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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerättonS- Preis 22j Sgr. iss Tblr.) vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in alten Theile» ter Preußischen Monarchie. Magazin ' für die Man pränumerirt «uf diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staat«- Zeittmg In Berlin in ter Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Promnz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Poft - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 64. Berlin, Mittwoch den 29. Mai 1833. kilKL-M Frankreich. Die Französischen Coterieen. Ein Capriccio, von Biennet. Die Spitzbuben und die Diebe treten in Banden zusammen, um sich gegenseitig Beistand zu leisten, um aus Kosten der ehrlichen Leute zu leben, um sich zu ihrem Vorcheil von dem ewigen Gesetz de« Mein und Dein zu befreien, welches Cicero gegen das agra. rische Gesetz verlheidigle, und dessen Umsturz die Saint-Simonistcu herbeisührcn wollen. Die politischen und literarischen Mittelmäßig keiten rcrcinlgen sich in Coterieen, um sich auf Kosten des wahren Verdienstes Bahn zu machen. Die Einen suchen Geld ohne Ehre, die Anderen.Ebre und Geld; denn in diesem positiven und berech nenden Jahrhundert schätzt man die Ehre nur für das, was sic an klingender Münze cinbringt. Gewissen und Wahrheit sind zwei klassi sche Worte, welche man aus dem Worten uch der Colerieen verbannt bat. Diejenigen anschwärzcn, welche nicht zu ihnen gehören, den Werth her Ihrigen überschätzen, dle Adepten gegen die Kritik be schützen, alle Mittel, erlaubte und unerlaubte, ampenden, um sich einen Sius, Würden oder Sicichlhümer zu erwerben, sich über die menschliche Gerechtigkeit und über die öffentliche Meinung lustig machen, ihr verabredete Lügen auszwingen, die Geschichte der Zeit genossen nach Gutdünken verfälschen, große Männer im Schoße der Verbrüderung fabriziren, und außer dsm Kreise derselben keine anerkennen — das ist der Zweck und der Grundsatz aller Coterieen, und sic erreichen fast immer ihr Ziel; denn die arme Welt, in wel cher zu leben oder zu vegctiren wir verurtheilt sind, hat weder Zeit noch Lust, sich selbst -in Urchcil zu bilde»; sie glaubt lieber,, alt daß sie prüft; sie macht sich nichts daraus, getäuscht zu werden, wenn man ihr nur die Arbeit der Untersuchung, d-S Vergleichens und der Entscheidung erspart. Diese Thäligkcit des Geistes "liegt außer ihrem Bereiche. Die Gewerbstcißigen und die Handeltreibenden haben keine Muße dazu; die reichen Müßiggänger würden fürchten, ihre Ver dauung und ihren Schlaf zu stören. Und dann, was ist ihnen im Grunde daran gelegen? Was kümmert cs sie, ob Dieser oder Jener zur Akademie gehört oder nicht? Ob auf dem Theater dies Stück oder ein anderes gegeben wird? Ob der große Sckriflstcllcr des Tages Peter oder Paul heißt? Das ist die Sache ihres Journals; aus diesem schöpfen sie ihre Bewunderung oder ihre Abneigung. Die Charialanc benutzen dies, und wie auch die Civilisation vorschreilct, die Cbarlatanc machen immer Glück; sic verändern nur Form und Sprache, wie es die Zeit und die Menschen erfordern. Die Leicht gläubigkeit des zweifüßigen ThiercS, Mensch genannt, ist uncrschöpf- iich, trotz dir Philosophen, welche sich zu allererst durch ihre eige nen Systeme täuschen lassen; und wenn wir nach ein oder zwei Jahrhunderten wicderkchrcn könnten, so zweifle ich sehr, daß wir durch das Gesetz über den öffentlichen Unterricht, welches man vor bereitet, in dieser Beziehung irgend etwas verändert finden würden. Ei» Mann von Geist, der, wie die Anderen, Mitglied einer Eotcrie war und cs vielleicht noch ist, hat dieser Art von gegensei tiger Versicherung den Namen Kameradschaft (Gamar-cherie) gegeben. Das Wort hat Eingang gefunden, und obgleich die Aka demie, welche überdies für Niemanden mehr eine Autorität ist, dasselbe noch nicht in ihr Wörterbuch ausgcnommei, hat, so ist cs doch in der gewöhnlichen Sprache gebräuchlich. Umsonst macht sich das gute Publikum über diese Benennung lustig, welche auf die, die damit bezeichnet werden, einen Schein deS Lächerlichen wirst. Es kennt alle Mißbräuche der Kameradschaft, aber cS glaubt an die Verdienste der Kameraden. Es ist wahr, daß bald die Nachwelt mit ihrem eisernen Griffel darüber kömmt, lind daß dieser große Cassations-Hof früher oder später den Uriheilen der Zeilgenoffc» Gerechtigkeit wider fahren laßt. Da« Publikum und die Nachwelt sind zwei wesentlich verschiedene Dinge. Ersteres ist ein Leichtsinniger, oft von schlechtem Ton, launisch, leichtgläubig, veränderlich, vorübergehend wie-die menschlichen Generationen, seine zufälligen Feindseligkeiten und seine ihm anbefohleuc Bewunderung mit sich nehmend. Die andere ist eine Frau, ernst wie Minerva, immer jung wie diese, streng wie die Eumenide, welche Dupaly seinem großartigen Orcst bcigegcbcn bat; aber weder die Coterieen noch ihre Koryphäen kümmern sich um die Nachwelt, ihnen liegt nur an dem Publikum. Nirbt den