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125 die ich als Pförtner benutzen durfte, zeigte die Meine Uhr, zwölfte Stunde, es war also Mitternacht. Wer oder was war draußen? Es war keine Täuschung; ich war vollkommen wach und hörte alles sehr deutlich. Das Wimmern, das Jammern und von Zeit zu Zeit ein Hin- und Herziehen an dem Glocken griff der Noviziatstür, ohne daß die Glocke auch nur den leisesten Ton von sich gegeben hätte. Das alles war so schauer lich, daß ich am ganzen Leibe zitterte und nichts andres zu tun wußte, als zu beten. Ich betete zur „Mutter Gottes“, die eine besondere Macht gegen die Teufel besitzt. Dann dachte ich mir, ob ich etwa den Pater Magister wecken sollte. Endlich faßte ich einen heroischen Entschluß. Im Vertrauen auf den Namen Gottes und Mariä wollte ich dem Gespenst allein ent gegen gehen. Ich legte meine Kleider an, nahm den Rosen kranz in die Hand, besprengte mich mit Weihwasser, ergriff das Licht und trat beherzt hinaus, um die Noviziatstür aufzu machen. Als ich bei der Türe stand und den Schlüssel zum öffnen bereit hielt, schlug die Klosteruhr kreischend ein Viertel nach Mitternacht. Ich muß sagen, mir war entsetzlich zu Mute. Das stand bei mir fest, draußen stand der Teufel, der wartete, bis ich die Türe aufmache. Ich wußte viele ähnliche Beispiele aus der Lebensgeschichte der Heiligen; ich wußte, daß ich, wenn ich die Türe aufmache, scheußliche, höllische Gestalten erblicke, die ein Gelächter loslassen würden. Und was dann mit mir geschähe? Nun, Gott befohlen; ich bekreuzigte mich nochmals, rief halblaut den Namen Gottes und Mariä an, schwang den Rosenkranz wie ein Schwert und — machte auf. Vor mir stand ein hochgewachsener Mönch in weißen Kleidern, die Kapuze tief über den Kopf gezogen. Er drängte sich herein, ohne ein Wort zu sprechen oder mich auch nur anzuschauen, nahm die Kapuze ab, kniete vor dem Marienbilde nieder, verrichtete ein kurzes Gebet und entfernte sich. Wer war es? Es war unser guter Frater Alexius. Des andern Tages erfuhr ich den Zusammenhang. Dieser Bruder sprach wenig deutsch, dagegen meist ungarisch, und weil sich damals zufälliger Weise ein ungarischer Mönch im Kloster befand, wurde es dem Bruder erlaubt, zu diesem zur Beichte zu gehen. Dort wurde er so lange zurückgehalten; als