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Lloyd George bleibt der alte Einkreisung Deutschlands, Weihrauch für Moskau London, 4. April. In der Unterhausaussprache ergriff am späten Montagabend n. a. auch noch Lloyd George das Wort. Die Ausführungen des alten liberalistischen Politikers, dessen verhängnisvolle Rolle bei der Ausarbei tung des Versailler Diktats im deutschen Volk noch unver gessen ist, gipfelten in einer widerwärtigen Beweihräuche rung der Lowsetunion, auf deren Mitwirkung das demo kratische England bei seiner Einkreisungspvlitik gegen Deutschland offenbar nicht verzichten will und kann. Auch Lloyd George hieß die neue Politik des Ministerpräsidenten außerordentlich will kommen. Chamberlain habe die Erklärung abgegeben, er sei überzeugt, daß Hitler nicht länger mehr eine Politik gegen die Ungerechtigkeiten der Verträge verfolge, sondern nach der Weltherrschaft strebe. Es dürfe aber nicht dabei bleiben, daß nur die Politik der britischen Regierung ge ändert werde, sondern es müßten auch die Mittel geprüft werden, um ihre Durchführung zu erzwingen. Der Mini sterpräsident habe, so stellte Lloyd George mißbilligend lest, Sowjetrußland als eine Angelegenheit behan delt, in der man die Opposition beschwichtigen müßte, an statt als eine militärische Angelegenheit von erstklassiger Bedeutung. Wenn Hitler in Polen einmarschiere, um es zu annektieren, wie er das mit der Tschecho-Slowakei gemacht habe (!), würden Frankreich und Großbritannien marschieren. Aber wohin, mit welchen Streitkräften und wie? Wenn morgen der Krieg erklärt wurde, würde England ni cht ein einziges Batail lon n a ch Polen schicken können. Frankreich würde bvr Befestigungen stehen, die gewaltiger seien als die Hindenburg-Linie, die zu nehmen man vier Jahve gebraucht habe. Die polnische Armee sei vielleicht halb so groß wie die deutsche. Die Polen seien ein tapferes Volk; aber der spanische Krieg und der chinesische Krieg hätten gezeigt, daß keine Tapferkeit und keine Ausbildung -einem über wältigenden Artilleriesener und einem fürchterlichen Bom bardement aus der Luft widerstehen könnten. Die Aus rüstung der polnischen Armee lasse sich mit der deutschen nicht vergleichen. Es werde gesagt, Deutschland könne nicht auf zwei Fronten kämpfen. Er frage das Unterhaus, >oas würde mit Polen geschehen, während England Deutsch land blockiere, wenn es auf eine solche Blockade viel besser borbereitet sei als 1914, und die Franzosen die deutschen Westbefestignngen zu durchbrechen versuchten? Eine zwei fache und dreifache Allianz sei daher nicht genug. Die Politik der britischen Regierung, so fuhr Lloyd bikvrgc fort, beruhe aus vier Voraussetzungen, die alle falsch seien. Die erste bestehe darin, daß Mussolini sich als untreu erweisen würde. Wenn das flicht richtig sei, würde man auch mit der italieni schen Armee zu rechnen haben, die doppelt so gut ltt wie 1915. Er sei fest überzeugt, daß Mussolini nicht Sozialdemokratische Verluste bei den dänischen Reichstagswahlen Erfolge der dänischen Nationalsozialisten Kopenhagen, 4. April. Die am Alon tag durchgeführten Neuwahlen zum dänischen Reichstag haben das erwartete Ergebnis einer leichten Veränderung des Ttärkeverhältnisses im Folketing gebracht. Die Regie rungskoalition aus Sozialdemokraten und Radikalen hat die Mehrheit behalten, aber das Verhältnis der Zahl ihrer Mandate zu denen der Opposition, das früher 82:67 war, stellt sich nunmehr auf 78:69. Während die Radikalen die bisherigen 14 Sitze be halten, haben die Sozialdemokraten, 4 von den früheren 68 Mandaten verloren. Der Stimmenrückgang, den die dänische sozialdemokratische Partei — wie es heißt zum erstenmal in ihrer Geschichte — erlitt, beträgt nicht weniger als 81600. Am bemerkenswertesten ist, daß die dänische Na tionalsozialistische Arbeiterpartei, die bis her im Parlament nicht vertreten war, drei Mandate eroberte. Ihre Stimmenzahl stieg von rund 16 000 im Jahre l935 auf jetzt fast 31000. untreu werden würde, denn ein Krieg dieser Art würde ihm die Gelegenheit geben, zn handeln, während Frank reich mit Deutschland beschäftigt sei. Die zweite Annahme sei, daß General Franco seine Alliierten betrügen würde, die allein seinen Sieg in Spanien möglich gemacht hätten. Die dritte Annahme bestehe darin, daß das Mittelmeer für Großbritannien vffenbleiben würde, wie im letzten Irieg. Die vierte und letzte Annahme sei die, daß Sowjetrnßlaud sich früher oder später am Kriege beteiligen würde. Wenn Polen in Schwierigkeiten mit Deutschland gerate, würde es den Engländern unmöglich sein, dieses Land zu erreichen, und Pm<» müsse sich dann ans Sowjetrußland verlassen. Wenn die Regierung daher zum Kriege gegen Deutschland ohne die Hilfe Sowjetrußlands schreite, dann laufe' Groß britannien in eine Falle. Sowjetrußland sei das einzige Land, das eine größere Luftflotte besitze. Die britische Luftwaffe rec^c wohl zu Verteidigungszwecken aus, aber sie komme der deutschen nicht gleich. Auch 1914 habe man keine ideologischen Skrupel gegen Ruß land gehabt. » Lloyd George erging sich dann in stundenlagen Lobes hymnen auf die sowjetrussische Armee und verlangte schließ lieh, daß die Negierung zu ihren Worten stehe. * Die Besprechungen zwischen den Lust- sahrtministern Englands und Frankreichs London, 4. April. Bei den Unterhaltungen des franzö sischen Luftfahrtministers Guy la Chambre mit dem eng lischen Luftfahrtminister Sir Kingsley Wood wurden am Dienstag, wie verlautet, auch die für den Fall der Ent sendung einer englischen Expeditions- armeeauf das Fe st land notwendigen Vorkehrungen besprochen. Ferner sollen die beiden Luftfahrtminister übereinge kommen sein, Spezialbautypen der britischen bzw. der fran zösischen Flugzeugindustrie untereinander auszutauschen, um die Anpassung der beiden Rüstungsindustrien zu fördern. Ein amtliches Kommunique London, 4. April. Zu dem Londoner Besuch des franzö sischen Luftfahrtministers gab das britische Luftfahrtmini sterium am Dienstagabend folgendes Kommunique heraus: Im Laufe des Tages haben zwischen Luftfahrtminister Sir Kingsley Wood und dem französischen Luftfahrtmini ster Guy la Chambre, der Montag abend in Begleitung technischer Ratgeber aus Paris eintraf, Besprechungen statt gefunden. Die Besprechungen erstreckten sich auf ein weites Gebiet, das nicht nur die Förderung der Erzeugung von Flugzeuggestellen, Flugzeugmotoren und Flugzeugzubehör betraf, sondern auch der englisch-französischen Zusammen arbeit bei zukünftigen Plänen Rechnung trug." Die Verteilung der Mandate Kopenhagen, 4. April. Von den 149 Sitzen des Folke ting erhalten nach den Endergebnissen der gestrigen Wahlen die Sozialdemokraten 64 (68), die Venstre 30 (28), die Kon servativen 26 (26), die Radikalen 14 (14), die Bauernpartei 4 (5), die Nationalsozialisten 3 (0), die Kommunisten 3 (2), die Rechtsstaatspartei 3 (4), die Schleswigsche Par tei 1 (1). Der 149. Abgeordnete, der Vertreter der Färöer, wird erst am 19. April gewählt. — Von den insgesamt ab gegebenen rund 1699 000 Stimmen erhielten die Sozial demokraten 728 561. und die Radikalen 161195, also die Regierungskoalition zusammen 889 756, die Opposition der neun anderen Gruppen einschließlich der Schleswigschen Partei, die nur 7 Mandate erhielt, 809 640 Stimmen. Die Gesamtzahl der d e u t s ch e n S t i m m e n in Nord schleswig hat sich von 12 617 auf 15 006 erhöht. * Tiso fährt