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MUSIK ALS BERUF Von Dr. Fritz Reuter Auf dem weiten Felde der Musik ist der Beruf scharf zu trennen von der Existenz. Zum Berufe der Musik gehört vielleicht mehr als zu einem anderen Berufe die Berufung, die vocatio. Diese innere Berufung muß ihren Besitzer auf Schritt und Tritt verfolgen. Er darf sich sein Leben nicht mehr ohne Musikausübung vorstellen können. Wer sich im Besitze der vocatio glaubt, der muß das Gefühl einer inneren Sendung, einer auf Erden zu verwirklichenden Mission in sich so stark spüren, daß er davon wie von Dämonen besessen ist. Wem diese Dämonie des inne ren Berufenseins fehlt, der sollte nicht Musik studieren. Wer glaubt, daß er einen anderen Beruf ebenso gut ausfüllen würde, der soll ihn getrost sich zur Lebens aufgabe machen. An ihm ist dann kein rechter Musiker verloren gegangen. Der Beruf des Künstlers weist allen übrigen Beru fen gegenüber einen wesenhaften Unterschied auf:Für den Musiker fallen Beruf und Leben zusammen. Wenn Angehörige anderer bürgerlicher Berufe ihre Tagesar beit vollbracht haben, dann widmen sie sich mehr oder weniger den Dingen, die sie Erholung oder Amüsement nennen. Ja, für die meisten Menschen besteht der An reiz zur Arbeit erst in der Aussicht auf diese Dinge nach ihrer Arbeit. Für den Künstler liegen die Ver hältnisse, wie gesagt, anders. Er muß in der Musik das Zentrum seines Lebens erblicken. Für ihn gibt cs kein Fachsimpeln, er sieht die ganze Welt nur mit musika lischen Augen. Und ich füge noch hinzu: Er hat durch die Stellung, welche der Musik von Natur aus durch das Vorhandensein des Stimmapparates im Körper zu kommt, recht, so zu handeln. Man darf ihm deshalb nicht Einseitigkeit vorwerfen wollen. Der musikalische Mensch ist durch die Natur völlig anders ausgestattet worden. Diese Ausrüstung macht es ihm in vielen Fäl len nicht nur schwer, sondern oft sogar unmöglich, mit der logischen Begriffswelt der übrigen .Menschen fertig zu werden. Er denkt und schafft sein Leben in Tönen. Das Leben hinwiederum läßt sich von ihm musikalisch erfassen. Deshalb wird es auch äußerst selten gelin gen, einen solch von der Musik besessenen Menschen von ihr jemals ganz abzubringen. Er sucht seine Ar beit in der Musik, und diese ist dankbar, indem sie ihm aus sich seine Erholung spendet. Einen Ausgleich zu den übrigen Sterblichen hat aber die Vorsehung doch erschaffen; denn unter sota- nen Umständen müßte ein Musiker ja der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden sein. Die bürgerlichen Köpfe fassen seine Tätigkeit als Luxus aut und be zahlen und behandeln ihn danach. Er verdient häufig- weniger Geld, oder doch mindestens sein Geld sehr schwer. Und trotzdem wird er, wenn er ein rechter Musiker ist, seiner Sache und seinem Berufe treu blei ben, weil — —, nun, weil er nicht anders kann. Bei jeder Gelegenheit macht man ihm klar, daß er mit sei ner Musik nicht unbedingt notwendig ist. Musik wird in gewissem Sinne erst möglich, wenn sich einigerma ßen sichere Grundlagen der Wirtschaft in einem Volke |IIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIitlllllllllHIIIIIIIIIIIMI»llillllHllllllllliMIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIMI Feiiricla Flügel * Pianinos •EIPZIG, COLONNADENSTR30