört lichen Fleiß und Geschick zu befruchten und anzubauen ver standen. Hier findet man überall ihre Kaufläden und Gast häuser. Sie herrschen hier politisch ebenso unbeschränkt, wie in Urga oder Kobdo, wenn sie auch ihre Macht wie überall klugerweise nur indirekt ausüben. Chinesen sind be reits die Fährleute, welche bei Bantu den Verkehr über den Gelben Fluß mit dem Ordoslande unterhalten. Chinesische Ansiedler wohnen dicht am Ufer des Urgun-Noor und in den nahen Thalern, soweit dieselben fruchtbar sind. Sie bauen unter anderm auch Mohn zur Opiumbereitung und haben in der hiesigen mongolischen Bevölkerung das verderbliche Opiumrauchen allgemein verbreitet. In der innern Mon golei ist, wie andere chinesische Sitten und Unsitten, auch diese noch nicht so weit verbreitet. Am Dabasan- und am Kusuptscha-See gewinnen sie Salz, welches neben den Er zeugnissen der Viehzucht den einzigen bcmerkenswerthen Gegenstand der Ausfuhr aus dem Ordoslande bildet, und welches sie über den Fluß nach den benachbarten chinesischen Provinzen bringen. Bantu und Düntschu, jenes am Nord- und dieses am Westrande des Ordoslandes, sind volkreiche Städte mit Garnisonen, welche von Generalen befehligt werden. In Bantu fand Prschcwalski unter anderen eine Gießerei, wo eine Masse jener eisernen Schüsseln verfertigt wurden, welche für die Mongolen wie die Chinesen dieser Ge genden eines der unentbehrlichsten Küchengeschirre darstellen. Das Ordosland wird von den Chinesen in drei Fürsten- thümer Tung-Kung, Tschung-Kung nnd Si-Kung (Ost-, Mittel- und West-Reich) getheilt und jedes dieser Ländchen wird unter chinesischer Oberherrschaft von eingeborenen Für sten regiert. Diese vereinigen sich jährlich mit den ähnlich abhängigen Fürsten der nördlicheren Grenzländer von Mao- Min-Ngan und Targan-Pci-Li zur Berathung gemeinsamer Angelegenheiten und haben sich alle drei Jahre nach Peking zu begeben, um dem Kaiser zu huldigen. Diese Fürsten thun wenig oder nichts, um ihre mongolischen Unterthanen und Landsleute vor den Ucbergrifsen der massenhaft aus Scheust herüberdringenden Chinesen zu schützen, welche un ter allerlei Vorwänden das fruchtbarste Land in Besitz neh men. Im Gegenthcil, sie nehmen nicht selten eine Steuer an Getreide oder Geld von den Chinesen, welche dadurch das Recht erwerben, den nomadischen Mongolen zu deposse- diren. Wie überall sind auch hier die Nomaden im Kampf, aber in einem zuletzt immer wieder nachtheiligen Kampf ge gen die langsam vordringenden, aber um so zäher an der Scholle festhaltenden chinesischen Ackerbauer. Dieses Rin gen zweier Kulturen, die von Völkern getragen werden, welche sich hassen, bricht oft genug in Hellen Flammen aus. So berührte Abbs David (LuU. 800. llsoZr. Paris 1875. I, 163) auf seiner Reise im Ordoslande ein wüstes, von beiden verlassenes Gebiet, wo in einem Kampfe zwischen den den Boden innehabenden und den zu seiner Bebauung hcr- beigekommenen Chinesen 40 Menschen gefallen waren. Dieser Streit schwebte damals vor dem kaiserlichen Gericht Globus XXXIX. Nr. II. zu Kuku-Choto, wo in solchen Fragen fast immer die Chi nesen durch ihr Geld und ihre List die Partie gewinnen. Man begreift, daß unter solchen Umständen den Mongolen das Nomadisiren schwer genug gemacht wird, uud nicht selten lassen sie ihre Viehherden fahren, um gleich ihren Feinden dem Ackerbau sich hinzugeben. Aber