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4. Weligic-ns- unö KeikteskeUen in Kkinn. Kanton hat aber 1öO Tempel. Tarans aber zu schließen, die Chinesen seien ein religiöses Valk, wäre uw richtig. Im Gegenteil! Konfuzius, der göttlich verehrte Lehrer, der-Chinese aller Chinesen, bewegt sich fast ganz auf dem Boden des Diesseits: „Wir kennen das Leben noch nicht", sagte er einst, „was sollen wir vom Tode wissen?" Seine Lehre ist weniger Religionslehre als eine großartige und umfassende Pflichten- und Tugendlehre, die alle Be ziehungen des Menschen zum Menschen, nämlich des Unter- thanen zn seinem Fürsten, des Sohns zu seinem Vater, des Weibes zu ihrem Mann, des jüngeren Bruders zum älteru, des Freundes zum Freunde regeln will. Es liegt etwas Schönes darin, wenn es heißt, des Kaisers heiligste Pflicht sei, nicht nach eigener Willkür zu regieren; die Macht sei ihm nur verliehen, daniit er so regiere, daß Ordnung und Friede verwirklicht werden, lind wenn es heutigen Tags noch Vorkommen kann, daß ein Blandarin seines Amtes ent setzt wird, weil in seinem Distrikt etwa ein Sohn seinen Pater ermordet hat oder weil ein ähnliches schweres Ver brechen begangen worden ist, daß inan sich also nicht be gnügt, den Verbrecher allein zu bestrafen, so wird damit eine moralische Solidarität zwischen den Regierenden und Regierten ausgesprochen, die uns iinmerhin zu denken geben kann. — Aber wie kommt man zur Tugend? Das ist die große Frage. Man erlangt sic, lautet die Antwort, durch Bildung; denn die Bildung lehrtuns, was vernünftig und gnt nnd was unvernünftig und schlecht sei. Und so ist denn, was uns Christen „Sünde" ist, deni Chinesen bloß das Nichtachten einer goldenen Lebensregel, die man gut thätc einzuhalten, so wie etwa ein Kind, das sich mit unreifem Obst den Blagen verderbt hat, gnt thäte, sich das nächste- mal an reifes Obst zu halten. Daran fehlt es eben doch, daß Konfuzius die Kraft nicht angeben kann, aus der heraus man die Tugend üben kann, und so hören wir ihn denn selber klagen: „Ich habe noch keinen Menschen gefunden, der