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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcrationS- PreiS 224 Sgr. vierteljähr lich in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Für die Monate Fcbr. u. März ist d. Preis auf 15Sgr. festgesetzt. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg.Pr. TtaaiS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei.den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 13. Berlin, Mittwoch den 29. Februar 1832. Frankreich. Der Saint-Simonismus. Erster Artikel. Der Saint-Simonismus auf der Stufe der Entwicklung, die er gegenwärtig erreicht bat, ist ein philosophisch--politisch-religiöses Sy stem. Die philosophftche Basis, aus der er beruht, isi eine seltsame Mischung von Deutscher Philosophie aller Farben und Schulen, von mittelälterlichen Ideen und, wie sehr sich die Saint-Simonistcn da gegen sträuben mögen, von Französischem Materialismus. Die Hauplstärke' des Systems, seine wahrhaft positive Seite, besteht in Ler entschiedenen Polemik gegen die Philosophie des 18ten Jahr hunderts, die noch immer, obgleich viele Schriftsteller von Geist und Einfluß nicht mehr die Sprache der Lncykiopädisten reden, die all gemein verbreitetste Stimmung in Frankreich zu scvn scheint. Die romantische Poesie, durch die Verehrung der geschichtlichen Vorzeit dem RoyalismuS, durch die Kraft der Jugend und der Opposition dem Liberalismus gleichmäßig angchöreud und mit dem Marke beider genährt, hat durch die kühne Sprache der Empfindung die engen Schranken jenes armseligen, sclbstgcnügsamc» Naisomiemcms zerbro chen; die Philosophen haben durch die gastfreundliche Ausnahme fremder Ideen und durch eigenes StHdium der Geschichte ein ticfc- rcs Bcdüxfiiiß und Bewußlseyn angeregt; aber mit so rücksichtsloser .Kühnheit und geistreicher Beredsamkeit, mit so schlagender Dialektik und so tiefem Gefühle des Besseren ist die leere Lede jenes Philo- sopbuens, das-sich unter glänzenden Ramen verbirgt, in Frankreich noch niemals ausgedeckt und beim wahren Namen genannt worden. In dieser Beziehung kann der Saint-Simonismus nicht ohne Ein, fluß aus die Entwicklung der Französischen Wissenschaft scvn. Sobald er nun aber selbst, woraus er den meisten, ja sogar den einzigen Nachdruck legt, die positiven Grundlagen seines neuen Svstcms ausstcllt und an der Stelle der Zerstörung organisirt und ausbaut, dann zeigt cs sich, daß cr gleichfalls mit Unfruchtbarkeit geschlagen ist, irgend eine positive Organisation zu begreift» oder gar schöpft- risch zu gestalten. Müde des Umhcrschwankcns unter den Gcgciisäz- zen einer verständigen Abstractton sucht cr Hülse bei der Deutschen Philosophie, welche eine Versöhnung des Gegensatzes verkündet: aber unsahig, die spekulative Idee ftstzuhaltcn, vernichtet cr vielmchr dcn Gegensatz und somit alle Individualität, alles Leben. Geist und Matcric, Ich und Nicht-Jch, Endlichkeit upd Unendlichkeit, Staat und Kirche— Alles ist eins, und nachdein der Samt-SimoniSmuS aus diese Weift die Gränzmarken des LcbcuS aufgehoben und den Rcichtbum der Wirklichkeit zu einem Chaos abstrakter Allgemeinheit verflüchtigt bar, so glaubt er mit der obnmächtigcn Kategorie der Fähigkeit aus diesem Chaos eine ncue Welt wirklicher Existenzen erschaffen zu können. Hier sängt die politische Seite des Systems an. Wir werden in