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Die Landlagswahlen im Reiche. Die preußischen Landtagswahlen und die anderen Parlamentserneuerungen, auf die man allgemein, auch im Ausland mit größten Erwartungen geblickt hatte, sind beendet. Der Wahlkampf war äußerst erbittert, denn von beiden Seiten wurde namentlich um die Sch lüss elstellung Preußen mit großer Energie gerungen. Glaubt man doch, von dort aus die Leitung und damit die Geschicke im Reich wesentlich beeinflussen zu können. Der Wahltag ist überall ruhig verlaufen, doch sind in der Nacht zum Sonntag in einzelnen Städten recht bedauerliche Zusammenstöße zu verzeichne«. Haben die Wahlen nun das gebracht, was man von ihnen erwartete? Nämlich eine klare Entscheidung über die politische Gestaltung in Preußen und in wei terer Auswirkung auch im Reiche. Das scheint nicht der Fall zu sein, wenigstens muß man noch ab warten, wie sich der Wahlausfall auf die preußische und die Reichsregierung auswirken wird. Eine absolute Mehrheit hat keine der beiden Hauptrichtungen er halten und die Mitte, die hier ausgleichen könnte, ist fast ganz z u s a mm e n g e s ch m o lz e n. Die Bildung einer Regierung dürfte also aus recht erhebliche Schwierig keiten stoßen. Nach den bisherigen Aufrechnungen haben NSDAP., DVP. und DNVP. zusammen 192 Sitze er halten; der Landtag hat also keine Rechtsmehrheit. Die Weimarer Koalition hätte zusammen nur noch 165 Sitze, hat also ihre bisherige Mehrheit ver loren. Von den kleineren Parteien erhalten Landvolk, Wirtschaftspartei, Junge Rechte und Christlich-Soziale voraussichtlich keinen Sitz. Bei dieser Aufrechnung ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Frage, welche Sitze die kleinen Parteien erhalten, an Hand der Listenverbin dungen noch genau nachgeprüft werden muß.) Man nimmt nun an, daß im Hinblick auf dieses für die preußische Regierung nicht günstige Ergebnis das Kabinett Braun sein Amt nieder legen, aber vorläufig die Geschäfte weiterführen wird. Wie sich dann die Lage weiter entwickeln wird, ist wie gesagt, noch sehr schwer vorauszusagen, jedenfalls werden die inner politischen Kämpfe in den Ländern nun erst recht anheben. Denn ähnlich wie in Preußen sind die Mehrheits verhältnisse auch in den anderen Ländern, überall starkes Anwachsen der Nationalsozialisten und Verschwinden der Mitte, während das Zentrum meist seinen Besitzstand ge halten und die Sozialdemokratie beträchtliche Verluste er litten hat. Eine klare Rechtsmehrheit hat sich in An halt dadurch ergeben, daß die Deutschnationalen um 50 Prozent zugenommen haben und die Nationalsozialisten ihre Stimmen, wie üblich, verdoppeln konnten. Die Linke wird mit Einschluß des Zentrums und der beiden mar xistischen Parteien mit 17 Stimmen gegenüber 20 Stim men einer Rechtskoalition unterliegen. In H a mb ur g hat die neue Wahl keine entscheidende Veränderung gebracht. Die vorhergehenden Bürgerschafts Wahlen in Hamburg, die erst am 17. September 1931 statt fanden, hatten ein arbeitsunfähiges Parlament ergeben Die Regierungsparteien (Sozialdemokraten, Staatspartei und Vvlkspartei) hatten im September 1931 ihre Mehr heit verloren. Seitdem führt der Senat die Geschäfte des Freistaates weiter. Der gestrige Wahltag hat im großen und ganzen wieder dasselbe Ergebnis gebracht. Zwar sind die Nationalsozialisten von 43 auf 51 Sitze gestiegen, auf der anderen Seite aber haben die Deutschnationalen und auch die Deutsche Vvlkspartei zwei Mandate ver loren, während die Sozialdemokraten drei Sitze und die Staatspartei sogar vier Sitze gewonnen haben. Das Ergebnis -er Preutzenwahtt Nach -en bisher vorliegenden Meldungen stellt sich das Ergebnis der Landtagswahl in Preußen wie folgt dar: Landtagswahl 1032 Landtagswahl 1S28 Reichstagswahl 1830 Sozialdemokraten. . . 