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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeranons- Preis 22^ Sgr. s Thlr.) viesteljöhrlich, 3 Thater sür Las ganze Jahr, in allen Theilen Ler Preußischen Mo narchie. Maga für die Literatur des z i n Man xränumerirt auf Liefet Beiblatt Ler Wg.Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Rr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllobl. Post - Aemtcrn. Auslandes. 28. Berlin, Mittwoch den 4. April 1832 Italien. Uebcr den gegenwärtigen Zustand der Italiänischcn Literatur- Sardinische Staaten. Italien ist vielleicht daß einzige Land, dem das Vorrecht zu Theil wurde, sich in Zwischenräumen immer von Neuem wieder eine Civilisation und eine große historische Epoche zu erschaffen. Wäh- rend Aegypten und die Länder des Orients nach so vielen Iahrhun- dcrten noch von den Anstrengungen einer erstell geistigen Entwicke lung erschöpft scheinen, sehen wir in Italien zuerst die Etrurier den Orientalischen Völkern in einer ursprünglichen Eivilisation vorange hen und dann die kriegerische Barbarei der Römer durch Jahrhun derte von Ruhm und Freiheit die Wissenschaften und Künste der Toskaner ersetzen. Spater verbergen die Schriften. Cicero's und Virgil's den Augen der Nachwelt die Proscriplionen der Triumvirn und die Feigheit des Senates; und in jenen unheilvollen Zeilen, wo die Barbaren das alte Europa verwüstete, ist cs Rom, der Greis, der ihnen mit dem Kreuze gebietet, und sie auf die Kniec nicdcr- zwingt. Endlich tritt das Italien des Mittelalters an die Spitze der Eivilisation, in der einen Hand die Fackel der Wissenschaften und Künste, in der anderen das Schwerdt der Freiheit tragend. Doch, man muß es gestehe», jener große Ruhm, er ist verschwunden; drei Jahrhunderte der Unterdrückung, in denen mall abwechselnd Gewalt und List, die Qualen der Tortur und die Verführungen des Vergnügens angewendet hat, scheinen ihre Früchte getragen zu ha ben; wiewohl diejenigen, die Italien unterdrückt lind verstümmelt haben, mit Unrecht auf oer Meinung beharren, daß es ein Leich nam scv; denn jenseits der Alpen sind die Talente nicht seltener, als in jeder anderen Gegend Europa'«. Obgleich aber, von einer anderen Seite betrachtet, die Schwie rigkeit der geistigen Mittheilungen, der Mangel eines Mit telpunktes der Tbätigkeit und das Mißtrauen der Regierungen der moralischen Eittwicklung eines Volkes große Hindernisse cntgegen- stellen können, obgleich die allgemeine Währung derGemüther in Italien alle Gedanken aus die Politik gerichtet hat, so reichen doch diese Umstände nicht hin, um diejenigen Italiäner freiznsprcchen, welche Larin eine Entschuldigung für ihre Trägheit suchen; denn wir fra gen, ob damals, als Dante mit seiner ganzen Familie zum Feuer- Tode vcrurtbeill wurde, als der Herzog von Mantua die Bücher und Sachen des kaum aus dem Gefängnisse entlassenen Taffo mit Beschlag belegen ließ, nm den Dichter zu zwingen, sein Lob zu feiern, als Giordano Bruno mitten in Rom in den Flammen um kam, ob damals endlich, vor kaum einem halben Jahrhundert, als Giannone in der Citadclle von Turin eingckcrkcrl starb und es dem Lagrange als eine Gunst angeboren wurde, ihn zum Kammerdiener des Herrschers von Piemont zu machen, die Wissenschaften und Künste mehr Aufmunterung erhielten, als jetzt? Denen, die da glauben, daß Vaterlandsliebe und Politik jedes andere Studium, jede literarische Arbeit ausschließen, zeigen wir Machiavell aus der Folter und dann seine schönsten Werke schreibend; wir zeigen ih nen Michel Angelo, abwechselnd an den Befestigung-Werken von Florenz und an seinem „jüngsten Gericht" arbeitend; wir erinnern sie daran, daß Campanella 27 Jahre im Gcfangniß schmachtete, und sie benmal aus die Folter gespannt wurde, weil er die Spanier hatte aus Italien vertreiben wollen, ohne daß dadurch seine Liebe für die Wissenschaften geschwächt wurde. Man muß also einen anderen Grund für den Verfall der Wis senschaften in Italien aufsuchcn. Er liegt, unserem Erachte» nach, in der Verweichlichung der Einwohner und in dem geringen Werth, den man auf Talente legt; denn in einem Lande, wo die Liebe und die Frauen die ganze Feit der jungen Leute in Anspruch nehmen, wo da« Vergnügen da- große Geschäft des Lebens ist, da stiebt man Alle«, was bedeutend und ernst erscheint. Diese Neigung zum Leicht sinn nimmt im Allgemeinen zu, >e mehr man gen Süden kommt, und es giebt Italiamsche Städte, wo derjenige, welcher sich in Ge sellschaft ein einzigcsmal erlaubte, den Dante anzuführen, sich aus ewige Zeilen den' Ruf der Pedanterie zuziehen würde. Auf diese Weise bringen Leute von Talent, denen aber die nöthige Energie, gegen den allgemeinen Strom zu schwimmen, mangelt, — ihre Tag» zu den Füßen einer Geliebten und ihre Abende in nichtssagenden Ge sprächen zu, -indem sie sich im Schoße der Vergnügungen zu