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Aus allen Erdtheilen. 124 von Schweiß triefenden „Kurumaja" gewöhnt hat, so benutzt er dieses meist einzige Beförderungsmittel nur zu gern. Die Kurunm hat eine Gabeldeichsel, deren beide Stangen vorn durch ein Querholz verbunden sind; der sesselförmige Kasten, der oft aus Messing, häufiger noch aus lackirtem Holz be steht, ist, je nach Geschmack und Vermögen des Eigenthümers, mit Malerei, eingelegter Arbeit, sehr oft auch mit großen Muscheln verziert. Gegen Regen und Sonne ist er mit einem aufzuklappcnden Schutzdache von geöltem Papier ver sehen; für die Dunkelheit mit einer Papierlaterne. Wenn schon die zahllosen oft von zwei und drei Leuten gezogenen Kurumas, denen man auf allen Straßen und Wegen des südlichem Japans begegnet, einem den Gedanken nahe legen, daß die Arbeitskraft hierzulande einen noch sehr geringen Werth haben muß, so spricht für diese Ansicht noch mehr die Beförderung aller möglichen Lasten auf kleinen, zwei rädrigen schwergebauten Karren, die ebenfalls von Menschen gezogen werden. Meilenweit werden Baumaterialien u. s. w. auf diese Weise befördert; zwei Männer ziehen den schwer- beladcnen Karren, zwei andere schieben ihn von hinten, in dem sie mit den Schultern, und wenn es bergauf geht, mit den glattrasirten Köpfen gegen zwei vortretende Stangen drücken. Ganz unglaubliche Lasten schaffen sie auf diese Weise fort, und, als ob die Anstrengung, die aus jedem Athemzug ein Stöhnen oder Aechzen macht, noch nicht ge nug wäre, begleiten sie dieselbe unaufhörlich mit einem mono tonen, melancholisch klingenden Gesänge. Von fremdem Gelde gilt in Japan nur der mexicanische Dollar; da das Land seit der neuen Aera aber im Besitze von vielem satsu oder Papiergeld ist, thut man am besten, zu einer weitern Reise sich mit einem ausreichenden Vorrath desselben zu versehen. Bei diesem unerläßlichen Geschäfte macht der Fremde dann gleich die Bekanntschaft der von allem Handelsverkehr zwischen In- und Ausländern hier untrennbaren Erscheinung der „Compradores", der Fakto tums, Vermittler, oft auch Tyrannen jeder großen Firma. Schon bei dem ersten Gange durch die Straßen von Joko- Hama fallen dem Neuankommenden die zahlreichen Chinesen auf, die sich durch ihre stattliche Gestalt, ihre reiche Kleidung, vor allem durch das selbstbewußte, oft impertinente Auftre ten von den kleinen, spärlich gekleideten Japanesen wesentlich unterscheiden. Von den 2500 in Japan ansässigen Chine sen leben 1100 allein in Jokohama, und wenn sie plötzlich einmal von hier sich entfernen wollten, würde eine vollstän dige Geschäftsstockung eintrcten. Denn der chinesische Ein wanderer weiß sich hier, wie überall, unentbehrlich zu machen. Die japanesischen Prodncenten, ja selbst die Mäkler verkeh ren nur in den seltensten Fällen mit dem Inhaber der fremden Firma selber; alles geht durch die Vermittelung des Compradore, der seinen Herren nie eigentlich bestiehlt, son dern nur, was jener auch wohl weiß, aus jedem Geschäfte sich soviel zu „klemmen" pflegt, wie er als zukömmlich be trachtet. Genießt er trotzdem das volle Vertrauen der frem den Kaufleute, so ist der Compradore dagegen den japane- sischcn Händlern und Prodncenten aufs Aeußerste verhaßt; ihnen gegenüber tritt er meist in anderer Weise ans, von allem