4674943 ( 93 Sitze) 5 465 000 <137) 4 989000 Zentrum 3374441 ( 67 , ) 2 738 000 < 71) 3158000 Staatspartei 332441 ( 2 , ) 840 000 < 21) 681000 Nationalsozialisten . . 8 «08 219 (162 , ) 553 000 ( 6) 3 968000 Deutschnationale . . . 1524936 ( 31 , ) 3 275 000 ( SS) 1969 000 Deutsche Volkspartei . 330825 ( 7 , ) 1 602 000 < 4«) 1004000 Wirtschastspartei. . . 191021 ( j . , ) 840 000 < 21) 803 000 Landvolk 176816 ( ! . ) 464 000 < 7) 579000 Nationale Front . . . 51801 ( — , r — -I— Christl.-Soz. Vd. . . . 255066 ( 2 , ) — (-) 509000 Kommunisten 2819602 ( 57 , ) 2 237 000 < 56) 3 141000 Auf die Volksrechtpartei entfielen 44 229 Stimmen (— Mandat), auf die übrigen Parteien rund 620 000 Stim men. Die Deutschhannoveraner erhalten 1 Mandat. Die Polnische Volkspartei hat auch dieses Mal keinen Sitz er halten. Bei den Vergleichszahlen von der Landtagswahl 1928 ist die Zahl der Mandate so angeführt, wie sie sich bei der Wahl selbst ergab. Später sind mehrfach Aenderungen eingetreten, so daß sich die Mandate beim Auseinandergehen des Landtages wie folgt verteilten: 137 Sozialdemokraten, 71 Zentrum, 22 Staatspartei, 9 Nationalsozialisten, 71 Deutschnationale, 40 Deutsche Volkspartei, 16 Wirtschaftspartei, 4 Christlich-Sozialer Volksdienst, 19 Deutsche Fraktion (Landvolk 12, Han noveraner 5 und Volksrecht 2), 48 Kommunisten, 13 Split tergruppen. Bei der R e i ch s p r ä s i d e n t e n w a h l am 13. März entfielen in Preußen auf Hindenburg 11019000, Hitler 6 832 000, Duesterberg 1820 000, Thälmann 3 280000 Stim men. Im zweiten Wahl gang am 10. April erhielten Hindenburg 11452 000, Hitler 8204 000 und Thälmann 2 442 000 Stimmen. Die Wahlen in den übrigen Ländern. Bayern. Bayrische Bolkspartei . 1272 074 i (1 045 963 1 175 074) Sozialdemokraten . . KV4K98 1 j 802 951 787 699) Bauernbund u. Staatsp. 253 260 i ( 490 875 350 97k) Deutschnationale . . . 127 963 1 s 306 649 75 052) Nationalsozialisten . . 1270 602 1 j 203115 K77 928) Kommunisten .... 259460 1 ( 125 842 225 719) Christl.-Soz. Volksdienst 42109 I j 43 867 66 722) Dtsch. Vp. u. Wirtschaftsp. «k »12 , ( 215 332 17k 661) SAP 13 452 < l - - ) Danach entfallen von den insgesamt zu wählenden 128 Abgeordneten auf die Kreiswahlvorschläge der Bayrischen Volkspartei 48, Sozialdemokraten 20, Bayrischer Bauern bund und Staatspartei 9, Deutschnationale 3, National sozialisten 43, Kommunisten 8. Württemberg. Sozialdemokraten . . . Zentrum Bauern u. Weingärtner. Deutsche Staatspartei . Deutsche Bolkspartei Kommunisten . . . . Deutschnationale . . . Christl.-Soz. Volksdienst Volksrechtspartei . . . Nationalsozialisten . . 20k 572 1 j 2K7100 280 000) 254 675 i ( 219 800 281 600) 133 645 1 j 202 500 178 400) 59K89 1 ( 113 200 135 400) 19 319 1 57 800 gem. Liste 116 644 i j 82 500 130 100) 53 410 i ( K4100 54 500) 52 352 1 ( 43 400 91400) ( 37100 28 900) 328 188 1 ( 20 300 128 700) Mandatsverteilung: Zentrum 7, Sozialdemo kraten 14, Demokraten 4, Deutschnationale Volksp. 3, Natio nalsozialisten 23, Kommunisten 7, Christl.-Soz. Volksdienst 3, Deutsche Volksp. 0, Bauern und Weingärtner 9. Anhalt. Sozialdemokraten . . . 75120 , ' 84 500 85 000) Deutschnationale . . . 12 807 < j 13 300 8 200) Landbund I s 27 700 12 900) Deutsche Volkspartei . 8194 I j 30 900 22 900) Kommunisten .... 20 414 < ' 15 000 23 700) Haus- und Grundbesitz . 6 368 « s 8 300 - ) Wirtschaftspartei . . . i j 6 800 9 500) Nationalsozialisten . . 89 602 l j 4100 44 000) Zentrum 2 630 < j 2 300 2 600) Staatspartei .... 3 227 < l - - ) Danach ergeben sich folgende Mandatsziffern: 18 Natio nalsozialisten, 2 Deutschnationale, 2 Volksp., 1 Haus- und Grundbesitz, 1 Staatsp., 1 Zentrum, 12 Sozialdemokraten, 3 Kommunisten. Von den in Klammern gesetzten Vergleichszahlen be deutet die erste die Stimmenzahl für die Landtagswahlen 1928 und die zweite diejenige für die Reichstagswahl 1930. Staat Hamburg. Die Vergleichsziffern in Klammern beziehen sich erstens auf die Reichstagswahl 1930 und zweitens aus die Bürger- schastswahl 1931. Sozialdemokraten . . . 