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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- PreiS 22; Sgr. Thlr.j vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theile» der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese» Beiblatt der AUg-Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straß«: Nr. 34); m der Provinz sor wie im AuSlande bei dek. WokUöbl. Post - Aemiern. Literatur des Auslandes. 44. Berlin, Freitag den 12. April 1833. England. Der Journalismus in England. Von einem Englischen Journalisten. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Presse eine Art von Königin ist; ste hat ihre Laune», ihre Höflinge, ihre Ungcrecktigken ten, ihre Minister und ihren Palast. Sie hat auch, man darf es schon glauben, ihre geheimen Jnlriguen; ste hort auf Schmeicheleien; kurz ste hat alle Attribute der Gewalt, aber auch alle ihre Lächer lichkeiten. — Die Hos-Zntriguen haben keine Historiographen mehr, «eil flc Niemanden mehr intcresstren. Die Jntriguen der Journale verdienten Erzähler zu finden; aber man fürchtet diese mächtige Ty rannei. Man kann, wenn man in ein benachbartes Land flüchtet, stch der Gewalt eines Königs und eines Hofes entziehen; aber die Presse! die Presse! wo fände man die nichts Wo sollte man stch verbergen, nm ihre» Schlägen zu entgehens Tausende von Federn bewegen sich in Europa und reden dem Volke ein, was ihnen zu er finde» oder zu behaupten beliebt. Die Geheimnisse des Journalisten- Handweiks zu enthüllen, es zu erzählen wagen, wie stch dieses große Werk des allgemeinen Charlatanismus gestaltet, dazu gehört in der Thai Muth, fast Heroismus. Wir wollen es indessen versuchen. Schlechten Gesetzen und schlechten Sitten haben wir es zu danken, dass der Charlaianismu« irr alle Handlungen und Bewegungen des Journalwesens eingedrun gen ist; es ist das Reich der Lüge. Anscheinend der Vermittler der Leffentlichkeit und der Aufklärung, ist die Presse eine merkaniilische Spekulation geworden, die von den Verwegensten und Gewandtesten betrieben wird. England ist das Land, wo der Eharlatanism.ttS der öffentlichen Blätter am weitesten getrieben ist; dort beherrscht eine ausgedehnte und schmachvolle Organisation der Verderbtheit das ganze System tiefer für stch bestehenden Literatur, welche aus die Volker neuerer Feit eine» so mächtigen Einfluß ausiibt. ES ist ein Handel, eine Auflage zu nennen, aber kein Mittel mehr, um Aufklärung zu ver breiten. Man tritt zusammen, um ein Journal zu gründen, wie Ka pitalisten zusammenlreien, um die Fortschaffung des Gassenkothes oder den Chausseebau in Entreprise zu nehmen. Es kömmt nicht auf Ta lent, auf Grundsätze, sondern aus Kapitalien und aus die geeignet sten Mittel an, dieselben zu vermehren. Zu dem Ende wendet man stch an die Leidenschaften, man unterstützt eine Partei; aber das Gewissen, aber die Wahrheit, was wird au« ihnen? Von allen Journalen Europa « ist die Times unbezweiselt da« merkwürdigste. Gegenwärtig setzt sein heftiger Radikalismus in Er staune». Aber unter der Leitung derselben Redaktoren, unter dem Gesetz derselben Eigcittbümer, athmeie jenes Blatt den übertrieben sten Torvismus, den wüthendsten Haß gegen Frankreich und die libe ralen Grundsätze, eine blinde Verehrung für alle Mißbräuche. Das selbe Journal, welche« heute den Radikalismus predigt, hat zur Zeit, al« stch der Herzog von Wellington m Spanien befand, seine ganze Beredsamkeit ausgeboten, um diesen General den größten Feldherren gleichzustellen, und uns mit Begeisterung aufgesordcrt, Millionen in die Kasse de« Helden zu schütten. Ehemals beschwor uns diese« Journal bei Allem, wa« uns heilig wäre, da« Ministerium zu unter stützen und ihm jene übertriebene Verschwendung zu erleichtern, welche uns an den Abgrund de« Verderbens geführt hat. Henle er bebt es stch mit aller Kraft gegen dieselbe Art von Ausgaben und facht am eifrigsten die revolutiönnaire Flamme an, welche uns zu ver zehre» droht. Woher kömmt diese Veränderung in der Sprache und in den Gedanken? Weil die Times keine Grundsätze hat. Mit einem merkwürdigen Scharfsinn begabt, betastet ste, wenn ich mich so ausdrücken darf, sorgfältig die öffentliche Meinung, ste lavirt bis zu dem Augenblick, wo die schwankende Meinung einen bestimmten Weg einschlägt; dann stürzt sie stch in den Strom, ist bemüht, an der Spitze der Bewegung zu bleiben, und scheint die öffentlichen An- gelegenheiten zu leiten, während sic sich in der Wirklichkeit mir von den populairen Ideen nachziehe» läßt. Dies ist das große Gehcim- niß, welches die Times an die Spitze der periodische» Presse stellt. Man könnte mehr al« Ein Beispiel von diesem Machiavellismus im kleinen Maaßstabe anstelle»; ich will mich mit solgendcn Thatsachcn begnügen, deren Wahrheit von Niemanden bestritten werden wird. Als die Emancipaiiön der