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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerotions »reis 22j Sgr. (j Thlr.j vierteljährlich, 3 Thaler für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilei der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg.Pr. Emats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Rr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den WohIlSbl. Post-Aemtern Literatur des Auslandes. 28. Berlin, Mittwoch den 6. März 1833. Frankreich.. Decazes' Wirksamkeit wahrend der Restauration. *) II Einkluß der Pariser Journalistik auf das Mi nisterium Dessolle. (1819). Die Prophezeiungen der Opposition, daß das neue Preß-Gesetz die periodische Presse ganz unterdrücken werde, wurden bald Lügen gestraft, denn noch nie war der Journalismus zu einer solchen Aus dehnung und Blüthc gelangt, wie jetzt. Jede Partei, ja jelbst jede Nüance Halle ihre Organe; die Regierung erkannte nur den Koui- tour als das amtliche Blatt an, ließ aber außerdem ihr System in zwei ministeriellen Blättern, Lei» äauriml <!o pari« und Lem äuuriml eie« Kairos verlbeidigen, die unter einer gcmeinschasliichcn Redac tion standen. Das äuurnal äo Paris, dessen Leitung geistvollen und geschickten Männern, wie Villemain, Lingay und Ourry anver traut war, enthielt Auseinandersetzungen der Grundsätze des Ministe riums ugd Artikel, die bestimmt waren, die öffentliche Meinung zu beruhigen, und die dann von dem Kanitour wiederholt wurden; die Opposition ward in diesem Blaut lebhaft und geistreich bekämpft. Das äournal «los Kairos stand Uiilec dein besonderen Schutze des Grafen Decazes, der cs vornehmlich dazu bestimmt halte, die Be wohner des platten Landes zu belehren, und mit den Absichten des Ministeriums bekannt zu machen. Der König selbst verschmähte es sucht, bisweilen Artikel für dieses Journal zu redigire», und der Mi nister versäumte, wie man sich leicht vorstellen kann, nicht, ihm zu versichern, daß diese Artikel große Wirkung hervvrgcbracht hätten.j Später engagirte . der Kanitcur einige verdienstvolle Schriftsteller) welche die Tagespolrmik der periodischen Presse beantworten sollten f Herr Mazurc redigirte unter der Rubrik: „Ueberstcht der Journale", «inen dieser Kritik gewidmeten Artikel. Der Onurrior (welcher mit dem Oourrior kranxais durchaus nicht zu verwechsel» ist) vcrtheidigte, ohne gerade entschieden ministeriell zu sevn, die Maßregeln des Mi nisteriums Deffolle und war das Organ der doctrinairen Partei des KabinetS; er wurde mit philosophischem Geiste, aber in einem schwer fälligen Stil geschrieben und war nicht populair; wen» er sich ein Mal in der anmuthigen scherzenden Schreibart versuchte, glich er, nach der Aenßerung eines geistvollen Mannes, einem tanzenden Bären; seine Mitarbeiter besaßen Alle«, was dazu gehört, um ein gutes Buch zu schreiben, aber nichts von dem, was bei einer Zeitung un entbehrlich ist. Die Haupl-Redactcure waren die Herren von Keratry, Gnizot und Rover-Collard, und seine Farbe entsprach der Nuance der Kammer, die sich bei Herrn Ternaur versammelte. DcrDmistitution»«!, ein gemäßigtes Oppositions-Blatt, machte sich zum Haupl-Organ aller Beschwerden gegen willkürliche Handlungen und Mißbräuche der Präfekten und Maires und erwarb dadurch große Popularität. Der kleinste Krämer hielt sich seinen O»»stilu- tiouuol; schon sein Titel gefiel, weil darin die Andeutung lag, daß seine Polemik gegen die Regierung keine unversöhnliche sev- Diese Polen,ik hatte aber den Fehler, daß die Beschwerden, die derselben zu Grunde lagen, zu leichtsinnig für gegründet angenommen wurde» und sich manchmal späterhin ergab, daß sie entweder ganz grundlos oder doch übertrieben gewesen waren. Dergleichen Widerlegungen, die rr feinen Abonnenten wohlweislich vorenthielt, machten ihn aber in sei nem System nicht irre. Am meisten Schwung hatten die Artikel, welche von Herrn Etienne geschrieben waren; übrigens waren seine Rcdac- teure dieselben, wie die der Ainerve. Der Inilöziemlant und die I!e- nommö« waren bei weitem heftiger in ihrer Opposition; sie wurden von jungen Leuten rcdigirt, welche einen tiefen Groll gegen die Restauration in sich trugen; einige derselben wünschten Napoleon und seinen Ruh», zurück und hatten ihren Blick unverwandt aus St. Helena gerichtet; andere, von den Ideen der Freiheit und Un abhängigkeit des Vaterlandes beherrscht, wollten ein mit dem Be stehen des Hauses Bourbon nnverträgliches System in Frankreich cingefübrt wissen; sic verhüllten nur schwach ihre Wünsche und rech neten seit der Einführung der Jury für Preß-Vergehen darauf, daß auch kühne Aeußernngen unbestraft bleiben würden. Beide Blätter waren in Paris sehr populär, in der Provinz aber fast ganz unbe kannt; wie alle heftige Blätter, halten auch sic cinrn geräuschvollen, abcr kleinen Kreis von Lesern. In eine eigene Kategorie gehört der Dons- ur Luroziöen, der im Schulmeisterlon