nach Berlin. Auf Einladung der deutschen Reichsregierung begaben sich am Dienstagabend der slowa kische Ministerpräsident Dr. Tiso und der slowakische Außen minister Dr Durcansky zu Beratungen über laufende poli tische Angelegenheiten nach Berlin. M lNochvruct verboien.i „Ach, Unsinn! Nein — schrecklich lieb von Ihnen! Aber so meine ich vas nicht... Es ist nur komisch, aus was für sonderbare Wünsche man kommt, wenn man viel Schönes gesehen — aber glauben Sie, daß ich nach alldem Sehnsucht hätte? Nicht ein bißchen! Das ist mir >n Gedanken viel zu anstrengend. Aber an die blödsin nigsten Dinge muß ich immer denken ... Meine Großmutter balle in ihrem Glasschrank eine Art von Blumcnvascn, die kämen nur zu Ostern aüs den Tisch — dann taten wir blaue Leberblümchen hinein und die kleinen Weißen Wald- anemon'en und die ersten Himmelsschlüssel von den Wiesen. Scheußliche Dinger waren das — Sie würden lachen, wenn Sie sie sähen! Leere Eierschalen, mit ausgezacktem Rand, mnen mit Goldbronze ausgepinselt und drei vergoldete Bohnen als. Füßchen angeklebt. So dünn und zerbrech lich sie waren, sie hielten ewig. Und ich bewunderte sie so, wenn sie im Glasschrank standen und durfte nie damit Wielen. Ob meine Großmutter mich jetzt wohl für ver nünftiger und vorsichtig genug hielte, daß ich sie anfassen dürste?" „Ich weiß nicht", sagt Mara lächelnd. „Mütter lernen selten, daß ihre Kinder erwachsen sind; Großmütter nie." „Und dann Zimtwasfeln —!" Lia lächelt mit halb geschlossenen Augen vor sich hin. „Ich weiß gar nicht, ob ich sie essen möchte, aber ich möchte noch ein einziges Mal riechen, wenn sie gebacken werden. Ueberhaupt: Ge rüche —! Manchmal habe ich förmliche Geruchshalluzina tionen... Wissen Sie, wie das riecht, wenn Fische ge räuchert werden? Das gibt es hier auch nicht; das ist ganz anders, als wenn im Laden eine Bücklingstiste aus gemacht wird... Oder der Geruch, wenn im Frühjahr die Boole instandgesetzt werden .. ." „Der Geruch nach frischer Farbe — ja, das habe ich auch so gern!" „Farbe? Ja, danach riecht es am Fluß auch, wenn sie die Boote lackieren. Aber außerdem muß es nach Teer und Tran riechen, nach Seetang und nach Salz wasser ... Ach, so ein Geruch — das muß eigentlich doch sehr gesund sein.. " „Sicher!" sagt Mara, obgleich sie denkt, daß ein Auf- enthalt in zweitausend Meter Höhe oder in Aegypten viel leicht das einzige wäre, was für Lia noch gesund sein könnte. „Ein Mensch, der in so gesunder, kräftiger Luft lebt, keine Aufregungen und keine Sorge hat und nicht viel Arbeit, der kann doch mit Leichtigkeit fünfundsiebzig Jahre werden — oder auch achtzig... Meinen Sie nicht?" „Ja, natürlich!" Mara hat nicht den Mut, ihr dabei in die Augen zu fehen; sie sieht aus die wächserne Stirn, aus der schlicht und steil das saft schwarze Haar aussteigt. Handbreit darüber setzt das rostrote Gelock ein; es sieht aus wie eine Pelzmütze, die aus dem dunklen, glatten Haar sitzt. „Ja, mein Haar..." Lia streift lächelnd mit der Hand darüber, als sie den Blick fühlt. „Eigentlich paßt vas dunkle Haar viel besser zu meinem Gesicht — finden Sie nicht? Ich wollte es schon längst gern wieder so haben; ich habe mich nur vor dem Uebergang gefürchtet, das sieht so scheußlich aus. Wenn ich jetzt aufstehe, dann laß ich es mir kurz schneiden; dann sehe ich wieder aus wie früher." „Ja, es steht Ihnen sehr gut!" nickt Mara und sieht auf die eingesunkenen Schläfen, in denen die blauen Adern pulsen. „Lassen Sie es ruhig dunkel bleiben, bis es von selbst hell wird! Weitzes Haar wird auch Sie gut kleiden, wenn Sie erst fünfundsiebzig sind — oder achtzig .. ." „Ach — ich doch nicht!" Lia tut diese Möglichkeit mit einer verächtlichen