Enthält: zahlreiche Anstreichungen und Anmerkungen Karl Mays im Text und auf dem fliegendem Nachsatz, auf Titelseite neben Verfasser handschriftlich von May mit Tinte: "(Hessen)"
über die Rathlosigkeit seines Publikums und seiner Erklärer lustig, so hatte er freilich in diesem Fall zur Geheimniß- thuerei den sehr triftigen, nur leider nicht ganz freiwilligen und technisch geradeswegs beschämenden Grund: daß nämlich mit einer wirklichen Erbschaft die sofortige materielle Sorgen freiheit Noras verbunden sein würde. Wo soll sic denn nun die Erfahrung sammeln, auf die sie sosehr erpicht ist, während sie doch ihren Lebensunterhalt nicht mehr zu „verdienen" braucht und dem Kampf um's Dasein enthoben wird, der allein die Prüfungen zeitigen kann, zu deren Behuf sie ihren Gatten verläßt? -r- * * Obige Zeilen waren geschrieben, als ich in der „Deutschen Dramaturgie", dem Organ der Deutschen Bühnengesellschaft, auf das sehr verdienstvolle Buch von Berthold Litzmann*) hingewiesen wurde. Litzmann nimmt den Charakter Noras insofern ernster als ich, als er in ihr „eine jener Doppel naturen" sieht, „deren eigentlicher Wesenskern erst zum Durch bruch und damit zur Herrschaft kommt, wenn der Gesammt- organismus eine Erschütterung auf Leben und Tod erfährt." Ihm ist sie „in allen Wandlungen verständlich und lebendig", während ich dabei bleiben muß, ihr Wesen einfach, aber vom Dichter gegen den Schluß hin verzeichnet und entstellt zu finden. Ueber dergleichen läßt sich nicht streiten; das ist zu sehr Temperament —, Erziehung —, Erfahrung —, kurz Geschmacksache. Litzmann hat offenbar eine Vorliebe für die Nora des letzten Auftritts, eine Vorliebe, die ich nicht recht theilen kann. Um so freudiger muß ich ihm in fast allen andern Punkten beistimmen. Ibsen ist in der That nur aus der Stickluft seiner norwegischen Spießbürgerstädtc zu begreifen. *) „Das deutsche Drama in den literarischen Bewegungen der Gegenwart", von Prof. Berthold Litzmann. 2. Aufl. 216 S.