be täuben suchen und dabei die Empfindungen vergessen die «in wür digeres Leben und ein besserer Gebrauch ihrer Kräfte in ihnen er wecken würde. Inmitten dieser Verweichlichung fehlt cs indessen Italien nicht an cdclmüthigcn Seelen, und großen Geistern, welche sich erheben, um gleichsam gegen die Verderbtheit, von der sic umgeben sind, zu prolestiren; und wenn diese Männer aus einem Punkte vereinigt wären, so würden sic bekannter sevn und vom Nuslande besser ge würdigt iperden; aber im ganzen Lande zerstreut, mit geringen Mit teln zur Mittheilung, einer oft ins Lächerliche gehenden strengen Eensur unterworfen, finden sie für ihre Anftrengungeü weder bei den Regierungen, die sie fürchte», noch'in der Achtung einer Gesell schaft, die zu leichtfertig ist, um ihren Werth zu schätzen, noch end lich in den Vortheilen, welche sie in jedem anderen Lande aus der Bekanntmachung ihrer Schriften ziehen würden, eine Belohnung. In Italien, wo das literarische Eigenthum nicht von einem der kleinen Staaten gegen den anderen geschützt wird, ist der Buchhan del so beschränkt, daß die wissenschaftliche Beschäftigung eine Last und eine Gelegenheit zu Ausgaben, statt wie in anderen Ländern die Quelle einer ehrenvollen Unabhängigkeit, zu scpn pflegt. Diese Zersplitterung talentvoller Männer, die man von Stadt zu Stadt, wie die Uebcrreste der Denkmäler aus den Zeiten der Römer und des Mittelalters, aufsuchcn muß, ist Schuld daran, Laß der Fremde, der Italien im Fluge.durcheilt, von keinem lebhaften Glanzpunkt, wie z. B. in Paris und London, getroffen wird. Wäh rend aber in Frankreich die Hauptstadt alle ausgezeichnete Männer absorkirt und man mehrere große Städte der Provinz besuchen kann, ohne eine einzige Notabilität zu finden, wird man in Italien dadurch überrascht, Laß man selbst in den kleinsten Städten' merkwürdigen Maiuiern begegnet. Man würde auch vergebens versuchen, den Iu- stanv der Wissenschaften und der Künste in Italien im Ganzen zu schildern, wenn man nicht vorher denselben im Einzelnen untersucht, und wir wollen daher auf diese Weise unsere Ucberstcht beginnen. Wenn man von Frankreich aus Italien betritt, so kommt man zuerst nach Piemont, welches sich, unserer Meinung nach, bald an die Spitze der moralischen nnd geistigen Entwickelung der Halbinsel stellen wird. Obgleich cs durch sein Äeußcrcs, sein Klima und sei nen Dialekt Frankreich ähnlicher sicht als Italien, so ist cs doch hin- stchtlich seincrSitten, hinsichtlich eines gewissen Ernstes der Einwohner, und besonders mit Hinsicht auf die Macht, welche die Aristokratie dort besitzt, nicht« weniger als Französisch. Seit dem Tage, wo der Her zog Emanuel Philibert die Schlacht von St. Quentin, welche er an der Spitze der Spanischen Truppen gewonnen hatte, benutzte, um in die Staaten seiner Vorfahren zurückzukchren, haben die Fürsten Les Hauses Savoyen aus dem Schlüssel der Alpen geschickten Vor- theii gezogen und sich, theils durch persönliche Tapferkeit und die Disziplin ihrer Truppen, theils Lurch paffende Verbindungen mit Frankreich und Oesterreich, allmälig zu vergrößern und eine wichtige Macht zu werden gewußt, so daß aus dem Königlichen Palastc in Turin das Zeichen dazu gegeben werden müßte, wenn in Italien wirklich einc große politische Veränderung sich zutragcn soll. Piemont hat wenig zu der wunderbaren geistige» Entwickelung in Italien vom 13ten bis zum 17ten Jahrhundert beigetragcn. Fortwährend in Kriege verwickelt, ist es erst spät auf dem Schau platz erschienen; aber dafür mit unentweihtcn Kräften, während Alles ringsumher alterte. Man sah in der Tbat in der zweiten Hälfte des vorige» Jahrhundert« plötzlich Lagrange, Alfieri, Berlhc- let, Bodoni erscheinen, Namen, welche Europa kennt, und die den wissenschaftlichen und literarischen Ruhm Piemont s auf den höchsten Gipfel trugen, die aber durch ein «»glückliches Verhängnis; sämmt ltch gezwungen wurden, den vaterländischen Boden zu verlassen: die Einen, um im Anslande die Mittel der Existenz zu suchen, die An deren, um daselbst die Freiheit, ibr» Gedanken auszudrückcn, zu genießen. Dennoch kam dieser erste Aufschwung Piemont zu Stat ten, und die Wissenschaften und ernsten Studien entwickelten sich daselbst mit Schnelligkeit. Der Gras von Saluzzo, sehr bekannt durch seine Untersuchungen des Gases, errichtete eine wissenschaft liche Gesellschaft, welche sich durch die Herausgabe der „Turiner Misccllen " die Bewunderung des gelehrten Europa'« erwarb. Bec caria und Cigna verbreiteten durch ihre schönen elektrischen Versuche Vcn Geschmack an der Physik; Mioni brachte die Naturgeschichte M Blüthc, und der Abbate von Taluso, ein Mann von unendlichem Wissen, öffnete den tiefen klassischen Studien die Bahn. Die Ge sellschaft d«« Herrn von Saluzzo wurde im Jahre 1783 zur König lichen Akademie der Wissenschaften erhoben, und ihre Schriften,