der Folge einen Grundriß des armseligen, mit einigen Purpur- lappen und Goldquasten des Mittelalters verbrämten politischen Ge bäudes vorlegen, das der Saint-Simonismus auf .seiner Maxime: „Zeder nach seiner Fähigkeit, und jede Fähigkeit »ach ihren Werken" auserbaut bat. Es wird für Deutsche Leser wohl kaum der Bemer kung bedürft», wie dieses politische System, indem es von Satze» ausgcbt, die ma» i» ibrcr Allgemeinheit allenfalls zugeben kann, sich nach und nach durch eine folgerechte Schlußrejhc bis zur ausgemach ten Tollheit, >a sogar bis zur Gotteslästerung steigert. Wenn daher der Saml-Simomsinu« cinc allgemeine weltgeschichtliche Bedeutung in Anspruch nimmt, so müssen namentlich wir Deutsche diese unge heure Anmaßung in ihre Schranken zurückweiftn. Was er Tiefes und Bedeutendes ansspricht, bat er Deutschem Geiste entlehnt, aber »aiv genug sür ganz neue Offenbarungen auSgcgrben, und was die Ausartung desselben betrifft, so ist Deutschland de» Kinderkrankheiten der Philosophie längst schon entwachsen. Fragen wir nun endlich nach der religiösen Bedeutung des Saint-Simonismus, so erhalten wir nirgends genügende Auskunft. Bei der Aushebung allcx Gegensätze sehen wir freilich Politik zur Religion und Religion zur Politik werden; von dem eigentliche» Dogma erfahre» ftjx jedoch nichts Bestimmtes. Aus demjenigen, was uns bruchstückweisc darüber mitgctbeilt wird, ist nicht abzuschc», welchen Fortschritt derSaint-SimonismuS vor dcm Cbristcmhum gcthan haben solle. Die empbatjschcn Versicherungen dieses Fortschrcitens bcru- - Henaus einer durchaus verkehrten Auffassung des Cbristenlbums. Ein zelne Lehren, z. B. das Forllcben St. Simons in der Gemeinde, sind christlichen Glaubenslehren nachgebiidet, und man muß eine gänzliche Unbekanntschaft der Saint-Simonistcn mit dem Inhalt des Christenthums voraussetzc», wenn sie sich solche Lehren als die Offenbarungen ihrcr Päpste ausbindcn lässcn. » Um nun miscrcii Lesern eine möglichst lichte Darstellung des Sainl-SimonismuS zu geben, die ihnen zugleich einen Maaßstab der Bcurtbeittmg darbictcn möge, sangen wir mit der Zusammenstellung der geschichtlichen Daten an, die uns unsere Quellen über das Leben Saint Simons und die Ausbreitung seiner Schule mittheilen. In einem zweiten Artikel werden wir eine Ucberficht der Lehre nebst der ausführlicheren Darstellung einzelner Doktrinen Nachfolgen lasse». — Claude Henri, Graf von St. Simon, den 17tc» Äpx. j.760 zu Paris geboren,°) gehörte jenen Saint Simons an, die Ludwig XIII. mit seinen Gunstbczcugungcn überhäufte, die unter Ludwig XIV. und dem Regenten einen berühmten Repräsentanten ihrer Familie hatten, der seinem weitverbreiteten Rufe nach zu dpn ersten Schxift- stcllcr» Frankreichs gehört, die von den Grafen von VcrmondoiS und durch didse von Karl dcni Großen abstammcn. Der Ruhm sei ner Geburt war für ihn ein mächtiger Sporn; er glaubte, dcn Kö- mglichc» Ahn zu vernehmen, wie cr ihm vcrküiidigtc, daß scinc Fa- Milic ihren altcii Ruhm, cinc» großcn Monarchc» crzcugt zu haben, durch dcn neuen vermehren würde, einem großcn Philoftphe» das Dascyn zu gebcn. In dcr Vorrede zu cinem seiner Werke bekennt er, den literarischen Ansprüchen der Schriftsteller von Profession gänzlich fremd zu scvn und nur zu schreibe», weil, cr ncnc Dinge zu sage» habe, und fügt hinzu: „Ich schreibt wie