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muffle bezahlt werdci, und leine Jpnr von dem klingenden Metall. Wo Erlösung und Heil, wo Aussicht und Hoffnung ^>11 der Heimath, in dee kleinen Schahkaunnee, angelegt von Vaters Hand, die da blieb ei» Quell in der 'Wüste, ein Heller Stern in dunkler Leidenönacht. Der Mensch muh wirken und streben. Hinein ging es wieder in das slutheudc Leben, nnd so verrauschten Stunden, Lage und Jahre. Wohl dem. der sagen kann: ich habe eine feste Stätte. Kann dies der Schauspieler? Nein! Gleich den Nomaden des Alterthums irrt er umher; hent schlägt ihn das Schicksal bierhin, morgen dorthin. So anch der Held unserer Geschichte. Gin enttäuschter- Leben, denn wenn der Schauspieler dreißig Jahre alt uud noch keiucu scsten Haltepunkt gewonnen, dann ver zichte er auf deu geträumten Himmel. Nur in der Fülle männlicher Blütbe nnd Kraft ist Saat und Ernte, denn die Vorbolen deo Alters, sie machen keinen Gewinn mehr anS, und von Erinnerungen, wären sie auch noch so groß und schön, von Erinnernngcn läßt sich nichts leben. So auch war schon eine schöne Zeit unserem Karl verflossen. Jngendliche Helden und Lieb- haber konnte er nicht mehr spielen, er war schon längst in ein anderes, weniger dankbares Fach übcrgegangen. Für einen änderen Dienst im Staate wäre er noch kräftig genug gewesen, und sein Bruder Richard schlug ihm dies auch vor. Doch ein Sprichwort sagt: Wer einmal ein paar Sohlen beim Theater zerlaufen, der geht anch ferner diesen Weg und ist nicht abznbringen von der Bahn, wo im Grunde genommen nnd bei Lichte besehen keine Rosen blühen. Richard schlug seinen: Brnder vor, irgend eine Stelle anznnehmen, und die damaligen Eröffnungen verschiedener Eisenbahnen hätten Gelegenheit geboten. Aber da dachte Karl, hier mufft Du früh uni fünf Uhr aufstehen, uud er lag doch so gern bis zehn Uhr im Bett. Nichtothun nnd Müffiggang, tren mit dem Theaterlcben verknüpft, Neides hing ihm zn sehr an, obgleich er nnr zu sehr fühlte, daff eine Stellung anffer der Bühne doch ein ander Ding sei. Viele seiner UnivcrsitätSfrennde waren Advokaten, Gerichtodirektoren nnd Aerzte, denen die Welt Ehre nnd Hochachtung erwies. Er war Schauspieler, eine Person, die der OeffenUichkeit selbst bei grösster Erfüllung der Pflicht in die Hand gegeben. Jeder Lasse, der seine paar Groschen Eintrittspreis bezahlt, hat daö Liecht, frei und offen feinen Tadel anszu- sprcchen; er kann den Darsteller, wenn er irgend einen Groll ans ihn hat, oder nicht mit seinen Leistungen znfrieden ist, anspochen nnd anSpseisen. Ein übelgesprochenes Wort über einen Rezensenten, ein nicht erfüllter Gruff machen vielleicht, daff er in öffentlichen Blättern heruntcrgerisseu wird, und daö, waö das Publikum schwarz auf weih hat, darau glaubt eS. Noch einmal ging Karl in die Welt, nahm Abschied von seinen Geschwistern, die durch Fleiff und Sparsamkeit sich im Schoss ihrer Familie HauS und Hof gchründet. Liebliche, rothwangige Kinder, die Freude der Eltern, gaben dem Onkel Karl die Hand zum Abschied. Es war ciu trübeö Herbffwcttcr, als er von hinnen schied, er, der de», Herbst feinet- Lebens entgegen ging mit — dem letzten Nest seines Erbtheilös denn die fünfhundert Thaler, sie waren unantastbar, deö Vaters letzter Wille war dem Bruder Richard heiliges Gesetz. Karl ging. Der Norden nnd Süden Deutschlands,' die Schweiz hat ihn gesehen. Es gelang ihm, bei