Volltext Seite (XML)
432 nicht, seine Jungen fremder Sorge zu überlassen. Das Einzige, was man ibm vorwerscn kau», ist, daß er sich von den Liern frem der Vögel nabrt. Die eigentliche Rabcnnluttcr dieser Gegenden ist aber die wohlbekannte kleine Amsel. Sic legl ihre Lier in die Nester verschiedener Vogel, ohne lange zu wählen, und scheint es wohl zu wissen, daß stc schlecht handelt. Wenn die Besitzerin des Nestes eigene Eier Hal, so pflegt stc die fremden lieber, als daß stc dic ihrigen verlassen sollte, wo nicht, so laßt sie das Werk ihres sauren Schweißes im Stich. Zuweilen wirst der Vogel die ihm aus- gedrungenen Eier hinaus, zuweilen legt er einen neuen Boden in sein Nest, gewöhnlich aber läßt er, aus Zärtlichkeit für seine Zun gen, zieh gefallen, .was er nicht abwcndcn kann. Wenn der junge Findling ausgcbrütct ist, so ist ibm die Wohnung so enge, daß er oft die anderen Jungen, bloß aus Mangel an Raum, erdrückt. Sobald er fliegen kann, macht er sich fort, als wüßte er, daß er kein Recht an diese Hcimalh habe. Unser Kuckuk hingegen klebt doch wenigstens selbst etwas zusammen, das, als ehrlich erworben, immer ein Nest heißen mag. (Fortsetzung folgt.) B ib liograv b i c. Ulk coeon-ch (Die Krone.) Eine Sammlung vermischter Schrif ten, von Mrs. Child. New-Hort. Ulk aiiuieontlu (Das Tauscndschön.) Line literarische und religiöse Svende. HerauSgcgebcn von I. H.Buckingham. Newburyporr. Ute compikjü k.utlk-fkkjN'e. (Ler vollständige Viehzüchter.) Ein Handbuch für Meicrcibefitzcr und Viehhändler. Von B. Lau rence. Philadelphia. Ure lor^si.ou. (Jie Verlassene.) Erzählung vom Verfasser des „Cajits Marius". 2 Bde. Philadelphia. kaems. (Gedichte.) Von William Cullen Bryant. New-Hork. sEiuc Ausgabe dieser Gedichte hat Washington Irving auch in England veranstaltet. Der Lichter gilt für den besten Lyriker dcr westlichen Hemisphäre.> Rußland. Victor Tepliakow's Gedichte. Wunderbar ist das Schicksal dcr Russischen Literatur. Seit dem Barden Behan bis zu den zwei oder drei Poeten unserer Tage, deren Genius unter "ihren Landsleuten gleichsam eine Civiltsation sür sich ansmachl — welche Wechsel! welche Ucbergängc vom Lichte zur Finsterniß! Von Wladimir bis aus Peter den Großen ist der ganze Zeitraum ein Abgrund, den dic zerstörende Hand des Tataren oder innere Kriege ausgehöblt haben, und bcutzulagc, wo ein Lo monossow, Derjawin, Karamsin und Oserow einige Seiten dcr Lite- rar-Geschichte so ruhmreich ciunchmcn, zwcifclt selbst noch ein sehr gelesenes Russisches Journal an der Eristcnz einer vaterländischen Literatur! Tcvliakow's Ecdichtc werden von der „Nordischen Biene" so günstig beurtbeilt, als blieben dic ausgezeichnetsten Französischen Dichter unserer Zeit in ihren Leistungen hinter dem Russen zurück. Können wir auch in diesen enthusiastischen Ton nicht einstimmcn, so muß doch zugegehen werden, daß er mehrere Eigenschaften eine« wahren Dichters besitzt. Die glänzendsten dieser Eigenschaften sind: Harmonie des Versbaues, reiche Farbengebung und cine, bei sei nen Landsleuten ungewöhnliche, Energie im Ausdruck. Aber diese Farbenpracht lind dieser blendende Glanz vcrstcüc» nicht seine Ar- mutb an Nalurwabrbcit und eine gewisse Monotonie in Behandlung erhabener Gegenstände, dic zu sehr das Gepräge erzwungener Be geisterung tragen. Die höheren Regionen dcr lyrischen Poesie sind einzig dem. höheren Genius zugänglich,- und nur wenigen Lieblingen der Muse war es vergönnt, solch einen Adlcrflug zu lhun. In der Russischen Literalur können wir nur Dcrjawin nennen. Betrachtet man aber Tepliakow als eincn jener Dichter, welche nnscrcm irdischen Dascyn das härene Gewand der Wirklichkeit