es ist doch nur eine kleine Zahl, die das thut. Dieselben nehmen dann mit der neuen Beschäftigung auch neue Sitten, natürlich die chinesischen, an, wie sie sich denn auch mit wenig Abweichungen chinesisch tragen. Von diesen Streitigkeiten giebt Abbo David eine charak teristische Schilderung (a. a. O. S. 167) aus dem Fürsten thum Mao-Min-Ngan, dessen Herrscher damals den chine sischen Einwanderern gegen eine bestimmte Steuer sein Land vollständig übergeben hatte. Diese waren bereits im Begriff, fick) steinerne Häuser zu bauen, für welche sie sich eine der besten Lagen des Landes ausgewählt hatten. Vergebens protestirten die Mongolen, welche den Boden bis dahin besessen hatten; die Chinesen beriefen sich auf ihre vom Fürsten erworbenen Rechte. Um aber den Mongolen zu zeigen, daß sie cs ernst meinten, schossen sie von Zeit zu Zeit ihre Gewehre in die Luft ab. In allen diesen Fällen behalten die Chinesen am letzten Ende Recht. „Ver gebens," sagt David, „kämpfen die trügen Nomaden Mittel asiens gegen die überquellende Bevölkerung Chinas an. Dieses Land entvölkert sich von Tag zu Tag durch das Elend und durch die große Menge der ehelosen Lamas. Die Chi nesen sind berufen es wieder zu bevölkern, indem sie die Reste der mongolischen Bevölkerung in sich aufnchmen." Kulturell viel selbständiger sind die Nord Mongolen noch bis heute. Zwar wird auch die Nordmongolei von Urga durch einen aus Peking gesandten Statthalter (Mand- schu) regiert, welchem xro korma. einer ans der Reihe der Hochadeligen des Landes zur Seite gesetzt wird; und ebenso sind die mongolischen Khane, welche mit den Rechten regie render Fürsten ihre Aimakate verwalten, chinesischen Beam ten untergeordnet, welche ihnen zur Seite stehen. Auch ist ohne Zweifel die Pekinger Regierung mit Eifer darauf bedacht, sich durch den thatsächlichcn Besitz Urgas, dieser heiligsten der mongolischen Städte, denselben Einfluß auf die innerasiatischen Nomaden zn wahren, welchen sie durch eine ähnliche „moralische" Oberherrschaft in Lhassa auf die Tibeter ausübt. Ohne Zweifel beeinflußt sie die Wahl des Kutuchta, dieses mongolischen Dalai Lama, in hervorragen dem Maße und soll sich, nach Gerüchten, welche Prschcwalski erwähnt (Reise in der Mongolei 1877, S. 10), unter Umständen sogar des Giftes bedienen, um allzu begabte Kutuchtas, die ihr gefährlich werden könnten, aus dem Wege zu räumen. Aber in der Bevölkerung dieser Gegenden ist noch wenig chinesischer Einfluß zu verspüren. Sie kleidet sich zwar in chinesische Stoffe (auch die gewöhn liche Kleidung besteht in der Regel aus dem blauen chine sischen Baumwollenzeug) und trinkt chinesischen Ziegelthee, welcher auch ihre Münze bildet, aber sie bewahrt die rohe ehrliche Einfachheit des Hirten. Die Chinesen, von denen nur Beamte und Kaufleute vertreten sind, bewohnen in oder vielmehr bei Urga eine eigene Stadt, welche den Na men Maimatschin, d. h. Handelsstadt, führt. Sie liegt vier Kilometer östlich vom eigentlichen Urga. Da die Chinesen gesetzlich keine Familien bei sich haben, überhaupt sich nicht fest ansicdeln dürfen, leben sie mit Mongolinnen zusammen. Ein großer Theil der Thätigkeit der chinesischen Kauf leute von Urga besteht in der Vermittelung des chinesisch russischen Landhandels, welcher allerdings die Mongolen allein nicht gewachsen sein würden. Beiläufig sei hier ein- 22