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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerakions- Prcis 22j Sgr. lf A!r.) vicrtctjöhrlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. für die Man xränumerirt auf diese- Beiblatt der Allg.Pr. StaatS- Zcitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 31); in der Provinz s» >rie im Auslände bei de« Wohllöbl. Post - Aenctenp. Literatur des Auslandes. 68. Berlin, Freirag den 7. Zuni 1833 Polen. Geselliges Leben in Warschau. Wen einer ^polnischen Dame. Es giebt hier allerdings keinen Hof; aber eine große Anzahl von Standesprrsonen beiderlei Geschlechts bält sich beständig in Warschau aus; man findet hier eine Art von.diplomatischem Eorps, und Warschau dielet alle Elemente einer geistreichen, liebenswürdigen, unterrichteten und glanzenden Gesellschaft dar. Mehrere der dorti gen Frauen sind Schrfttsicllrrinnen, und ihre Werke, obgleich inan sic nur noch als literarische Versuche betrachten kann, ermangeln weder des Reizes noch der Originalität. Die Unterhaltung dieser Frauen ist, da sic meistens eine weit umfassendere Bildung erhalten haben, als die Frauen des Südens, geistreich, abwechselnd und voller witziger Einfälle: man muß ihnen für diese Eigenschaft Dank wissen, besonders in einer Stadt, wo die Theater wenig Stoff für die Un terhaltung liefern, wo die Teilungen spät ankommcn, und wo seilen neue Bücher erscheinen. — Es läßt sich dieses gesellschaftliche Phä nomen dadurch erklären, daß den Töchtern gebildeter Familien in ihrer Kindheit eine solid e. Erziehung gegeben wird, so daß sic zwar dell Künsten wenig Zeil widmen, aber den Mangel an Talente» durch größere Ausbildung ihres Geistes crsctzcn. Im Allgemeinen tanzt hier alle Welt mit Rnmulh, spielt Klavier und zeichnet ein wenig; aber wir haben bis setzt erst Ein auch im übrigen Europa bekannt gewordenes Talent für das Fortcpiano geliefert; man mahlt Blumen, zeichnet einige Landschaften, aber dicS hört Alles mit dcr Heiralh auf. Wenn diese-Zeit vorüber ist, so widmet mau sich nur noch dcr Untcrbaliung und dcui Tanze und füllt dic Lücke» mit Slickcrci und Lcklürc aus. Die großen Bälle in Warschau sind prachtvoll; Lokal, Beleuch tung,'Toiletten der Damen, Speisen und Erfrischungen, Alles ist vortrefflich; man spielt bei solchen großen Bcrsammiungcn weniger Karlen, als an anderen Orten, und alle Welt drängt sich in dc» Tanzsaal, uni sich in dic Zeiten zurückzuycrsctzcn, wo man bewundert wurde, wie man jetzt Andere bewundert. Der Ball beginnt. Sogleich bewegt sich die majestätische Reibe dcr Polonaise durch dcn Saal; sie setzt dic Großmama wir die En kelin in Bewegung, belebt dcn altcn Senator wie dcn jungen Fähn rich, und gestaltet es, die Anmulh des Geistes wie des Körpers zu entwickeln; denn cs ist dcr cinzige Tanz, bci dem man sich unlcrbal tcu kann. Dcr Mazurck, den ganz Europa von Polen entlehnt hat, hat cilien unbeschreiblichen Reiz: Fs ist der Fandango der Polen. Dic ersten Tone dieser Rational-Harmonie erheitern alle Gcmüihcr, gewinnen den Greisen ein Lächeln ab, locken die Äugend berbci, welche, bald eine» großen Kreis bildend, denselben Tanz mehrere Stunden lang fortsctzt. Die letzte» Fasten-Wochen bieten den vornehmen Warschauer Damen Gelegenheit dar, ihre Frömmigkeit aus eine ganz besondere Weise auszüübcn; die Wohlthätigkcüs - Gesellschaft ernennt ein Dutzend Sammlerinnen, welche unter dcn ausgezcichnctcn Personen des Adels und des Bürgcrstandcs gewählt werden. Sic thcilcn sich in die verschiedenen Viertel dcr Stadt und dringt», von zwci bis drei Herrc» bcgleitct, in die Hütten wie in die Paläste, um Almosen cin- znsvrdcrn. Diese Art sentimentaler Reise zieht ihnen zuweilen ver drießliche Bemerkungen zu: aber die Frömmigkeit und dic christliche Milde lassen sie dic üble Laune der Sicucrpflichiigcii ertrage», besonders wen» sic beim Nachhausekomme» ihre Körbe mit Goldstücke» und Bank- Billette» angesiillt sche». Ich wage cs nicht, zu gcsichcn, daß die hübscheste» Frane» immer die beste Ernte machen; da ich aber dcr Wahrheit die Ebre geben will, so muß ich einränmcn, daß dic Ga- lantcric dcr Wohlhätigkcit hicrbci schr zu Hülfe kömmt. Die Umgebungen Warschau's bieten angcnchme Punkte dar und sind durch dc» Geschmack und Rcichihnm derer, welche Laiit- Häuser in dcr Nähe der Stadt haben, außerordentlich verschönert worden. — Mit dem Osterfeste beginnt der Frühling; diese Jahres zeit ruft hier ausschlirßlich alte Gebräuche hervor 'und trägt cincn gewissen Stempel der