grossen Bühnen Dach und Fach zu finden. Heute Rausch und Götterlust, morgen Kummer uud Trübsal. Heute im Besitze eines dreijährigen Kontraktes, in vier Wochen auf der Landstrasse, wo der Wind durch sein Haar pfiff, das schon aufing, grau zn werden. "Früher schwelgte er ost an gefüllten Taselu, wo der Wein in Strömen floss, jetzt trank er in einer elenden Dorsschänke einen Krug Dünnbier nnd war ost sroh, wenn er eine Portion Bntterbrod nnd Käse batte, wie wohl ihm das Kanon ost schwer ankam, denn er hatte schon einige Zähne verloren. In Städten, wo grosse Bühnen vorhanden, sucbte er ehemalige Kollegen ans, die sich seiner sehr bald zn entledigen suchten uud Kollekte für ihu verauftaltetcu. So weit war sein Wirkungskreis jetzt nur ans kleine Wanderbühnen beschränkt, nnd wenn man ihm auch an einem grösseren Stadllhealer eine Stelle für untergeordnete Rollen anbot, so schlug er solch'Ausiuneu, wie er es uaunte, aus, denn er wollte wie früher nur grosse Rollen spielen, und anS diesem Grnnde ging er wieder zu solche» Theater», wo er seine Lalifbahu begönne». Lasse» wir ilm; „wie ma» sich bettet, so schläft man," halte ihm eittst sei» seliger Vater z»ger»fe». So spielte er lange Zeit in kleine» Städte», wo ma» daS Theater gewöhnlich auf dem Ralhhaufe oder in einen, Gasthofe anischlug. Er galt hier freilich unter der Kunstbande als ein „alter Schauspieler", uud die jüngeren Genossen hatten eine Art Respekt vor ibn,. Aber weich' Elend. Die Gardcrobestücken waren öfters wahre Lnmpen, nnd wenn einmal ein Leineweber oder ein Pantoffelmacher ihren, Spiele Beifall zollte, fühlten sie sich höchst be lohnt. In einer Stadt, wo ein Gvmnajinm, fassen die Schüler auf den, ersten Platz nnd lachten über den alten Komödianten, der immer alte Väter nnd verwi,„werte Greise spielte. So spöttelte» Schüler über Eine», der einmal ans der Universität ein flotter Student gewesen, der eine „patente" Klinge schlug uud auf den, Fcchtboden der Erste war. Er, der Seuior einer Perbindnng mit den Kanonen nnd Lederhose«! Unter solchen Umständen nabte für den Getäuschten der Tag heran, den andere Bühnenkünstler immer als einen Ehrentag feiern, daö fünfnndzwanzigjährige Jubiläum seiner Küustlerlaufbahn. O, wunderbares Geschick! Man gab an jenen. Tage, gerade wie znm Hohn, Holtey's „Lorbeerbaum und Bettelstab". So lange nicht Hungerjahrc oder politische Ereignisse ihren verderbenden Einflnff ans die Kunst auSübcu, mag es'damit immer gehen. Aber so nahcte das Jahr 1847, wo an vielen Orten Tcntschlands der Scheffel Korn zehn bis zwölf Thaler kostete. Wer konnte da an Lnst und Heiterkeit denken? Die Schauspieler, selbst von grösseren Theatern, zerstreuten sich in alle Welt, es war eine allgemeine Völker wanderung, voran im Zuge Elend und Be drängnis;. Zu jener Zeit sahen wir den alten Schau spieler iu Hamburg, wo er au einer Seil tänzerbude den Sekretär, Kassirer und Aus rufer machte. Im Scilkänzcrkostüm, die ein gefallenen Wangen mit Zinnober geschminkt, stand er mit vor der Bude und ries: „Herein, meine Herrschaften! Immer herein, cs geht gleich los" sc. Während der Vorstellung mnsste er mit Stühle halten, über welche die Tänzer hin- wegsprangcn, Gewichte und Gläser zureichen, wobei der HanSwurst ihm nicht selten einen Schlag mit der Peitsche gab und ihn so znm Gelächter machte. Eilen wir über jene Tage hinweg, fliehen wir mit dem arme» Künstler, bei dem das bessm