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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumcrations- Prcis 22^ Sgr. THIr.j vicrteliüdrtich, Z Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in alten Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prännnicrirt aus diese» Beiblatt der ÄUg.Pr. Staats Zeitung in Berlin in der Erpeditibn lMvhrcn-Straße Nr. 34 i, in der Provinz so Ivie ini AuSlande dei de» Wobtlöbt Poü - Ämnern. Literatur des Auslandes. 63. Berlin, Mittwoch den 27. Zuni 1832. W England. Ucber die Romane Edward Lhtton Bulwcr's. Es gebt Einem zuwcileii nnt dclii Bcrichterstattcn wie mit dem Bricsschreidcii. Anfänglich vernachlässigt mau cs, dann schämt man sich vor sich selbst, »nd nachdem man die Antwort von einem Lage zum anderen verschoben Hal, furchtet man sich endlich, sich des Freun des zu erinnern, und gewöhnt sich, an die Auflösung des Vcrhalt- niffcs zu Lenken. Wir sind uns einiger reuigen Gefühle dieser Art in Bezug auf Herrn Bulwcr bewußt. Wir halten Anfangs „Falk land" und „Pclham" voriiöcrgchcn lassen, uns immer versprechend, daß wir dieser Werke bei nächster Gelegenheit Erwähnung tl'un woll ten; dann aber folgten rasch auf einander „der Berläugiicie", „He- vcreur" und „Paul Clifford," so daß wir, auf den furchtbaren Rück stand blickend, in den wir verfallen waren, unser Borhaben verzweif- lungsvoll ausgabcn; unser Genüssen wurde indessen einigermaßen durch die Betrachtung beruhigt, daß solche Bücher in der Tbät keines Herol des bedürfen, und daß sie von Anfang an in der öffentlichen'Mei nung ihren Platz als Werke von höchst originellem und eindringlichem Charakter eingenommen haben. Aber das Erscheinen eines neuen Romanes desselben Verfassers bietet uns eine Gelegenheit dar, unseren Fehler einigermaßen wieder gut zu machen, und wir wollen dieselbe nicht vorüber gehen lassen. Henn Bulwcr's erste Werke erschienen, als die Epidemie der modische» Romane ihre höchste Hohe erreicht hatte, — ein kurzer, aber merkwürdiger Abschnitt in unserer literarischen Geschichte. In Frankreich, wo die Gesellschaft, durch die Revolution und durch die »achsolgendeik Veränderungen erschüttert, niemals wieder ganz zu ihren früheren Unterscheidungen zurückgckebrt ist, und wo die passive Aristo kratie des Ranges von allen Seiten mit der aktiveren Aristokratie des Talentes in Berührung kommt, bietet das Leben der höheren Klassen der Gesellschaft, als abgesondert und getrennt von den mittleren, dem Romauschrciber keine genugsam hervvrtretendc Eigenheiten dar. Aber j» England, wo jede Klasse aus der gesellschaftlichen Karte scharf hervonritt, wo uralte Gebrauche ihnen besondere Sitten und Gewohn heiten sowohl in Gesinnungen als in Handlungen ausgedrückt haben, und wo zu gleicher Zeit doch die Trennung niemals so durchgängig und ausschließlich gewesen ist, daß Talent und Unternehmungsgeist ihren Weg nicht von der. niedrigsten in die höchste Sphäre sollten finden können, hier wird natürlich ein hinlänglich starkes und allgemeines Interesse an dem Thun und Lassen der höheren Stände genommen, so daß demjenigen schon vorher-ein günstiger Erfolg zu versprechen ist, der dein Publikum aus persönlicher Beobachtung einige Stützen aus dem Eldorado der Mode vorlegen kann, —ans jener anziehenden