Rubin, sondern den Rus suchen sic; und nichts reizt sie so sehr, als Ge räusch und Vortheil. Was ist ihnen au der Zukunft, an der Mei nung einer Welt gelegen, in der sie nicht mehr leben werden ? Ihr Horizont erstreckt sich nicht über das Grab hinaus. Ein Bortheik, den sie nicht auf materielle Weise genießen können, rührt sic wenig; eine Schande, welche nur ihr Gedächiniß trifft, kann sie nicht zum Errölheu bringen. Der Geist, wenn sie dergleichen haben, verbindet sich bei ihnen nicht mit dem Sensualismus; nur das positive mate rielle Leben beseelt sie. Was sollten sie deshalb auch mit dem Ge wissen machen? Es würde ihnen nur hinderlich seyn; sie schütteln dieses uueriräglichc Joch ab. Der Moralist sagt'ihnen vergebens, daß es nicht zwei Gewissen im Menschen giebt, daß das innere Gefühl, welches das Wahre vom Falschen unterscheidet, auf alle Handliingc» des Lebens angcwcndel werden muß. Die Colerieen haben andere Grundsätze. Sie erken nen zwei, drei verschiedene Gewissen an. Zuerst das, welches mit den Bestimmungen de« Civil- und Handcls-GesctzbuchS in Berührung kömmt, und deren Ucbertrelungen durch das Straf-Gesetzbuch gerächt weiden. Das Gut Anderer stehlen, ist in den Augen aller Welt, mit einigen.wenigen Ausnahmen, ein Verbrechen. Außerdem haben wir aber noch ein politisches, ein literarisches Gewissen und das Ge wissen des Jonrualisten. Hier hören die Skrupel auf. Plätze, Eh- renstcllcu, den Ruf stehlen, da« ist eine erlaubte Sache. In dieser Hinsicht nehme» es die Coterieen nicht genau; man frage nur die Herren .... Beinahe hätte ich Namen genannt, und das Ber- zcichniß würde nicht kurz gewesen seyn; aber ich will es noch lernen, vorsichtig zu scyn. Die Offenheit hat mir genug Feinde gemacht, mau wird mir erlauben, die Zahl derselben nicht zu vermehren. Die erste Sorge einer Colcrie besteht darin, sich Helten, Ober häupter, Anführer zu schaffen; die zweite darin, sic geltend zu ma chen, und dazu ist die Vermittelung des Journalismus unumgäng lich noltzwcudig. Der Journalismus ist di« Macht d«s Tages, und eine Cotcric muß durchaus ein eigenes Journal haben. Lie« ist leicht, und mit einem solchen Beistand wird Alles leicht; sic schiebt einige ihrer Adepten hinein, welche c« übernehme», die andere» zn beschützen, ihre Fehler zu bemäntel», ihre Verdienste zu übertreibe», ihre Gegner und ihre Nebenbuhler zu Grunde zu richte», kurz, die Geschäfte der Compagnie zu betreiben. Sie brauchen nur noch leicht gläubige Leser, und daran hat Frankreich Ucberfluß. Aus den ersten zwanzig Getäuschten werden bald hundert; und hat man es bis aus tausend gebracht, so ist der Sieg gesichert. Wenn di« Coleric wesentlich politisch ist, so hat-stc da« Budget und die Erlangung aller seiner Genüsse im Auge; sie bezeichnet im Voraus ihr« Minister, ihre SlaatSrälhe, ihre General-Direktoren und ihre Präfekten. Ihr Ehrgeiz ist thätigcr als der der literari schen Colenen. Sic gehl rascher aus die Eroberung der öffcntttcheu Meinung und der Nednerbühnc los. Einige Demonstrationen eine« scheinbaren Patriotismus, einige Reform-Pläne, Geschrei »ach Spar samkeit und besonders Opposition machen einen merkwürdigen Eindruck auf die Masse», welche sich immer durch schöne Worte sangen lassen. Da die öffentlichen Lasten für den Steuerpflichtigen das allcrempsind- lichste sind, so neigt er sich leicht zu dem, der sie zu erleichtern ver spricht. Aber die Auflagen gehöre» der Gegenwart an, die Erleich terungen der Zukunft, und immer der Zukunft; denn, wenn die Co- tericen zur Gewalt gelange», so finden sie sich den allgemeinen Be- dürsnisscn gegenüber, und können über die Bedürfnisse Einzelner nur seuszc». Dann winde» sie sich, so gut sie können, mit schönen Phra sen heraus. Aber um zu dieser Gewalt zu gelange», die so benei det und so beschwerlich ist, giebt es Hindernisse zu überwinden. SS ist nicht genug, daß man eine» Staatsmann in einem Salon sabrizirt, man muß ihn auch öffentlich gehörig hittzustetten wissen, und das ist nicht die Sache eines Tages. Der große Mann macht dumme Streiche, sagt Albernheiten; man verheimlicht oder man ent schuldigt sic, je nachdem sie mehr oder weniger allgemein bekannt geworden sind. Wenn cs ihm einmal begegnet, etwas VernünsligeS zu sagen, so ertönen alle Posaunen der Colerie zu seinem Ruhm- Zuerst sucht man ihm den Weg zur Rednerbühnc zn öffnen; denn nur über diese gelangt man zum Ministerium. Zu dem Ende wer den die Wahl-Kollegien erforscht, wo Mangel an Kandidaten ist. Ma» findet einen gefällige» Wähler; man diklirt ihm einen Brief, den er aus eigener Bewegung an das Journal der Cptcrie richtet. Er ist allein seiner Meinung, aber er spricht im Name» Aller. Man macht durch vier Zeilen bekannt, daß die und die Stadt, das und das Arrondissement seine Blicke aus den Herrn so und so gerichtet Hal. Die Wähler sind ganz erstaunt über dic Idee, welche man ih nen unterlegt; aber genau betrachtet, ist der Name, den man ihnen hinwirft, kein neuer Name. Ei» Journal Hal denselben zehnmal