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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeraUonS- Preis 22j Sgr. (Z Thlr.l vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staatt- Zeitung in Berlin in der Expedition lMohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch den 27. März 1833. Frankreich. Dccazes' Wirksamkeit während der Restauration. IV. Ermordung des Herzogs von Berry, und Fall des Ministeriums Decazes. *) Am 13. Februar 1823 fiel der Herzog v. Berry unter dem Dolche Louvcl's; das schöne Talent Ebalcaubriands Yak das Andenken eine« guten, loyalen und hochherzigen Prinzen gefeiert, der wie sein grör fier Ahn Heinrich IV. durch die Hand eines Meuchelmörders starb. Dieses Ereignis ist hier nur von dem politischen Gesichtspunkte aus, d. h. in seiner Beziehung ans das Ministerium, dessen Fall cs beschleunigte, und ans die royalistische Reaktion zu betrachten, die dadurch vorbereitet wurde. Das Verbrechen Louvcl's war die wahn sinnige Thai eines isolirt dastehenden Menschen, der sich in der Ein- -samkeit zu den Ansichten gewandt hatte, die zum KönigSmord sichren. Was die Leidenschaftlichkeit der Parteien damals ersann, und was bei Manchen Glauben fand, ist ungcgründct. Roch heule giebt es Leute, weiche jenes Verbrechen einer Nebenbuhlerschaft zwischen den beiden Zweigen des Hauses Bourbon zuschrciben; der Haupigegen- bewcis liegt aber in dem Charakter des Fürsten, dem die Thal Nu tzen gebracht haben wurde und in seinen friedlichen und häuslichen Sillen. Eben so wenig war Louvcl's Attentat das direkte und be schlossene Werk einer Partei, wenn man nicht den Einflug heftiger Zeitungsartikel aus sei» exaitirles Gcmiilh sö nennen will; der Ka nonenschuß, den Louvel gehört haben soll, die Verschwörung, an welche die royalistische Partei glaubte, ist durch keine genügenden Beweise dargethan. Es waren allerdings einige Umstände vorhan den, welche eine» ungünstigen Schein aus die Liberalen warfen; sie waren aber so ungewiß,^ daß sich durchaus kein Uriheil darauf grün den läßt. Auch an eine Mitschuld des Grasen Decazcs - glaubte damals der Parteigeist; aus diesen Verdacht läßt sich aber nur cr- wicdcrn, daß der genannte Minister an dem Tage, an welchem der Herzog von Berry unter Louvcl's Messer fiel, cinsah, daß es um seine eigene Macht geschehen seh. Nic Ermordung Les Herzogs war von unermeßlicher Wirkung aus dcn Geist Ludwigs XVIII.; die Verzweiflung der ganzen Fa milie, die Tbränen des Bruders machten tiefen Eindruck auf ihn, und er sah voraus, daß der erste Schlag seinen Minister treffen werde. Seine erste Unterredung mit Herrn Decazcs war merkwür dig: „MciibKmd", sagte der König zu diesem, und dies war seine, gewöhnliche Anrede an ihn, „die Ultras rüsten sich zu einem snrcht- barcn Kampfe gegen uns, sie werden meinen Schmerz zu ihrem Vor- tbeil benutzen wolle», nicht Euer System, sondern das meinige werden sie angreisen, sic grollen nicht nur gegen Euch, sondern auch gegen mich." Graf Decazcs erklärte, wenn Sc. Maj. cs sur nolhwendig und nützlich halte, so sey er bereit, abzutretcn, so schmerzlich ihm auch stels der Gcdanke scyn werde, daß seine Entlassung mit jcircm traurigen Ereignisse in Verbindung stehc. Lcr König antwortete: „Ich verlange, daß Sic im Ministerium blcibcn; man soll mich nicht von Ihnen trennen." Ludwig und sein Minister weinlcn zusammen über die Katastrophe, die dem Lande so vieles Unglück bereitete. Es war beschlossen, die Pairskammcr als Gerichtshof zttsammenjuru- scn, damit sie von dem verübten Attentate Kcnnlniß nehme; eben so ward im Ministerrath verabredet, daß Gcsetz-Eniwiirfe siir die all gemeine Sicherheit den beiden Kammern vorgclcgt werde» sollte», denn man wußte, noch nicht, ob dieses Verbrechen mit keiner Ver schwörung im Zusammenhang stehe. Der König hielt um 4 Uhr Nachmittags einen Kabinels-Rath, der auS dcn Ministern und den Herren v. Fontanes, v. Lally-Tollendal, von Brözi-, v. Garnier, Ponalis und Dlounier bestand, und in welchem die Ecnsur und ein die persönliche Freiheit suspendirendes Gcsctz beschlossen wurden. Was Ludwig XV III. vorausgeschcn balle, lras ein; nach den ersten, dem Andenken des Herzogs von Berry gewidmete» Thränen, richtc- len die Ultra-Royalisten die wilthendstcn Angriffe gegen den Lieb lings-Minister deS Königs, Herrn Dccazes. Ein berühmter Schrift- stellcr sagte in einem der royalistischen Blätter, der Fuß des Grasen Dccazes sey im Blute ausgeglitlc». Der Diaz,«»» Istanc enthielt »och leidenschaftlichere Acußerungen, und der angegriffene Minister glaubte, dcn Redakteur, Herrn von Martainvillc, gerichtlich belangen zu muffen. Der Onnsorvatour griff in seinem mehr oder weniger affcklirtcii Schmerze den Minister ebenfalls mit großer Bitterkeit cm ') Vgl No. 25, 28 und ZZ des Magazins. und