22« 233 ( 241000 214 800) Nationalsozialisten . . 233 828 ( 114 700 202 800) Kommunisten .... 119477 ( 138300 1K8700) Staatspartei .... 84139 I ' 6410» 67 100) Deutschnationale . . . 32 344 , ' 31400 43 300) Deutsche Volkspartei . 23 805 , l 69100 36 900) Wirtschaftspartei . . 4 880 < j 16 900 11 400) Christl.-Soz. Voltsdienst 7 729 < j 12 000 10 800) Zentrum 10 019 s j 11000 10 800) SAP. 2 200 , l — - ) Mandatsverteilung: Sozialdemokraten 49, (46), Deutschnationale Volksp. 7 (9), Zentrum 2 (2), Kom munisten 2K (38), Deutsche Volksp. 5 (7), Wirtschaftsp. 1 (2), Staatspartei 18 (14), Nationalsozialisten 81 (43), Christl.-Soz. 1 (2). Der Eindruck der Wahlen bei -er preußischen Staatsregierung. Berlin, 25. April. In Kreisen der preußischen Staats regierung wird unabhängig von der sonstigen Beurteilung des preußischen Wahlergebnisses mit großer Befrie digung festgestellt, daß die Oppositionsparteien die absolute Mehrheit nicht erreicht haben. Nach der nur kurze Zeit vor den Wahlen erfolgten Aende- rung der Geschäftsordnung des Preußischen Landtages sei daher das Verhalten der Regierung Braun gegenüber dem neuen Landtag bereits klar vorge zeichnet. Es sei eine Frage von nur untergeordneter Bedeutung, ob die Regierung Braun entsprechend den Gepflogenheiten formal zurücktreten wird oder nicht, denn in maßgebenden Kreisen der preußischen Staatsregierung wird kein Zweifel darüber gelassen, daß die Negierung Braun auf jeden Fall als geschästssühren- des Kabinett weiter amtieren will. Man hält es in diesen Kreisen auch für ausgeschlossen, daß die Kommu nisten etwa der Rechtsopposition zur Rückgängigmachung der Geschäftsordnungsänderung im Preußischen Landtag die Hand reichen werden. Zunächst wird noch der alte Landtag bis zum 19. M a i weiterbestehen. Die Regie rung Braun setzt ihre Hoffnung auf die Möglichkeit einer allmählichen Besserung der allgemeinen Wirtschaftslage und aus eine sich hieraus ergebende Verminderung der Arbeitslosigkeit. Das würde nach Ansicht eines maß gebenden Regierungsvertreters den radikalen Flügel- parteien im Laufe der Zeit ohnehin Abbruch tun. Gewinn und Verlust der Parteien. Auf Grund der bisher in Berlin vorliegenden Wahl ergebnisse in der Hauptsache aus Städten im Westen und dem äußersten Südosten Preußens läßt sich etwa folgendes Bild von der Entwicklung der Parteien geben, wenn man die am 24. April abgegebenen Stimmen mit den für die letzte Reichstagswahl am 14. September 1930 abgegebenen vergleicht. Die Nationalsozialisten haben in ganz Preußen gegenüber 1930 rund 70 v. H. im Durchschnitt gewonnen. Ebenso hat das Zentrum rund 5 v. H. Stimmen gewinnen können. Stellenweise hat das Zentrum allerdings auch verloren. Gehalten haben sich zum Teil auch mit schwachen Verlusten bisher die Deutschnationalen,' starke Verluste haben die Sozialdemokraten und die Kommunisten Wien, 25. April. Das Ergebnis der Wiener Wahle" ist nach der vorläufigen amtlichen Feststellung folgendes Es wurden abgegeben 1159 360 Stimmen, davon entsag len auf die Christlich-Sozialen 233 622, auf die Nations sozialisten 201365, auf die Großdeutschen 8858, auf Sozialdemokraten 682 323, auf die Kommunisten 20 8^ Den Sozialdemokraten fehlt in Wien ein Mandat an de> Zweidrittelmehrheit. In Niederöfterreich, wo die Christlich-Sozialen Mehrheit inne hatten, haben sie dieselbe verloren. Die bis her bekannten Ergebnisse derEemeinderatswahle' in Kärnten und in Steiermark lassen einen Eesaw - überblick noch nicht zu. Wie die „Reichspost" meldet, erleide' die Sozialdemokraten