Enthält: zahlreiche Anstreichungen und Anmerkungen Karl Mays im Text und auf dem fliegendem Nachsatz, auf Titelseite neben Verfasser handschriftlich von May mit Tinte: "(Hessen)"
110 Als Philosoph, von dem man allgemein giltigc Lebens-Grund sätze erwarten darf, ist er nicht zu brauchen. Ja, selbst seine Technik erscheint nur zu oft als die eines Mannes, der sich von den Räthseln des Lebens überwältigen ließ und nicht um hin kann, feine innere Verwirrung auf seine Werke, von diesen auf Hörer rind' Leser zu übertragen, — reMfim Gegensatz zu Shakespere, der ebenfalls groß ist im Aufwerfen von Pro blemen, die er schließlich unbeantwortet läßt, doch stets uns eine solche Ehrfurcht vor dem Unbegreiflichen einzuflößen weiß, daß Jedermann fühlt: nur „ein Narr wartet auf Ant wort". Dabei enden in Bezug auf Handlung und Schicksal der auftretenden Personen Shakesperes Stücke alle mit einem wirklichen Schluß, und es bleibt kein Rückstand von Fragen: was wird nun? Umgekehrt zerrt Ibsen ohnmächtig an dem Schleier, der das Unbegreifliche verhüllt, giebt uns aber nicht einmal die Gewißheit, die er uns sehr wohl zu geben ver möchte: über die Zukunft seiner Figuren. Einem Jäger ist er verglichen worden, „der das Wild mit ungeschickter Hand an schießt und es dann mit gräßlicher Wunde in undurchdringliches Dickicht entkommen läßt." Freilich, noch fürchterlicher an Geschmacklosigkeit findet auch Litzmann jenen, unserm Stück zur Wonne aller weichlichen Seelen seiner Zeit in Berlin angeklebten, sentimentalen Schluß, der indessen fast nirgend mehr auftaucht, obwohl der letzte Auf tritt so, wie er jetzt ist, regelmäßig die Hälfte seiner Zuhörer gründlich abkühlt. Ich glaube weiter oben bewiesen zu haben, daß sich aus diesem Stoff in der That noch ein ganz andrer dramatischer Inhalt hätte herauswirken lassen als ein Kinder geschrei, durch das sich Nora zu einem schwächlichen und un sachlichen Kompromiß bestimmen läßt.