Volltext Seite (XML)
Tragischer Abschluß der Rheinlandseiern Drückeneinsturz in Koblenz. — Aber 50 Tote. Wieder durcheilt eine furchtbare Unglückskunde die Lande und wirkt um so erschütternder, als sie mitten in den Festjubel der Vefreiungsfeiern am Rhein und die erhebenden Tage des Hindenburg-Besuches in der wiedergewonnenen deutschen Provinz jählings hinein- schrillt. In Freude und Festesstimmung pilgern Tau sende von Menschen hinaus, um mitzufeiern, wo es eine Schicksalswende des Vaterlandes zu begrüßen gilt, da greift der Tod mit kalter Faust hinein in die fröhliche Menge und holt sich eine Anzahl heraus. Wieviel? Noch ist es nicht zweifelsfrei festgestellt, Wer ist es? Auch das ist noch nicht restlos zu ermitteln gewesen. Wer weiß, ob nicht noch immer unbekannte Menschen dort auf dem kühlen Grunde der Mosel liegen, die man noch nicht auffinden konnte. Die Sorge und Trauer der Hinterbliebenen ist bei solcher Ungewißheit besonders groß und schmerzlich. Mit herzlichem Mitgefühl denken wir der auf so tragische Weise aus Heller Freude ins Tal der Schatten abberufenen Volksgenossen und derer, die sich in Gram und Trauer um sie verzehren. Ueber das Unglück liegen bisher folgende Meldun gen vor: Koblenz. 23. Juli. Die Befreiungsfeier anläß lich des Hindenburg-Besuches in Koblenz fand einen sehr tragischen Abschluß. Als die Menschenmassen vom Neuendorfer Eck nach dem Vorort Koblenz-Lützel zurück- strömten. brach eine Brücke, die über den Floßsicherheits- hafen führte, zusammen. Etwa hundert Menschen, die sich auf der Brücke befanden, stürzten ins Wasser. Gel lende Hilferufe und Todesschreie klangen weithin in die Dunkelheit, wo eben noch Begeisterung und Freude über die großartige Beleuchtung geherrscht hatten. Sofort eilten Feuerwehr, Schutzpolizei und hilfsbereite Bürger hinzu und stellten fest, daß eine größere Zahl der ins Wasser gefallenen Personen bereits das Ufer erreicht hatte. Sofort angestellte Rettungsversuche führten da zu, daß eine weitere größere Zahl aus dem Wasser ge zogen werden konnte. Bei den Rettunqsarbeiten wurde» bis jetzt zwölf Tote geborgen. Die Rettunqsarbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Immer mehr Tote. Koblenz, 23. Juli. Das tragische Unglück, das sich gestern abend im Vorort Koblenz-Lützel beim Einsturz der Brücke über den Floßsicherheitshafen ereignete, hat sich als folgenschwerer herausgestellt, als ursprünglich angenommen wurde. Wie schon berichtet, wurden so wohl von der Schutzpolizei als auch von der Feuerwehr energische Rettungsarbeiten ausgenommen, die von Schiffern mit Kühnen und Motorbooten unterstützt wer den. Im Fackelschein, der grausig über der Unfallstelle leuchtet, wird mit Schlepphaken und Flaschenzügen nach Vermißten gesucht. Gegen 1 Uhr waren 22 Tote aus dem Wasser geborgen. Diese Zahl ist aber noch kein ab schließendes Ergebnis. Die Nettungs- und Bergungs arbeiten werden, da noch eine große Anzahl Vermißten anzeigen vorliegen, ohne baß Anhaltspunkte für den Verbleib der Vermißten gegeben werden konnten, «ort- gesetzt. Um 1,30 Uhr waren die Rettungsarbeiten so weit fortgeschritten, daß 34 Todesopfer geborgen waren. Die Arbeiten werden weiter fortgesetzt, da man befürch ten muß, daß auch diese Zahl noch nicht endgültig sämt liche Opfer erfaßt. Um Mitternacht eilten der Oberbürgermeister von Koblenz sowie der Polizeipräsident an die Unfallstelle, um sich persönlich von dein Stand der Rettuugsarbeiten zu überzeugen. Feuerwehr und Sanitätskolonnen waren stundenlang eifrigst mit Wiederbelebungsversuchen be schäftigt, die aber leider zu keinem Erfolg geführt haben. An der Unfallstelle spielten sich herzzcrrei- ß e n d e S z e » e » ab , da zahlreiche Einwohner des Vorortes Lützel nach Vermißten suchen und ihre Ange hörigen als Todesopfer wiedererkenncn, die in langer Reihe vorläufig am Nheinufex gebettet sind. Die Stadt ist von dem tragischen Ausgang der Befreiungsfeier aufs tiefste erschüttert und der Jubel, der im Laufe des Tages geherrscht hat, ist gewichen und an seine Stelle Trauer und Entsetzen sowie Mitgefühl für die Hinterbliebenen getreten. Verschiedentlich sind schon die Fahnen, die aus Anlaß des Hindenburg-Besuches zahlreich gehißt waren, auf halbmast gesetzt worden. Der Polizeipräsi dent, der ursprünglich mit Rücksicht auf die Befreiung?