Nationalität, der anderswo nicht bekannt ist. Alle Einwohner, von dem vornehmsten Herr» bis zu dem ärmsten Handwerker, versammeln sich in Masse bei einander, nm die Weihe zu begehen. Die vornehmen Familien empfangen an diesen Tagen in Sälen, wo lange Tafeln, zierlich geschmückt, mit kalten Speisen und geweihtem Kuchen bedeckt, das Äuge und dcn Appetit reizen. Bci diesen Frühstücken finden sich oft einige hundert Personen zu sammen. Beim Eintritt muß man ein geweihtes Ei annehmcn, wel ches Einem dcr Wirth odcc dic Wirlhin überrcicht; wen» man die ser Friedlichkeit Gcuügc gclcistct hat, so kann man »ach Gefallen esse» oder plaudern, dc» Putz bewundern oder die neuen Moden studiren; den» an diesem Tage ist Alles frisch, neu und elegant. Dicsc religiösen Feste — wen» ich mich so ausdrücke» darf— dauern drei Tage, und während derselbe» erhält die Siadt durch dcn Glanz und das' beständige Rasse!» dcr Eguipagen, durch dic Menge der Fußgänger in den Straßen und durch ihr heiteres und geschäftiges Wesen cinc schr lebendige Physiognomie, besonders wenn das schöne Welter noch dazu beiträgt, das Gemälde zu erheitern. Das Pfingst fest bietet cinc andere Art von Vergnügen dar, nämlich die Spa zierfahrten »ach dem Gehölz vo» Biclany, welches i« geringer Enl- fcrnung von dcr Stadt liegt, und wo eine Karthausc an, User der Weichsel des Morgens d:c Frommcn in ihrer Kirche aufnimmt und des Abends die Menge unter ihren Eichen versammelt. Für Biclany hebt matt die schönen Wagen und die neuen Hüte auf. Alle neue Mode» zeigen sich dort in ihrem Glanz, die Stutzer wiege» sich in ihre» neuen Karrikeln oder galoppire» aus mulhigcii Rossen neben den Wagen einher. Wie viel Souverainc sah man schon aus der Promenade nach Biclany. Der Erzherzog Ferdinand zeigte sich da selbst »ach dem Einsall dcr Lcstcrrcicher im Iahrc 1808. Dcr Köniz von Sacbscu ging dort im daraus solgcndcu Jahre mit seiner Fa- imlic zu Filß iliid crsrculc sich so auf patriarchalische Weise sciner schnell vorübergegangcnen Polnischen Negierung. Der König von Westphalen, der cs ei» Jahr darauf nicht mehr war, erschien daselbst im Iahrc 1812 aus prachtvollem Rosse. Im Jahre 1828 war dcr Kaiser Alexander anwesend, und zu dieser Zeit war Biclany wahrhaft gläuzcnd; ich babc dasclbst niemals wieder so schone Equi- pagcn, so zierlich geschmückte Damen gcsche». Dieses Warschauer Longchamps hat allerdings nicht den Glanz des Pariser: aber dic Promenade hat cincn Zweck; man bezieht sich nickt lediglich dahin, nm eine» neuen Wage» und cinc elegante Livree zu zeigen, sondern um sich unter einem heiteren Himmci, am User eines majestätische» Flusses, mit einer anziehenden Gesellschaft zusammcnzusindcn und sich an dcr Hcitcrkcit eines ganzen Volkes zu ergötzen; und da die Freude ost eben so ansteckend ist, wie der Sckmerz, so sicht man wenig Gesichter traurig von Biclany zuriick- krhrcn. (Iß. I'.) V ibäi 0 graphie. ftn sni ftol-chio i Heuchle lusiu Oalie^islcieAei. (Polnische Und Rcnßische Volkslieder in Galizien.) -Von Wazlaw von Olesko; itiit Musik von Karl Lipinski. Lemberg. Xnmecl)-e. (Lustspiele in Versen von Vincenz Thully.) Lemberg. IVnIftnstol». (Wallenstein.) Aus dem Deutsche» übersetzt von Z. N. Kaminski. Theil 1. Lemberg. IHäa ftoknelca. , (Wanda Polozka oder die Zuflucht im Haiti dcr heiligen Sophie.) Melodrama vo» Michael Suchorowski. Lemberg. England. Die Kunst des Uebersehens. Bei Gelegenheit einer kürzlich von Hayward herausge- geben cn Uebersctzung von Gocthe's „Faust" in Englischer Prosa. (Fortsetzung.) Wordsworth zieht hauptsächlich gegen das zu Felde, was alsdermin- dcr wesentliche und mechanischere Bcstandthcil dcr Poesic zu betrachten ist, nämlich gegen Diktion lind Metrum. Doch ist sein Raisonnc- mcnt weit mehr gegen die gewöhnliche Diction dcr Dichter, als gcgcw das Metrum gerichtet. Sein Jrrlhum scheint vorzüglich darin zu liegen, daß er die Poesie überall nur als Nachahmung dcr Natur betrachtet. Er will untergeordiiktcn Hnlfsmittcln nichts verdanken, Lie wir doch in der Malerei nicht verschmähen. Das Kolorit in gu ten Gemälden ist ost dcr Natur eben so unähnlich, als cs nur der Stil eitles Gedichts seyn kann, ft», aber bei seinem Einwurf stehen zu bleiben, so begreift» wir nicht, warum er gegen das Metrum nach sichtiger versöhnt Wir geben ibm gern zu, daß dieselben Worte, metrisch gestellt, hundert 'Mal mit Vergnügen wiederholt werden, welche man als Prosa keiner Wiederholung werth hielte. Allein, wenn wir nur dcr wirklichen Natur folgen sollen, wenn uns.nur die