Handbewegung ab. „Ich dachte nur —: Ob meine Großmutter wohl noch lebt? Ich weiß nicht einmal genau, wie alt sie ist... . Ich habe so ewig lange nichts von ihr gehört; früher habe ich ihr noch jedesmal geschrieben, wenn ich umgezogen bin — drei-, viermal im Jahr... Sie wissen ja, wie das geht... Aber so alte Leute schreiben nicht gern. Und wenn sie wirklich einmal schrieb, dann waren es immer Ermahnungen und Straf predigten; daraus legte ich keinen großen Wert... Und was sollte ich ihr schließlich schreiben? Von meinen inter essanten Reisen durste sie nichts wissen, und von Berlin wollte sie nichts hören... Wissen Sie: Wenn man so lange auseinander ist, dann verliert man vollkommen den Maßstab, was solche alten Leute in ihrem Nest da richtig finden und was nicht... Ich habe ihr einmal irgend etwas geschrieben - von einem Fest, glaube ich — ich dachte, es würde ihr Spaß machen. Ich sand es aus gesucht harmlos, und habe ein Bild mitgeschickt, so eine Aufnahme im Kostüm, für meine Begriffe sehr bekleidet... Na, und da bekam ich eine furchtbare Predigt zu hören Aus aller Welt * Minister Ramos vom Führer empfangen. Der Füh rer empfing am Dienstag in der neuen Reichskanzlei den als Vertreter seiner Regierung zur Eröffnung der portu giesischen Buchausstellung in Berlin anwesenden früheren portugiesischen Kultusminister Prof. Ramos, der vom por tugiesischen Gesandten da Veiga-Simoes und dem deutschen Gesandten in Lissabon von Hoyningen-Huene begleitet war. Bei dieser Gelegenheit überreichte Minister Ramos dem Führer die in Silber gebundene deutsche Ausgabe der portugiesischen Heldendichtung „Due Lusiaden", die der Führer mit Worten herzlichen Dankes entgegennahm. * Dienststellen der Reichsleitung der NSDAP, vom K. bis 1V. April geschlossen. Wie der Reichsschatzmeister der NSDAP, in der NSK. bekanntgibt, bleiben die Aemter der Reichsleitung der NSDAP, vom Donnerstag, dein 6. April, 13 Uhr, bis einschließlich Montag, den 10. April, geschlossen. Die Diensträume im Geschäftsbereich des Reichsschatzmeisters sind für den allgemeinen Parteieu- verkehr in der Zeit vom 5. bis einschließlich 15. April 1939 geschlossen. * Neugestaltung Stettins. In einem Erlaß über die städtebaulichen Maßnahmen in der Stadt Stettin" hat der Führer angeordnet, daß die von ihm bestimmten beson deren städtebaulichen Maßnahmen in Stettin durchgeführt werden. Der Gauleiter des Gaues Pommern der NSDAP., Pg. Franz Schwede-Koburg, wird durch den Erlaß beauf tragt, die in 8 1 Abs. 2 und 8 3 des Gesetzes für die Neu gestaltung deutscher Städte vom 4. Oktober 1937 erwähn ten Maßnahmen zu treffen. * Großfeuer zerstört eine Seilfabrik. Einem Grvßfeuer fiel am Montagabend die Seilerei der Zweigniederlassung Hersseld der Vereinigten Jute-Spinnereien und -Webereien Hamburg zum Opfer. Das leicht brennbare Material be günstigte die Ausbreitung des Feuers, so daß in kurzer Zeit sämtliche Fabrikräume ausbrannten. Die Umfassungs mauern sind zum Teil eingestürzt. Die Feuerwehr mußte sich auf den Schutz der durch Funkenflug bedrohten nahe liegenden Wohnhäuser beschränken. Die Ursache des Bran des konnte bisher noch nicht geklärt werden. * Verzweigte Kommunisteuorganisatio» i» Saloniki aufgedeckt. Der Polizei in Athen gelang es, in Svlvuiki eine weitverzweigte große kommunistische Organisation auf zudecken, die selbst unter Post- und Telegraphenboamteu Anhänger hatte. Wie immer, waren auch in diesem Fall Juden die Hauptdrahtzieher der Organisation, befanden sich doch unter den zahlreichen Verhafteten allein 37 Ju den. Die Polizei hob zwei geheime Druckereien ans und beschlagnahmte Tausende von zersetzenden Zeitungen und Zeitschriften. * „Blitzstreik" mit fadenscheiniger