Region, in welche einzntrctcn so Biele aus den Mittelklassen fort während eifrig bemüht sind. ES war daher kein Wunder, daß einige unserer Novellisten die Materialim zu ihren Dichtungen auf diesem einladenccn Felde gesucht haben, oder daß die ersten Offenbarungen ans der vornehmen Well mit solcher Neugierde und Theitnabme ausgenommen worden sind. Gerade das vornehme Wesen, da« denjenigen Theil der Gesellschaft charakleristrt, der von dieser Klasse von Schriftstellern geschildert wurde, haue an sich etwas Pikantes. Alle ihre Novellen schiene» geschrieben zu sevtt, um jene moralische einem Schäfer gegebene Lehre Touchstones zu erläutern: „Schäfer, warst Du jemals bei Hose'" „Nein." — „Dann bist Du verdammt." Das Publi kum nahm anfänglich das Orakel mil größter Ehrerbietung entgegen, höchstens wagte es, gleich dem Schäfer, ei» „Ich hoffe doch nicht," bervorzubringen, und hielt sich dann fleißig an das Lese» dieser Mit- tbeilunge» aus den höheren Regionen, um zu sehen, ob nicht zufäl lig da« Verdammung« Unheil von ihm abgewendet werden könnte. Die ersten Novellen dieser Ar, waren, wie man leicht vcrmuthen kmm, die besten. Wen» man auch wenig von dauernder Lebcnskräs- tigkeit in ihneii wahrnahm, so ballen st, dock das Verdienst einer erträglichen Aebnlichkeit, und ihre Bilder au« der Gesellschaft trü gen das Gepräge der kiufachbeit und richstgen Haltung, was einige Bürgschaft für die Wahrheit derselben gewährt. Als aber diese Schilderungen später in die Hände von Personen fiele», die ein nun schon erschövstes Feld bearbeiten wollte», verloren sic bald ibr einziges Verdienst und artete» zuletzt in lächerliche Karrikalurcn aus. Solche Ucbcrtrcibungen sübrlen ihr eigenes Heilmittel bei sich. Durch das Bestreben, zu viel tbnn zu wollen, wurde der Zauber gänzlich zerstört; gleich dem Derwisch in Tausend und Eine Nacht, der, nicht zufrieden mit den Schätze», die er entdeckte, als er sich das eine Auge gesalbt Halle, das andere auch bestrich und sich aus diese Weise blind machte. Nur daß unsere modischen Romauschrciber den Fall mit dem Derwisch umkcbrlcn; denn sie blendeten das Publikum eine Zeil lang mit Erfolg, bis sie Lie Salbe so dick aufleglcn, dass dasselbe endlich die Augen öffnete. Die Verzerrung des ganze» modischen Panorama wurde augenscheinlich; die Orakel verloren ihren Kredit, nnd die talentvollste» und achlungSwerthesicii Schriftsteller verließen den Schauplatz. Herr Bulwcr wird gewiß aus dieser Einleitung nicht folgern, daß wir beabsichtigten, seine Romane so darzitstcllcii, als ob sic in die oben angedeuictc Klasse gehörten; n»d doch sind in scinen erste» Werke» die Spure» jenes Emfluffcs sichtbar, Lurch die Ansichten ciiics lies cindringeiiden Geistes allerdings modis^irt und durch Ge genstände von lebendigerem Interesse erhöht und gelautert. Der Geist iii „Pclham" gehört unläugbar etwas der erwähnten Sckulc an; auch sind wir durchaus nicht überrascht, daß die Tendenz dessel ben sehr ost Mil der seiner oberflächlicheren Rivalen übcrcinstimmk. Selbst unter dein Mantel dcr Satire leuchtet sichtlich Las Bestrebe» hervor, zu Gunsten eines Mannes nach der Mode unser Mitgefühl in Anspruch zu nehmen und unsere Borurlhcile zu sesscln. Das Buch sieht wie eine Vertheibigung Les Sprnchworte« aus, daß Sit- lcn