ein Edelmann, wie ein Nachkomme der Grafen von Lerm-nidois, wie ein ErVc'Vr'r ,ccecr pes Herzogs von Sr. Simon." Und an einer anderen Stelle: „Was jemals Größtes getban und gesagt worden ist, haben Edcllcute gcthan oder gesagt. Unser Ab» Karl der Große, Peter dcr Große, dcr große Friedrich und Kaiser Napoleon waren geborene Edclleutc; eben so die Denker ersten Ranges, Galilei, Baco, Des cartes und Newton." Sonderbar! derselbe Mann, dcr sich noch im Jahre 1808, znm rechtmäßigen Erben der Grundsätze seines bc- rüblnlcn Vorfahren mit allem Stolze des geschichtliche» Adels be kannte, sollte der Stifter einer Sekte werde», welche alle Vorrechte der Geburt, ja sogar die Vererbung des Vermögens ausbebt! Man bat keine Nachrichten über die Jugendzeit ist. Simons; nur so viel ist gewiß, daß er als Jüngling voll Entbusiasmus für eine erhabene Bestimmung glühte, die ihm nur noch dunkel vor schwebte. Jeden Morgen ließ cr sich mit dcn Worten erwecken: „ Stehen Sic aus, Herr Gras, Sic habcn große Dinge zu vollbrin gc»!'" In seinem siebzehnten Jabre trat er in Kriegsdienste, und zwei Jahre daraus (1779) ging cr nach Amcrika, wo er unter Bouilly und Washington fünf Feldzüge mitmachtc. Man kann aus ibn anwcnken, was cr in einem feiiicr crstcn Werke von Descartes ge sagt Heu: „Er war Soldat, bevor cr Gelehrter gewcscn war; tapftr auf dcm Felde dcr Ebre, war cr kühn in philosophischen Forscbun gcn." Dock' schon in Amerika wurde cr mehr von der Politik als von dcr Taktik angczogcn. „Dcr Krieg an sich," schrcibt cr dar über," imercssirte mich nicht, wobi aber dcr Zwcck dcs Krieges, und weil ich den Zweck wollte, so mußte ich wobt auch die Mittel wollen; doch ganz entschieden gewann der Widerwille gegen das Waffenhandwcrk in mir die Oberhand, als sich dcr Fricdc näherte. Nur der Friede, dies fühlte ich klar, konnte der Schauplatz memcr Thätigkeit seyn; die fortschreitende Entwicklung des menschstchen Geschlechts zu ergründen, um an der Civjlisatioii zu arbeiten — dies war das Ziel, dem ich von jetzt an alle meine Kräfte widmete. Seitdem sah ich auch ein, daß dic Amerikanische Revolution den Anfang einer neuen politischen Aera bezeichne, und daß sic in kurzer Zeit bedeutende Umwälzungen im gesellschaftlichen Zustande Europa s hcrvorbsingcn würde." Nach- dem Friedensschlüsse legte cr dem Vizckönig von Mexiko dcn Plan ci»cr Verbindung der beiden Meere yor, weichen cr durch die Schiffbarmachung des Flusses Partido"") *) DocNine st« Kamt tiimnn b.xpo-üüm 182); —1820 öönion 1831 In dcc Einleitung und dec vorangeschickte» Abhandlung am la vio 6t le ehaeaetete go kttmon. Hhiln-anlne g» Moll I'»t I-eer>>ime,. (Siehe Magazin Nc' tl.) In den: An Hanae befindet tich unter den ,,Studien" eine Abhandlung über das heben und die Werke St- Simons. Die Saint Eimonisten erzählen das Leben ihres Veh rers nur in einer cmvhatischcn, Vcn Katcqoricen der Saintaimoniflischcn Schule cntfvrechendcn, Phraseologie, die wir an vielen Stetten wörtlich betbebalren haben i dic Einzclnheitcn unserer Erzählung sind aus Lermincer- Wir ton, men auf hcrminier'S Anjicht über S- S zurück, die cr selbst schon an einec anderen Stelle seines Werkes (h. AiU-273) bedeutend modistar: hak- ", Der Nicaragua, ein großer Binnensee, steht namlsch durch den -chist Haren San Juan mit dcm ätiantischen und vielleicht durch den Partida