ab- zuflreifcn wissen und uns zurückführen in die phantastische. Welt längst zerronnener lieblicher Täuschungen: so verdient er lobende Anerkennung. In dem beschreibenden Theile seiner Dichtungen fin den wir Nalnrgcmälde voll Anmnlb und reich an Gefühl. Dahin gehören: „dic vier Weltaltcr", „die Wünsche" und „ein Tatari sches Lied". Dic Zergliederung seiner crhabeneren lvrischcn Stücke, deren Russische Tageblätter mit so großem Ruhme gedacht haben — der Kaukasus, der Geni u s.Ganymed, das seltsame Haus (lyprnoiu Hnmd, tscbuflnn! <Iam) — gehört nicht hierher. Letzteres vorzüglich ist reich an Poesie. In einem jener seltenen seligen Augenblicke, wo eine Welt erhabener Betrachtungen dcr Seele sich erschließt, erweckt die Muse in dem Dichter wcbmuthsvollc Lrinnc- rungcn; sie entrückt ihn zum Tempel der Unsterblichkeit, zum Hcilig- tbum dcr Wissenschaft und Kunst, aller Schönheit, aller irdischen Glorie, und läßt, ibn überall das Wesenlose erblicken. Die Idee ist nicht mehr neu. Es ist das »mnia vana, jenes scheußliche Bild vom Dascvn, jene Nichtigkeit des menschlichen WiffeirS, welche Faust in die Gewalt des Mephistopheles brachten. Dergleichen Süjn's widerstreben dem Geschmacke Vieler, die nicht gern philosophische Ideen finster und dräuend einem Todtcnschädcl entsteigen sehen; doch ist Vieles in dieser Schöpfung von allgemeinem Jnlcrcsse, und jedes sür Dichtkunst empfängliche "Gemülh wird auch davon ergrif fen werdcen. Strenge Rüge verdient ein sehr ungerechter Vorwurf, den Nusfi sche Journale dem Dichter Tepliakow, wie den Poeten überhaupt, ge macht Haven, als trüge er zur nationalen Literatur nichts bei. Der „Teleskop" folgert dies lächerlich genug aus dem Umstande, daß Tepliakow nur solche Ucbcrschristcn gewählt habe, dic sich bei Französischen, Jlpiliänischcn und Englische!: Autoren fänden; also stunde er unter dem Einflüsse freunder Begeisterung. (!) Man ersieht hieraus zur Genüge, daß die guten Journalisten noch gar weit davon entfernt sind, mit ihren Begriffen von National-Ltte- raiur ins Klare zu kommen. Hätte Tepliakow sich's cinfallcn lassen, seinen Dichtungen lauter selbständig ersonnene Titel zu geben: ge wiß würde Keinem über seine ächt Russische Originalität "und poeti sche Nationalität ein Zweifel geblieben scpn. Die Russische Literatur ist zwar noch weit von ihrem Culmina- lionspunitc entfernt; aber sie ist wenigstens vorhanden, und wird sich unter günstigeren äußeren Umständen mehr und mehr entwickeln. Man könnte denjenigen, dic darüber ungeduldig sind, daß sie in Rußland kcsncn gropen, dcr Nation ihre Apotheose gebenden Genius cmporkeimen sehen, die nämliche Antwort erthpilen, die ein Gärtner einem desperaten Pflanzen-Liebbaber gab, dem eine prächtige eroti sche Pflanze auf seinem Jimmcr nicht gedeihen wollte: „Atles konnte gut geben, mein Hcrr; aber cs fehlte noch «was: Licht und Warme." (2. ä. 0.) Mannigfaltiges. — Kunst und Gewerbe in Piemont. Die diesjährige Kunst- und Industrie-Ausstellung in Turin bat zu dcr Bemerkung Anlaß gegeben, daß dort die Industrie im umgekehrten Verbättnissc zur Kunst stehe, indem in dcr Ersteren bedeutende Forlschrilltc, in dcr Letzteren aber Rückschritte wahrznnchmen sind. Die Kunst er freut sich keiner großen Aufmunterung in Piemont, da nur wenige Liebhaber neue Gemälde kaufen. Die Akademie dcr Künste setzt zwar Preise und Pensionen sür junge Künstler aus, Lie dadurch in Stand gesetzt werden, sich in Rom auszubildcn; die Konkurrenz findet jedoch stets unter so mittclmäßigcn Talenten statt, daß selbst der Ausgezeich- nclstc noch immer ein sehr schwaches Licht ist, das zwar für dic" Kunst brennt aber nicht leuchtet. Seltsam