Katholiken eine Hauptfrage wurde, war das in Rede stehende Journal um so mehr in Verlegenheit, für welche Partei e« stch entscheiden sollte, als die verschiedene» Fractionen der Parteien unter einander gemischt und unentschlossen waren. Nach einer sehr lebhaften Diskussion unter den Redaktoren, die zu keinem Resultate führte, wurce beschlossen, daß mau warten wolle, und dass die Time« bi« auf wettere Bestimmung nur zwei Mal wöchentlich von der Irländischen Emaneipalion sprechen solle. Herr Banis reiste »ach Irland ab, erforschte d>e Gemüther und entdeckte, Dank seiner merkwürdigen Geschicklichkeit in solchen Sache», daß der Sieg un fehlbar den Katholiken bleibe» würde; in diesem Sinne schrieb er an die Eigknihümer de« Journals. Alsobald wurden alle intellek tuelle Sircilkrästc, über welche die Times verfügen konnte, aus diesen Punkt gerichtet, und da« geschickte Journal schien eine Mauer umzustürzen, welche schon im Einsturz begriffen war, und deren Hin- sälligkett cs nur zuerst bemerkt hatte. Dies ist die beständige Taktik der Time« und aller Journale-- welche ein Ansehen erlangen wollen. Sie geben stch den Schein, als ob sie leiteten, und lassen stch leiten. Sie haben sehr viel Aehn- lichkeit mit jenen Rasirmcssern, von denen unser satirischer Dichter Peier Pindar") sagi, daß man sic nicht fabrizier, damit ste schnei den, sondern nur, damit man sie verkaufe. Der Absatz eine» Journals ist das einzige Interesse, welche« e« seinen Gründern ein- flößt. Heute geschrieben, morgen gedruckt, übermorgen vergessen, Hai e« keine wirkliche Existenz. Seine Fehler verzeiht man ihm sehr leicht, seiiir schönstcn Seite» lassen keine tiefe Spur zurück. Auch ist das Wort Gewissen dem System ganz fremd, welche» dir mriflcn jener Publikationen leitet. Sobald ein Umstand, wenn es auch ei» lügenhafter ist, ihrer Partei nützt, so theilen sie densel ben ihren Lesern für wahr mit. Die« Ihut die Times tausend Mai im Jahre. Sie widercuft allerdings späterhin; aber die Wirkung ist hervorgebrachl, das Gift ist cingcflößt, die Lüge gilt für Wahrheit, und diejenige», welche den Widerruf lesen, sind selten dieselben, die der lügenhaften Behauptung Glauben geschenkt habe». Indessen, höre ich leichtgläubige Leute sagen, sind doch gute Sachen von den Journalen vertheidigt, nützliche Grundsätze festgcstellt worden; di» Time« war es, welche zurrst die Immoralität der willkürlichen Maaß- regeln der Englischen Regierung gegen die Königin Karoline her- vorhob. Der Antheil, welche» jene« Journal an der in Rede ste henden Angelegenheit nahm, dient aber nur dazu, unsere obigen Behauptungen zu belegen. AIS die Königin in Dover gelandet war, konnte man unmöglich wissen, ob die Masse des Englischen Volkes stch zu ihren Gunsten erklären oder in die Reihen ihrer Feinde treten würde. Es war auch bei jener Gelegenheit Herr Barn«, der ans Kundschaft nach Dover geschickt wurde; er fand das Volk sehr erbittert gegen di» Königin Karoline und beeilte stch, den Redaktoren zu schreiben, daß die Venheidigung dieser verlorenen Sache unmöglich scy. Al- er aber von einer nach Frankreich nntcrnommcnett Reise von weni gen Tage» nach England zurückkchrte, fand er den Zustand der öffentlichen Meinung sehr verändert; die Vertheidigung der Königin, gegen welche stch die öffentliche Meinung anfänglich erhoben hätte, war eine Partei-Sache geworden. Ma» empörte stch gegen die Feinde dieser Frau, nicht um sie zu vertbeidigen, sondern um jene anzugreifen und zu stürzen. Daraus erschien in der Times jener glänzende Ausruf an das Englische Volk. Daraus donnerte zw Gunsten einer beleidigte» Frau die ganze Beredsamkeit der ausge zeichnetsten und gewandtesten Schriftsteller. Ohne den Beistand der Time« würde e« der Königin nicht gelungen seyn, die gegen ste erbitterte öffentliche Meinung zu besiegen") und einem mächtige» Ministerium zu trotzen, welches über Millionen verfugen konnte, u» sie zu zerschmettern. E« ist unnütz, hier von einem Umstand zu sprechen, den Jeder mann kennt, von jenen vertrauten Verhältnissen nämlich, welche stch immer zwischen den Gnaden-Verihcilcrn und den Redaktoren de» mächtigen Journale bilden. Perry erhielt im Jahre 1806, als die Whig« triumphirten, eine Stelle von 800 Psd. Stlg. jährlich. Here Walter, der Sobn, Eigeulbümer der Time«, erhielt im Jahre 1805 aus der Hand der Minister eine jährliche Pension von 600 Psd. Stlg. Der Mann, der gegenwärtig die meiste Zeit iw dem Kabinette Brougham'« zubringt, ist der Redakteur einer Morgen- Zeitung und der Bruder eines Advokaten, der von jenem Lord sehr einträgliche Gunstbezeigungen erhalte» hat. Nun wollen wir aber in die Werkstatt der Journale selbst »in- treten; wir werden daselbst auffallende Sonderbarkeiten wahrnehm»»». *) Doktor Wolcott. "I Hier scheint der Verfasser in Widerspruch mit sich selbst zu gerattzew