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Mit besonäerer Serücksicktigung äer Antkrogologie unä Gtlrnologre. Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von vr. Richard Kiepert. Braunschweig Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. 1881. Reisen im nördlichen Pandsch ab. Nach dem Französischen des M. de Börard. (Sämmtliche Abbildungen nach Zeichnungen de Bsrard's.) I. Im April 1878 befand sich der französiche Maler de Bsrard auf dem Wege nach Kaschmir, wohin ihm zu die ser Jahreszeit nur die Straße Uber Mari (Murry) offen stand, da die zwei oder drei anderen erst später vom Schnee frei werden. Er war mit der Eisenbahn von Bombay über Allahabad, Agra, Delhi und Lahore bis Dschelam (494 m) gefahren, wo der Komfort und das Behagen ein Ende nimmt und ernstliche Schwierigkeiten beginnen- zu deren Ueberwindung guter Wille, Thatkraft und Geduld gehören. Dschelam ist eine kleine Stadt am gleichnamigen Strome, dem Hydaspcs der Griechen, an der Straße, welche von Norden her nach Indien hineinführt, und welche so viele Eroberer schon gezogen sind. Dicht dabei, nur wenig süd licher, ging Alexander der Große über den Strom und schlug des Poros' Heer (gegenüber dem heutigen DschalLlpur, wie A. Cunningham und Droysen annehmen). Es ist diejenige Stelle, wo der Dschelam-Fluß die letzten bis 697 m an steigenden Berge passirt und in die Ebene des Pandschab tritt; dieselbe liegt noch zwischen 5 und 6 deutschen Meilen südlich von dem Orte Dschelam, weshalb es kaum möglich sein dürfte, wie Bsrard glaubt, von der langen Brücke bei Dschelam das Schlachtfeld zu erblicken. Immerhin ist die selbe in ihrer Länge von 2 Meilen etwas Merkwürdiges, und der Fluß, dessen Ufer sie verbindet, ein klassischer Strom; er kommt von Norden, wo man eine bläuliche Kette hoher Berge mit weißen Gipfeln erblickt, den Himalaja, und ver liert sich nach Süden in den weiten Ebenen des Pandschab. Globus XXXIX. Nr. 1. Zahlreiche Sand- und Kiesbänkc tauchen aus seinen Flu- then auf; riesige Baumstämme aus dem Gebirge bedecken die Ränder derselben; dazwischen liegen größere Inseln, manche davon bewaldet. Große Boote von sonderbarer Form, mit hohem Hintertheile, wie die chinesischen Dschonken, liegen am Ufer, das die terrassirten Häuser von Dschelam einnehmen. Dichtes Grün hüllt sie ein, und hier und da ragen Moscheenspitzen über sie hervor. Ansehnlich ist der Verkehr und die Menschenmenge auf dem Bazar; es ist das eine lange Straße von lauter Läden, welche alle nach einem und demfelben Muster gebaut und durch je eine Scheidewand geschieden sind, welche vorn in einem Doppelpfosten endet. Da findet man Getreide, Lebens mittel, Stoffe, meist wollene, da der Winter hier fchon ziemlich kalt ist, und Lederwaaren, darunter eine Art leichter und bequemer Reisesäcke. Die Läden liegen alle einige Stufen über dem Erdboden; die Häuser haben insgesammt flache Dächer und manche einen obern Stock. Gravitätisch schreiten Reihen von Kameelen durch die Menge, es theilen sie Reiter mit energischem Gesichte, deren Bart in der Mitte gescheitelt ist, eine Sitte, die häufiger wird, je näher man Af ghanistan kommt. In volkreichen Straßen ist es schwierig zu zeichnen, wie M. de Bsrard bald fand; die Leute waren zwar nicht böswillig, aber so zudringlich, daß er weder sehen noch sich rühren konnte. Zudem mußte er alle Augenblicke Auskunft ertheilen über seine Zwecke und Absichten, beson ders wenn er einen Charakterkopf oder ein niedliches Gesicht 1