genug ist der Königliche Ober- Kammcrhcrr, dieser mag nun physisch blind scyn oder mindestens von der Kunst so wenig verstehen, als dcr Blinde von der Farbe, doch auch immer Präsident der Akademie, und zwar ist dies ein alter Ee- brauch seit dcr Zeit, da der als Architekt ausgezeichnet Graf Alfieri zugleich bei Hofe das Obtw-Kammcrherrn-Aml bcilcidelc. Als Maler von Ruf werden die Herren Ayres, Cavalieri, Migliara, die Gräfin Massino di Mombcllo und Righini (Letzterer ist Landschaftsmaler) genannt. Die Ausstellung ist in den letzten Tagen des Mai und Anfangs Juni von vielen Tausend Personen besucht worden, — an den Sonntagen sollen ost, da der Eintritt srci ist, über 12,60!) Menschen da gewesen scpn — dic allgemeine Aufmerksamkeit ist je doch größrenthcils durch Gegenstände des Gcwcrbfleißes gefesselt worden. Ucbcr die Ausstellung dieser letzteren sagt ein Bericht aus Turin: „Unsere Leder-Arbeiten können mit denen Englands nud dcr Schweiz wetteifern; unsere Kristall-Waarcn sind ans das reichste gearbeitet und würden der glänzendsten Tasel zur Zierde gereichen; Vasen in Gold und Silber waren ausgestellt, dic an Kunstfertigkeit denen des unsterblichen Cellini kaum etwas nachgebcu. Unsere Ei senguß Magren sind zwar nicht so vollendet, wic diejenigen aus den Berliner Fabriken, geben jedoch zu den schönsten Hoffnungen Anlaß. Dic mcistcn Fortschritte lasscn sich in dcr Seiden - Manufaktur wabrnchmen. Die in Frankreich seit zwei Jahren porgcfailcnen po litischen Ereignisse haben viele Arbeiter bewogen, dieses Land zu verlassen, und bei uns Arbeit und Subsistenz-Mittel zu suchen, wes halb denn auch eine übcrrascheudc Mannigfaltigkeit und cin blenden der GGnz von Seiden-Stoffen und Bändern auf unserer Ausstel lung sich bemerklich macht." — Stereotvp-Stich. Ein junger Künstler hat jüngst eine neue Art des Holzschncidcns erfunden, welche, wenn die sänguini- schcn Hoffnungen des Erfinders auch nur zur Hälfte in Erfüllung geben, das bisherige Verfahren leicht verdrängen dürfte. Dic neue Methode, offenbar dem Slercowp-Druck entlehnt, ist, so weit man sie bis jetzt kennt, folgende: Eine glatte und ebene Mciallplaile wird bis zur Dicke hcrvvrstcbcnder Lettern mit irgend einer weichen Composilion bestrichen, welche die Hitze verträgt. Der Erfinder sagt nicht, welches Material er hierzu nehmen will, man glaubt aber, daß mehrere Sorten Tövscrton dazu taugen würden. Während dic Com posilion weich ist, wird dic Zeichnung mit clncm scharfen Instrumente gleichsam cingcgraben, wobei man dafür sorgt, den; jeder Strich durch die weiche Oberlage auch in dic Plattc dringe. Die großen Vorzüge hierbei sind, daß dcr Künstler in ein viel weicheres Material arbei tet, als Buchsbaumholz, daß die Zeichnung j„ die Platte geschnit ten wird, statt als ll.int-m-link" ausgeschnitten zu werden, was weit mühsamer und zeitraubender ist; ferner, daß man nicht nöthig hat, dic Zeichnung umzukchren; dies ist von großer Wichtig keit, besonders wo man Buchstaben und Inschriften braucht, welche natürlich jedes Mal verkehrt cingeschnittcn werden mußten, hej die ser Methode aber werden sie gerade so cingescknutten, wie .sie auf dem Papier sichen sollen. Ist das Verfahre» so weit vollendet, so darf man dic Csmpvfitivn nur Härten und eine cdcr mebrerc Plat ten in Stereotyp-Metall abformcn, wie man sic von einer Seiic cin- gcschniltcncr Lettern abformt; mit diesen druckt inan dann aus ge wöhnliche Weise. Sollte dies Projekt gelingen, so würden die Kosten des Holzschnittes sich bcdeuicnd vermindern. (,). ft.) Herausgegcben von der Rcdaclio» dcr Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Gedruckt bei A. W. Hayn.