- kundgebung die Polizeistunde vollkommen aufgehoben hatte, hat die Gaststätten sofort schließen lassen. 35 Tote geborgen. Koblenz, 23. Juli. Wie die Feuerwehr mitteilt, sind bis 2,45 Uhr 35 Tote geborgen worden, die zur Turnhalle der ehemaligen Telegraphenkaserne überge führt wurden. Die eingestürzte Brücke war eine leicht gebaute Eisenbriicke, die nicht dem öffentlichen Verkehr diente. Trauerfeier in Anwesenheit Hindenburgs. Koblenz, 23. Juli. Das furchtbare Unglück in Koblenz, das der Befreiungsfeier einen so tragischen Abschluß gab, ist das größte, das bisher jemals die Stadt Koblenz be troffen hat. Von den 38 Leichen, die bisher geborgen wor den sind, hielt sich ein Teil fest umklammert und konnte nur mit Mühe voneinander getrennt werden. Die Leichen, die zuerst auf den grünen Uferrasen gebettet worden waren, wurden beim Morgengrauen nach der Falken steinkaserne gebracht. Nach den bisherigen Feststellungen sind etwa 25 Personen bei dem Brücken einsturz verletzt worden, davon mußten sechs mit Schädel-, Knochen- und Beinbrüchen ins Krankenhaus ge schafft werden. Von der Sanitätskolonne und der Feuer wehr wurden an 30 Personen mit Erfolg Wie derbelebungsversuche durchgeführt. Es werden noch eine ganze Reihe von Personen vermißt, u. a. befanden sich auf der Brücke eine große Anzahl Mäd chen eines in der Röhe von Koblenz gelegenen Mädchen pensionats, von denen bisher vier als Leichen geborgen wurden. Die Leiterin des Pensionats traf heute morgen im kraftwagen in Koblenz ein und teilte mit, daß noch weitere fünf Zöglinge vermißt werden. Man nimmt an, daß sich die Leichen dieser fünf Mädchen noch unter der umgestürzten Brücke befinden. Koblenz, das aus Anlaß des hindenburgbesuches in Jubel und Begeisterung entflammt war, ist heute mit Schmerz und Trauer erfüllt. Aller Schmuck ist von den Häusern abgenommen worden und die Fahnen sind ein gezogen oder auf Halbmast gesetzt. Reichspräsident von Hindenburg zeigte sich aufs tiefste erschüttert, als ihm die Kunde von dem Anglück überbracht wurde. Trauerfeier im Rathaus zu Koblenz. Koblenz, 23. Juli. Um 11 Uhr vormittags fand im Rathaus der Stadt Koblenz eine erhebende Trauerfeier statt, an der der Reichspräsident, die anwesenden Reichs und Staatsminister und die Spitzen der Behörden teil nahmen. Oberbürgermeister Dr. Russell sprach im Namen der Stadtverordnetenversammlung den schwergeprüften Familien das Beileid aus. Zum Zeichen der Trauer läute- ter um diese Stunde in Koblenz alle Kirchenglocken. Erschütterung und Trauer in Trier und Aachen. Trier, 23. Juli. Heute früh war bereits die gesamte Bürgerschaft auf den Beinen, da die Aufstellung der Schulen und Vereine in den Straßen und auf der neuen Sportplatzanlage bereits um 8 Uhr beendet sein sollte. Er schüttert nahmen die Tausende die furchtbare Nachricht von dem Unglück in Koblenz und der aus diesem Grunde erfolgten Absage des Reichspräsidenten auf. Auch die in Sonderzügen aus dem ganzen Trierer Land in den ersten Morgenstunden eintreffenden Leute nahmen den tragischen Abschluß der Rheinlandbefreiungsfahrt mit tiefstem Be dauern auf. Viele Kraftwagen aus dem Saargebiet von der Mosel sowie aus der Eifel, die bereits in Trier ein getroffen waren, mußten nun unverrichteter Sache wieder nach Hause zurückkehren. Ein Sonderzug Saarbrücken- Trier konnte rechtzeitig in Saarbrücken zurückgehalten werden. In Trier, das sich bereits zum festlichen Emp fang des Neichsoberhauptes geschmückt hatte, wurden sämt liche Fahnen an den Privathäusern eingezogen, die Flag gen auf den öffentlichen Gebäuden wehten halbmast. Die gleiche Erschütterung unter der Bevölkerung herrscht auch in Aachen, das ebenfalls alle Vorbereitungen zum wür digen Empfang des Reichspräsidenten getroffen hatte Die Bergungsarbeiten. Koblenz, 23. Juli. Bei den Bergungsarbeiten nach dem mitternächtlichen Einsturzunglück sind bisher 38 Leichen geborgen worden. Unterden Trümmern der Brücke sollen noch einige Tote — man rechnet mit vier oder fünf — liegen. 