verhöhnte ihn wegen seiner gegen dcn Redakteur des Orannau blano eingcreichtcn Klage. „Warum" sagt er," sucht der Conicils- Präsident Hader mit jcnem Teufelskerl, der eben so leicht ein Pistol abscuert, als er ein Witzwort fallen läßtk Der Helman der rvyal»- ftischcn Vorposten versteht keinen Spaß; die weiße Fahne an der Spitze seiner Lanze schwingend, läßt er die ganze ministerielle Armee nicht ruhig schlafe»; er verbreitet Lärm imLagcr, schneidet den gefräßigen Sol daten die Zufuhren ab und hätte diesmal beinahe den scindlichen General gefangen genommen." War dieser Ton wohl unmittelbar nach dem großen Attentate schicklich, und sprach sich darin wohl wah rer und tiefer Schmerz ausk Der Schmerz des Grasen v. Artois war in den ersten Augenblicken stumm .und äußerte sich mir in Thro nen; der Prinz cmpflng sogar Herr» Dccazes mit Wohlwollen, aber am folgende» Tage bemächtigte sich die royalistische Partei seiner, und von diesem Augenblicke war dem Premier-Minister der Unter gang geschworen. , Die liberale» Blätter erfuhren die Ermordung des Herzogs v. Berry in der Nacht des 13- Februar; sie suhlten die ganze Bedeu tung dieses Ereignisses, und säst in allen Redaktions-Bureaus rvurdc beschlossen, die schon im Satz fertig liegenden Artikel, in denen An griffe gegen die Regierung cntbalien waren, wcgzulassen; alle spra chen am folgende» Tage einen mehr oder weniger aufrichtigen Schmerz aus und sahen diel Möglichkeit eines RcactionS-Systems voraus, dessen Ursache jenes Ereigniß scyn wiirdc. Der Unwille und die Trauer über das Attentat war allgemein in allen Klaffen der Gesell, schäft;' nur Wenige mochten sich freuen, und sie schämten sich mit Grund, es zu äußern. Einige liebten den Prinzen und seine Familie aufrichtig, Andere waren für die öffentlichen Freiheiten besorgt; die liberale Meinung zeigte sich plötzlich gemäßigt. In beiden Kammern zeigte sich liefe Bclrübniß; in der PairS- Kammcr ward cinc von dem Marquis Lally-Tollcndal vorgeschlagenc Adresse einstimmig gebilligt; cs wär'darin gesagt, die Kammer ver wünsche in dem Verbrechen, welches das Land in liefen Schmerz versenke, die Frucht der verderblichen Lehren, mit denen man Europa flergiftcn wolle, und die, von der Verirrung zur Verworfenheit über gehend, Gottlosigkeit, Vcrralh und Mord zu rechtfertigen gesucht hätten. Die Kammer sey bereit, allen legislativen Maßregeln bci- zutrclc», um diesem allgemeinen Ucbcl Einhalt zu lhun, welches die Religio», dic Moral, die Monarchie und die Freiheit zu un tergraben drohe. Diese Adresse ward indessen nicht abgesandt, denn Gras Molö und der Herzog v. Richelieu machten bemerklich, daß die Kammer, nachdem sie sich zu einem Gerichtshöfe konstiluirt habe, sich »der das bcklagcnswerihe Ereigniß nur aus eine allgemeine Wcisc aussprechcn könne. Auch in der Dcpulirten-Kammer ward eine Adresse in Vorschlag gebracht. Die Vorlegung des Wahl Gesetzes war seil mehrcre» Tagen angekündigt; nach der in der Nacht vorgc- sallcnen Katastrophe wär aber vorauSzuschen, daß keine offizielle Mittheilung jener Art stattfinden werde. Nur drei Minister, die Herren Pasquicr, Roy und Portal waren in der Sitzung anwesend; cinc dumpfe Stille herrschte in der Versammlung, und kaum war das Protokoll der vorigen Sitzung vorgeicscn, als Herr Clauzcl de CouffcrgueS daraus anlrug, den Grafen Decazcs, als Mitschuldigen au her Ermordung des Herzogs, in Anklagestand zu versetzen. Der kluge Herr v. Villöle »ahm Herrn Clauzcl bei Seite und sagte zu ihm: „Ihr Antrag war schlecht abgesaßt; Herrn Decazcs al» Mit schuldigen Louvcl's anzuklagen, war abgeschmackt, er mußte in nn- bestimnilcr Weise cincS hochverrälhcrischen Attentates aiigcklagr wer den." Die Proposilion fand eine schlechle Aufnahme; sie würde sogar ans der rechten Seite kaum 25 Stimmen für sich gehabt ha ben; an eine Majorität für dieselbe war also gar nicht zu denken- Herr Clauzcl de Cousscrgucs war ein Mann von anerkannter Recht lichkeit, aber sanatisch für seine Ansichten eingenommen. Dennoch war diese Anklage ein neuer Schlag für Herr» Decazcs, und darauf war es abgesehen gewesen. Die royalistischen Blätter rühmten de» Muth des Herrn Clauzcl, und in Privat-Versammlungen ward cr ausgefvrdcrt, seinem Anträge weitere Folge zu geben. Wen» die Kammer über die Notbwendigkcil einer Adresse an dcn König ein verstanden war, so waren die Ansichten über den Ton, i» welchem dieselbe abzusaffcn sey, desto verschiedener. Die Ultra-Royalisten verlangten, daß sic in dem Geiste der Anklage des Herr» Clauzcl redigirt werde; die Ministeriellen wollten eine Phrase einsiikßen lassen, in welcher die Kammer ihre Zustimmung zu allen Maßregeln, wclchc dic Umstände erheischen möchten, aussprechen sollte; dic Liberalen wollten, daß man zwar dem Schmerze des Landes bcistimmc, «her