Europa und die fremden Kabinette, wie das Vaterland und dessen Institutionen, die Muste- ») Aus dem sechste» Bande der Geschichte der Restauration. rung passiven ließ; scinc Artikel waren kalt und schwerfällig geschrie ben; daher hatten srine Redactenre, die Herren Comte und Dunoycr, auch nur eine geringe Anzahl von Abonnenten. Die Dibliotkügue bislurigut und I-v unuvul bttuunc Aris griffen die Restauration äußerst heftig und oft mit vielem Talent an und waren weit gefähr licher als der Oonsour. Die royalistischen Blätter waren den liberalen an Geist und Talent weit überlegen. Das äoul-nal flos Dölmts war nach der Aushebung der Ccnsur zur royalistischen Partei ubcrgelretcn; es wurde mit musterhaftem Stil und in einem stolzen aristokratischen Tone geschrieben; es sprach in seiner Opposition gegen das Ministe rium, wie eine Macht, die sich mit der anderen aus gleicher Höhe glaubt, und kein Angriff ter liberalen Partei kam der Wirkung gleich, welche Lie Artikel des äournal üos Debüts hervorbrachten. Schrecken verbreitete sich im Ministerium, wenn man wußte, daß Herr v. Chateaubriand oder Herr Bertin de Beaux einen Artikel vorbereiteten. Das Blatt besaß eine große Popularität bei der royalistischen Partei; denn es hatte jene Energie, welche der Aristo kratie in hohem Grade eigen ist, wenn sie eine Macht angreift, über die sic zu bcrrschen gewohnt isi. Neben dem äournul äos Döhuts stand Lie t^uvticlionu«, deren Tendenz mehr religiös und absolut- monarchisch war, mit geistvolle», beißenden, mancbmal mystischen Artikeln; sie war Las Blatt des HoscS und Ler Geistlichkeit, denen das äourmil -los Döl-uts zu weltlich war. Eilt royalistisches Blatt, das sich vorzugsweise in heftigen Aeußernngen und Persönlichkeiten erging, war der Dxäzioau Iftanc, von Herr» Martainville rcdigirt. ^Dieses Journal, das ost von fcincr eigenen Partei verläugnet wurde, "erlaubte sich Alles, sogar Beleidigungen gegen den König. Bor diesem rastlosen ununterbrochciien Kampfe der täglich erscheinenden Blätter mußten Lie nur i» wöchentliche» oder gar monatliche» Liefe rungen erscheinenden politischen Zeitschriften in drii Hintergrund treten. Dies Schicksal traf dcn Oonservatour und die Kinorve, welche, selbst in ihren Briesen über Paris, nichts sagen konnten, was nicht schon von den Tagblättern zehn Mal vor ihnen gesagt worden wäre. Die Polemik so vieler Blätter, deren Feuer sich täglich kreuzte, brachte in den Gcmüthern eine unbeschreibliche Ausregung hervor. Die Bersechter wie die Gegner der Preßfreiheit mußten die Macht dcr periodischen Presse cinräumcn. Der Journalismus, der so viele Minister gestürzt hat, übte namentlich damals, im Jahre 1819, einen magische» Einfluß, weil man von der Censur und den durch sie mo noton gewordenen Artikel» plötzlich zu einer ungebundenen Freiheit überging. Dieser Ucbergang konnte bei dem Zustande dcr Parteien kein anderer als ein heftiger sev». Die Bonapartisicn hatten ihre Hoffnungen noch kcinesweges aufgcgcben; es waren Versuche gemacht worden, uni Napoleon von St. Helena zu entführen, und dic Mög lichkeit eines solchen Ereignisses erhielt die Sympathie für cine Sache wach, die in der Armee" und im Bolke noch so tiefe Wurzeln hatte. Die Anhänger Napoleons verabsäumten nichts, um cine günstige Stimmung für den großen Feldherrn zu unterhalten, durch Kupfer stiche und aufrührerische Bilder an dic ruhmvolle Vergangenheit zu erinnern, und obgleich der Kriegs-Minister Gouvion Saint-Cyr die alle Armee dnrch Begünstigungen für dic Restauration zu gewinne» suchte, so vermochte er doch nicht, jene Erinnerungen zu verwischen. Ein Thcil der periodischen Presse begünstigte diese Richtung des mi- litairischen Geistes. Die patriotische Partei hingegen, deren Haß gegen Napoleon fortdauene, halte sich zwar mehr dem System Dcffollc angcschloffen, konnte aber doch nie ganz mit ihm Hand in Hand gehen. Die Regierung ging von dcr Charte Ludwig s XVIII. aus, die Patrioten abcr von dcr Constitution von 1794; daher die Unmöglichkeit einer vollständigen Bereinigung. Aus der einen Seite die Legitimität mit ihrer unveränderlichen Tbronsolge und einer von der Königlichen Souverainctät octrovirten Charte; aus der anderen die Volks-Souvcrainclät mit ihre» Folgen, der Möglichkeit einer Ent thronung und einer vom Bolke voiirien Verfassung. Dic Lage dcs Ministeriums ward immer schwieriger; in beiden Kammern war es den Angriffen einer starken Minorität ausgcsctzt und batte außerdem Len Hos gegen sich, welcher die Gefahre» ab sichtlich vor dem Könige zu vergrößern suchte und täglich den Unter gang der Monarchie verkündigte. Noch schiefer wurde Lie Stellung dc« Ministeriums durch sein Bestreben, sich durch Zugeständnisse eine Majorität der linken Seite zu erwerben und zu erhalten, mit welcher ein dauernder Verein unmöglich war; denn die linke Seile hatte nur Ein Ziel im Auge: Erhaltung 'chrer Popularität; Regierung aber