16 Personen sind verletzt. Bei dem Polizeipräsidium in Koblenz laufen fort gesetzt Vermißte» insldunqen ein. Ein großer Teil der Toten stammt von außerhalb Ko blenz. So befinden sich darunter zehn Damen aus einem Pensionat in Rheinbrohl. Bei der eingestürzten Brücke handelt es sich um eine Brücke, die über eine etwa 25 Meter breite Hafenein fahrt von der Mosel in den sogen. Floßsicherheitshafen führt. Als die Festbeleuchtung gegen 23 Uhr m Ende war, strömte eine mehrere Tausend Köpfe zählende Menschenmenge von dem dem Deutschen Eck gegenüber liegenden Ufer auf diese Brücke zu. die dem Men sch e n a n d r a n g jedoch n i ch t g e w a ch s e n war. Die Brücke ruhte auf zwei Pontons, auf denen ic zwei Pfeiler angebracht waren, über die sich der Bohlenbe lag von einem Ufer zum anderen erstreckte Dadurch daß die Brücke eine einseitige Belastung erfuhr, senkte sie sich nach Westen. Als der Menschenandrang sich noch mehr verstärkte, stürzte die Brücke vollends um. Schätzungsweise sind 120 bis 150 Mensche» ins Wasser gefallen, von denen allerdings die meisten sich selber retten konn ten. Die Brücke, die abseits des Hauptverkehrs lag hatte keine Beleuchtung aufzuweiscn, so daß eine allgemeine Verwirrung und entsetzliche Panik entstanden. Die Hilfeschreie waren weithin in der Nacht zu hören und wurden selbst auf dem gegenüberliegenden Ufer des Rheins und der Mosel vernommen. Die Feuerwehr war innerhalb acht Minuten zur Stolle. Zu gleicher Zeit erschien auch ein größeres Polizerciufgebot. Die Tech nische Nothilfe stellte sich ebenfalls sofort zur Verfügung, sowie eine große Anzahl von Fischern, die in Kähnen und Motorbooten an die Unfallstelle eilten. Zunächst wurden etwa 50 Menschen gerettet, die mit dem Tode rangen. Die Böschungen an den Ufern sind steil, so daß auch diejenigen, die schwimmen konnten, in große Ge fahr kamen. Nach Rettung der im Wasser treibenden Menschen wurde sofort mit der Suche nach den Versun kenen begonnen. Bei den Verunglückten handelt es sich vorwiegend um junge Mädchen im Alter von 18 bis 20 Jahren und um Frauen. Vereinzelt sind auch Kinder und männ liche Erwachsene unter den Todesopfern. Es war noch nicht möglich, alle Leichen zu rekognoszieren, da bei ver schiedenen Mädchen und Frauen Ausweispapiere fehlen. In der Nacht weilten nicht nur der Oberbürger meister von Koblenz, sondern auch der Oberpräsident der Rheinprovinz an der Unglücksstätte. Am Morgen erschien Ministerpräsident Braun an der Unglücksstelle, um sich von dem Fortgang der Bergungsarbeiten zu überzeugen. Bis zur Stunde sind Feuerwehr und Schutz polizei noch mit den Bergungsarbeiten beschäftigt, ohne daß es gelang, die umgestürzte Brücke zu heben und die unter dieser noch vermuteten Todesopfer zu bergen. Hin gegen werden zahlreiche . Kleidungsstücke, Handtaschen usw. aus dem Wasser gezogen. Die Reise des Reichspräsidenten nach Trier und Aachen abgesagt. Trier, 23. Juli. Reichspräsident v. Hindenburg, dem heute morgen das schwere Einfturzunglück bei Ko blenz-Lützel mitqeteilt wurde, hat daraufhin seine Reise nach Trier abgesagt. Er erklärte, daß er den Besuch in diese» beiden rheinischen Städten zu gegebener Zeit nach holen werde. Der Oberbürgermeister von Trier ließ heute.mm gen in den Straßen der Stadt folgende Mitteilung an die Trierer Bürgerschaft