Gefühl noch nicht erloschen- Er entriß sich diese,» schreckliche» Geschäft, er ging wieder ans die Wanderung, wo er eine» alten Kollegen tras, der sich seiner erbarmte und ihn mit »ach dem Rhein »ahm. Hier, au einem grossen Theater, wurde er für das Fach der zweitem und dritten Väter cngagirt und ihn, nebenbei noch Verdienst durch Abschreibcn von Rollen und Noten verfprochcu. Versprochen, ja! Da aber brach ins Jahre 1848 i», Februar iu Frankreich die grofft-poli tische Bewegung a»S, welche sich wie ciu Stur,,, durch Deutschland wälzte und mit einen, Schlage Hankel nnd Künste zu lähmeu begann. Die Werkstätten der Künstler, die Hallen der Kauftenle, die Theater, sie standen leer, denn man spielte jetzt ans den, Welttheater Komödie, die ganze Völker erschütterte. Mit den. Glanz der Theaterkerzen verlosch für n„seren Schau spieler der letzte Scbimuier zur Erhaltung seiner Eristeuz; mit den. Fallen des Theater- vorhangeo war sein Bühiwnleben getrennt und abgeschlossen. — Mit einem seiner Kollegen ergriff er den Wauderstab. Das Lieisegeld er schwangen sie sich dadnrch, daff sie Abends in den Gastbänjern deklamirten, meist politische Gedichte, die sie hier und da von einem Wein reisenden empfingen. Dreissig Meilen von seiner Vaterstadt entfernt, wurde Karl krank und hatte kann, noch soviel Kraft, um an seine,, Brnder einen Brief zu schreiben, einen Bries, der die hülflose Lage in den schrecklichsten Farben schilderte. Die Geschwister legten eine Summe aus eigenen Mitteln zusammen, nnd nach Verlauf von mehreren Wochen kam der Schanjpieler in seiner Vaterstadt an, natürlich Abends in der Dunkelheit. Die Stiefeln abgerissen, den abgeschabten Nock bis oben an den Hals zn- geknöpft, nm den Mangel an Wäsche zn ver bergen. Eine wahre Jammergestalt; daö Haar ergraut; die Wangen bleich und eingefallen. Weiche Aussicht blieb ihm noch, wo war eiu ruhiges Asyl sür den Liest eines verfehlten Lebeno? Jin Hospital. Richard erhob die ans Zinsen gegebenen fünfhundert Thaler uud traf Anstalt, den letzten Willen des Vaters in's Werk zu setzen, der, ciu zweiter Nathau der Weise, dies- Alles vor einem Vierteljahrbnndert vvrausgesehen. Anfänglich wollte man dem Bittsteller den Eintritt in daö Hospital verweigern, weil er erst sünfzig Jahre alt. Als der Direktor aber in der Person desselben einen lebensmatten Greis sah — in ihm einen Univcrsitätsfrcnnd erkannte, da wurde ihn, daö Gesuch gcwäbrt. So wurde er denn unter die Hospitalitcn ausgenommen. Abgestreift das Theater mit seinen goldenen Ftitterkronen, mit seinem hohlen Tand. Nichts, nichts blieb ihm, als die Er innerung. Als der Inspektor ihn empfing, zeigte er ihn, zwei Zimmerchcn, welche leer geworden waren. „Hier sind zwei, ich werde Ihnen hier das Helle Eckzimmer einräumen mit der hübschen Aussicht, das andere ist etwas finster und liegt nach Biitternacht." Als Karl dasselbe betrat und einen Blick aus dem Fenster geworfen, trat er still zurück und sprach: „Herr Inspektor! Dank für Ihre Güte, aber nein! — Nicht in dies Quartier; geben Sie mir daS andere Zimmer, das nach Mitternacht." Warum? Die Aussicht aus der erste» Stube sührtc „ach den, Kirchhof. Gar nicht weit davon, zwischen den zwei Pappeln, war ein Grab mit weiße», Gitter. Unter diesen, Hügel, an den. Orte, wo sür die Ewigkeit gesäet wird, da lag die Hülle seines guten Vaterö, der einst sprach: „Ein alter Schauspieler, ein alter Bettler!"