weiß er seine Procente zu erpressen, und die Kaufleute haben kein Mittel in Händen ihm hier Schranken zu setzen. Diejenigen Chinesen von Jokohama, die nicht als Compra- dores ihren einen großen Lebenszweck des Gelderwerbes ver folgen, betreiben meist selbständige Wechsler-, Mäkler- oder auch Trödlcrgeschüfte; in jedem Falle aber erreichen sie die sen Zweck und sind sich dessen anch wohl bewußt. Sie haben hier ihre gegenseitigen Unterstützungsanstalten, ihre Gilden, ihre Tempel; und trifft einen von ihnen das Schicksal, aus dem Leben abberufen zu werden, ehe er das Erworbene in der Hcimath verzehren konnte, so hat er doch wenigstens Vorkehrungen getroffen, daß seine Gebeine nach China zu rückgebracht werden. Ohne Frage sind die Chinesen der fleißigste, rührigste und das meiste erreichende Theil der Bevölkerung Japans — zum allgemeinen Fortschritte, zur Förderung des Nationalwohlstandes aber tragen sic nichts bei. Nach kurzem Aufenthalte in Jokohama begab sich Miß Bird nach Tokio, wo sie in dem Hause des englischen Ge sandten, Sir Harry Parker's, einige Wochen verweilte, um die Vorkehrungen für ihre Reise nach dem Norden zu treffen. Tokio (Jedo), seit dem Beginne des neuen Regimes die Hauptstadt Japans und Residenz des Kaisers, ist mit Joko hama durch eine Eisenbahn verbunden, auf der man die ge ringe Entfernung in einer Stunde etwa zurücklegt. Von Engländern gebaut — wie es heißt mit einem nur der Re gierung bekannten, unverhältnißmäßigen Kostenaufwande — wird die Bahn viel benutzt und bringt jetzt jährlich ungefähr 8 Millionen Mark ein. Die Landschaft, durch welche der Zug fährt, ist ungemein anmuthig; bald hinter Jokohama passirt man hügeliges, bewaldetes Terrain, in dessen kleinen malerischen Thälern sich der ganze Reichthum der japanischen Flora zeigt. Weiter nach Norden kommt man in die große fruchtbare Ebene von Jedo, die von unzähligen Dörfern und Städten bevölkert, und deren jeder Fußbreit wohl augcbant ist. Die alte Erzählung von dem wie ein großer Garten bestellten japanischen Reiche paßt, wenn auch nicht für das ganze Land, so doch jedenfalls für diese Ebene, die von zahl reichen Flüssen durchströmt, an der westlichen und nördlichen Seite von einem Kranze bewaldeter Gebirge eingefaßt ist, und sich nach Süden bis an den blauen Golf von Jedo erstreckt. Aus allen Europa. — Nur einen fast verschwindend kleinen Theil Deutsch lands behandelt Hauptlehrcr Bccker's „Cuxhaven und das Amt Ritzebüttcl" (Hamburg, O. Meißner 1880; 3,60 Mark), aber einen, der, weit vorgeschoben in die Nord see, stetig um seine Existenz und seinen Wohlstand zu rin gen hat und gerade dadurch unser Interesse erweckt. Die Schilderung der Geest und Marsch, der Sande und Watten, Deiche und Uferwcrke, der Sturmfluthen und Deichbrüche E r d t h e i l e n. wird viele Leser mächtig anziehen, und sie werden fast stau nen, welchen Einfluß und welche Wichtigkeit das wenig genannte Cuxhaven durch sein Lootsen- und Rettungs wesen, durch seine Sturmwarnungssignale, Tonnen, Baaken, Feuerschiffe u. s. w. für die Schifffahrt und den Handel des mächtigen Hamburg gewonnen hat. Das Buch geht natürlich sehr in das Detail, bringt auch wohl in dem ge schichtlichen Theile einiges Unhaltbare, ist aber überwiegend interessant. — Die Triester Börsen-Deputation veröffentlicht soeben