fast durchweg Ves' lüfte, zum kleineren Teil an die Kommunisten, zum wen aus größeren aber an die Nationalsozialisten. Besonders' Obersteiermark seien die Verluste der Sozialdemokrat^ groß. Die Nationalsozialisten gewannen auf Kosten be Sozialdemokraten, der Landbündler und der Eroßdeutsap überall stark an Boden. In Kärnten verloren die Sozias demokraten in Stadt und Land im Durchschnitt 10 bis - v. H. ihrer Stimmen. Besonders groß scheinen die Verlw in der von ihnen bisher verwalteten Stadt Villach zu Hier ist die Zunahme der Nationalsozialisten besonde stark und beträgt 2400 Stimmen. Wie von anderer gemeldet wird, gewinnen die Nationalsozialisten in Kur ten rund 300 Eemeinderatsmandate. Die Wahlen in Österreich. Wien, 24. April. Vorläufiges Endergebnis der Land tagswahlen in Niederösterreich: Es erhielten: Christlieb soziale 28 (30) Mandate, Sozialdemokraten 20 (21), Na tionalsozialisten 8 (0), Großdeutsche 0 (5), Landbund 0 0" Kommunisten 0. aufzuweisen, die beide je 15 v. H. ihrer Stimmen ver loren haben. Außerordentlich schwer sind die Ver luste der Volkspartei, die im Durchschnitt etwa 50 v. H. ihrer Stimmen verloren hat. Am größten sind die Verluste der Wirtschaftspartei und des Landvolks, die etwa 80 v. H. ihrer Stimmen gegenüber der letzten Reichs tagswahl verloren haben. Die Verluste der Staats part ei schwanken zwischen 60 und 80 v. H. Wie weit dieses Bild berichtigt werden muß, wenn weitere Ergeb nisse vorliegen, ist abzuwarten. Wm MW VOmMW in MU Zwei Todesopfer. Berlin» 24. April. Nachdem es in der Reichshauptstadt in der Nacht zum Wahlsonntag schon vielfach zu kleineren Zusammenstößen zwischen politischen Gegnern gekommen war, forderte der Wahltag am frühen Morgen bereits ein Todesopfer. 2m Siidwesten Berlins in der Möckern straße wurde gegen 4.30 Uhr der 22jährige Kaufmann Udo Curth, ein Angehöriger der Nationalsozial i stischen Partei, von Kommunisten überfallen und durch einen Schuß in die Schläfe getötet. Vier Kommunisten wurden als mutmaßliche Täter verhaftet. Als im Lauft des Sonntagvormittags die Ermordung des jungen Natio nalsozialisten im Südwesten Berlins bekannt wurde, wur den in der dortigen Gegend vielfach die Hakenkreuzfahnen mit einem Trauerflor versehen. Ob es sich Lei einem zwei ten Fall auch um einen politischen Mord handelt, bedarf noch der Aufklärung. In einem Garten am Bahndamm i" Steglitz wurde gegen 5 Uhr dieLeichedesArchitek- ten Hugo Freeck aus Charlottenburg gefunden. Freeü ist wahrscheinlich nach voraufgegangenem Kampf Uber einen Isst, Meter hohen Drahtzaun geworfen worden. Am Hohen- zollernplatz wurden gegen 6 Uhr früh Nationalsozia listen von mehreren Kommunisten ange griffen und durch Messerstiche und Stockschläge verletzt Die Zahl der in den letzten 24 Stunden bei der politische" Polizei eingelieserten Personen beträgt etwa 200. Die Po lizei löste unter anderem auch eine GeheimversammlM linksradikaler Elemente in einem Keller der Friedrich-Karl- Straße auf und nahm dort neun Personen fest. Wahlunruhcn in Bernau. — Zahlreiche Verletzte. Berlin, 24. April. Zwischen Nationalsozialisten wft Kommunisten kam es heute m Bernau vor den Wahl lokalen und aus dem Marktplatz zu schweren Zusammen flößen, in deren Verlauf es mehr als 20 Verletzte gah darunter zwei durch Messerstiche. Die Polizei nahm die Rädelsführer fest. Blutige Stratzenkämpfe in Herford. — Zehn Verletzte. Herford, 24. April. In der Nacht zum Sonntag kam es zu blutigen Straßenkämpfen, die zum Teil beängstigendes Ausmaß annahmen. Nationalsozialisten, Reichsbannerleute und Kommunisten waren miteinander im Kampf. Die Geg ner streuten sich Pfeffer in die Augen, hieben mit Stahl ruten aufeinander ein. Der Kampf zog sich bis in die frühe" Morgenstunden hin. Insgesamt wurden zehn Verletzte ge zählt.