Begründung. Im belgischen Bcrgwerksgebiet sind zahlreiche Belegschaften iu den Ausstand getreten. Sie beklagen sich angeblich darüber, daß die den vertraglichen Abmachungen entsprechende Lohn kürzung um 2,5 v. H. von den Grubenbesitzern „nicht recht zeitig angekündigt" worden sei. Es sind Verhandlungen für die Beilegung des Streiks eingeleitet worden. Auch das belgische Kabinett beschäftigte sich in seiner Dienstagssitzung mit dem „Blitzstreik" im Bergwerksgebiet. * Verurteilte Titzstreiker. In Philadelphia wurde jetzt ein aufsehenerregendes Gerichtsurteil gegen eine Ge werkschaft gefällt. Nachdem das Oberbundesgericht in Wa shington die Sitzstreiks für gesetzwidrig erklärt hatte, klagte eine Strumpswarensabrik auf Schadensersatz, den^ sie durch einen siebenwöchigen Sitzstreik im Jahre 1937 erlitten hatte. Die Fabrik bezifferte ihren Schaden auf 237 000 Dollar. Die Gewerkschaft, die den Streik angezettelt hatte, wurde jetzt zur dreifache» Schadensersatzleistung auf Grund des einschlägigen Antitrustgesetzes verurteilt. Die Gewerk schaft muß demnach 711000 Dollar zahlen. * Chinesischen Banditen entrissen! Ter Millionär und Vorsitzende der Britischen Handelskammer in Tientsin, H. F. Dyott, der am 17. März von drei chinesischen Ban diten entführt worden war, wurde am Montag 3 Kilometer von Siaochan entfernt (30 Kilometer südwestlich von Taku) von einem japanischen Detachement aus der Gefangenschaft befreit. Die japanischen Behörden hatten mit Erfolg die chinesischen Banditen aufgespürt, die für die Freilassung Dyvtts ein Lösegeld von 300000 Duan forderten. und einen strengen Fragebogen, in wessen Gesellschaft ich einen Maskenball besucht hätte, doch Wohl hoffentlich nicht allein? Na, und ich hatte keine Lust, zu lügen, und die Wahrheit schreiben konnte ich doch nicht... Stellen Sie sich vor: Ein erwachsenes Mädel, das nur in Gesellschaft einer älteren Dame oder eines gesetzten Ehepaares ein Fest besuchen darf! Wenn ich versucht hätte, ihr das zu erklären, hätte sie wieder über das Sündenbabel gewet tert .. Ich habe überhaupt nicht mehr geantwortet. Und seitdem bin ich wieder zehnmal umgezogen und Weitz gar nicht, ob die alte Frau noch lebt..." „Schreiben Sie ihr doch jetzt einmal!" schlägt Mara vor. „Es ist ja nicht anzunehmen, datz sie ebensooft um gezogen ist." „Ach nein: Wenn man sie nicht schon nach dem Kirch hof getragen hat, sitzt sie immer noch aus demselben Fleck... In Gedanken habe ich schon hundert Briefe an sie aufgesetzt — aber was soll ich ihr eigentlich schreiben? Ich wollte nur mal hören, ob sie noch lebt? Dann denkt sie, ich warte auf die Erbschaft." „Schreiben Sie doch einfach, datz Sie krank sind und so viel an Ihre Kindheit zurückdenken — und Sie möchten gern hören, wie's bei ihr und in dem alten Haus aussähe: ob die Eierschalen noch am Leben wären — und sie sollr ein paar Skabiosen und Zimtwaffeln schicken..." „Ach, Maralein, liebstes, bestes: Tun Sie mir einen Gefallen und schreiben Sie ihr! Sie können das viel besser als ich. Ich gebe Ihnen die Adresse... Und, wissen Sie, machen Sie's ruhig ein bitzchen schlimmer als es ist! Schreiben Sie .schwerkrank' oder wenigstens .ernstlich krank'- I" * In Frau Voßhardts Hausordnung ist schon wieder eine Veränderung eingetreten. Sie hat ihr eigenes Zimmer vermietet, an einen kahlköpfigen, freundlichen, sächsisch redenden Herrn, der ihr von einem früheren Mieter empfohlen worden ist und der nur für kurze Zeit bleiben will. In den schweren Zeiten muh man jeden Verdienst mitnehmen, und also hat sie sich in der Mädchenkammer einquartiert, und Lottchen schläft auf dem Diwan in dem nie benutzten Speise- und Durchgangszimmer. (Fortsetzung folgt.)