den Mann machen; es ist eine Lösung Les Problems, wie weil äußerer Anstand die Unanständigkeit in anderen Dinge» beschönigt. Pelham verachtet weder Lie Tugend noch das Talent, aber seine eigenen Haiidlungen und noch mehr seine eigenen Grundsätze habe» tcüicn höheren Maaßstab als das modische Gesetz des Tages, und dock, wpil er „die Gabe dcr Sitten" besitzt, sind wir nacksichlig gc. gcn-.ss acn Selbstbetrug und seine Anmaßung und geneigt, zu glau ben, obgleich cs nicht zum Vorschein kommt, daß er ein Mann von Genie und innerlich ein Enthusiast scv- Herr Bulwcr will dies Alles zwar für Satire gelten lassen; wenn dem aber auch wirklich so ist, so kann man doch nicht umhin, zu bekennen, daß die Sastre so wenig cmleuchtcnd und so milde ist, Laß unter zehn Lesern nenn sic für ächlcs Lob nchmcn. Drnnoch ist cs unmöglich, „Pclham"zu der in Rede stehende» Klaffe von Romanen zu zählen; denn Niemand scheint besser als Herr Bulwcr ihre geistlose Tendenz, ihr flüchtiges Interesse und ibre» Mangel an Kraft und Abwechselung erkanitt zu haben. Selbst in „Pelham" findet man daher ein dnnklcres und tragischeres Inter esse in die Frivolität der Erzählung verwebt. Aber das Heilere und das Düstere stehen sich in etwas feindlicher Opposition gegenüber, und dcr Eindruck auf das Gcmiilh am Schluffe des Werkes ist nicht der einer vollkommenen und harmonischen Einh'eit. — I»dem,,Bcr- > äiigiiele n " sind die Extreme besser in Einklang gebracht. Da« Werk erfüllt das Verspreche» in dcr Vorrcde, daß es „Sccnen von leb hafterem Interesse, lebendigerer Färbung und eine eindringlichcro und moralischere Tendenz habe» soll." — Der Leichtsinn Pelbam'S wird durch den Ernst Mordaunt'« wieder gut gemacht. Letzterer ist ei» Mann von stoischer Tugend, mehr ein antiker als ein moderner Held, groß im herbsten Leide» und selbst kann noch interessant, wenn seine Ansichten utopisch scheinen. Die Wirkung der Hauptfigur wird durch geschickt gruppine Umgebungen noch erhöbt, und das Ganze hat de» Vonheil einer großen Abwechselung und einer bestimm ten Tendenz; aber diesen Vortbeilcn wird durch die Verwickelung, welche au« de» verschiedenen nur lose mit einander verbundenen In- trigucii entsteht, und durch die Ariost-ähnlichen Uebergängc^i» etw'a« da« Gegengewicht gehalten. Nicht Zeder kann es, wie der Dichter von Ferrara, wagen, den Faden einer interessanten Erzählung abzureißen mit einem: zsiil 8ignor, non znn (Ii <zno«tn (ünnto GH io so» gG r-nico, e ro ziosni >ni nlizuanto." Dieser Fehler ist in „Devereux" vermieden worden, welches auch, unserer Ansicht nach, die bette und vollendetste von Herrn Bulwer's Erzählungen ist. Hier macht er sich gänzlich von den das Interesse theilendcn Eicnicnrcn los. Der heitere Theil macht dem lieferen und dunklcren nicht Las Feld streitig, sondern gebt ihm lieb lich zur Seite. Mir bewegen uns auch hier allerdings unter den Gro ßen, aber e« sind die Großen anderer Zeiten, — Namen, die unserer Zunge geläufig sind, — Bolingbroke, Lttdwig, Orleans; unter Sitten, die vielteicht eben so frivol wie Lie hrnügen sind, Lonen aber die Zeil schon eine ainiquarischc Würde gegeben bat. Männliche Leiden schäften, da« Triebwerk großer Motive und allgemeinere Gefühle nehmen den Vordergrund ein, während Lic Launen, die Ncignnge».