verteilen: „Nach den abendlichen Feierlichkeiten zu Ehren des Herrn Reichspräsidenten v. Hindenburg stürzte in Ko blenz gestern abend gegen 23 Uhr ein Brückensteg zu sammen. der mit Menschen besetzt war. Bisher sind 35 Tote geborgen. Wegen dieses entsetzlichen Unglücks, das die Schwesterstadt Koblenz und viele ihrer Familien be troffen hat, hat der Herr Reichspräsident v. Hindenburg den heutigen Besuch in Trier und Aachen abgesagt. Die Bürgerschaft wird gebeten, die Fahnen an den Häusern einzuziehen. Die öffentlichen Gebäude mögen als Zei chen der herzlichen Mittrauer ihre Flaggen auf halb mast setzen." 52 Tote geborgen. Berlin, 23. Juli. Wie der Oberpräsident der Rhein provinz mitteilt, sind bis 12 Uhr mittags 5 2 Tote geborgen worden. Der Reichspräsident hat zur Linde rung der ersten Not sofort 10 000 RM. zur Verfügung gestellt. Die geplante Reise des Reichspräsidenten nach Trier und Aachen soll im Herbst nachgeholt werden. Neueste Nachrichten. Umbildung des spanische» Kabinetts im Herbst. Paris, 24. Juli. Der spanische Finanzminister hatte eine längere Unterredung mit dem König, die sich ins besondere auf die Lage der Peseta bezog. Nach dem Ver lassen des Schlosses erklärte er, daß ihn der König ge beten habe, von seinem Vorhaben, seinen Posten zur Verfügung zu stellen, vorläufig abzufehen. Der König habe darauf hingewiesen, daß im Oktober eine Um bildung des Kabinetts vorgsnommen werde. Ein französischer Frachtdampfer durch Feuer zerstört. Paris, 24. Juli. In Hafen von Marseille kam am Dienstag an Bord des französischen Frachtdampfers „Calonne", der am Freitag nach Madagaskar in See gehen sollte, ein Feuer zum Ausbruch, das sich Mit rasender Geschwindigkeit auf das ganze Schiff ausdehnte. Der Dampfer hatte über 30 Tonnen Kohlenstoff ge laden, der in die Luft flog. Den ganzen Nachmittag folgte eine Explosion auf die andere. Das ganze Schiß wurde zerstört. Der Schaden konnte noch nicht an nähernd abgeschützt werden, soll aber sehr hoch sein. Der Kanlpf der französischen Arbeiterschaft gegen die Sozialversicherung. Paris, 23. Juli. Die durch die Einführung der So zialversicherung in der französischen Arbeiterschaft hel vorgerufene Unzufriedenheit dehnt sich aus immer wei tere Betriebe aus. Nachdem in Lille bereits über 10 000 Arbeiter die Arbeit niedergelegt haben, haben sich nun mehr auch diejenigen der Textilindustrie von Rouen entschlossen, in den Streik zu treten. Im Lause des gestrigen Tages haben bereits über 6000 Arbeiter die Fabriken verlassen und am heutigen Mittwoch wird es zu einem Generalstreik in allen Industrieunternehmun gen kommen. Weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit in England. London, 23. Juli. Die Zahl der Arbeitslosen be trug in der am 14. Juli beendeten Woche 1 939 900, also um 6446 mehr als in der Vorwoche und um 803 236 mehr als in der gleichen Woche des vergangenen Jahres. Einberufung einer Sondertagung des ägyptischen Parlaments abgelehnt. London, 23. Juli. König Fuad hat das Gesuch der Wafd-Partei, eine Sondertagung des Parlaments ein zuberufen, in Uebereinstimmung mit der Empfehlung des Ministerpräsidenten Sidky Pascha abgelehnt. Außer den Unruhen in Port Said ist es am Dienstag auch zu vereinzelten Zusammenstößen in Alexandrien gekommen. Die Gesamtzahl der Toten betrügt drei, die der Verwundeten ist nicht genau bekannt. Der japanische Oberste Kriegsrat für Annahme des Flottenvertrages. London, 24. Juli. Der japanische Oberste Kriegs rat stimmte in einer Sitzung am Dienstag dem Wort laut der Empfehlungen an den japanischen Kaiser über den Londoner Flottenvertrag zu. Wie verlautet, kom men die Empfehlungen zu dem Ergebnis, daß der Lon doner Flottenvertrag, vom Standpunkt der japanischen Verteidigung aus gesehen, zwar gewisse Fehler auswcist, da der Vertrag aber verhältnismäßig kurfristig ge halten ist, werden die Fehler nicht als ausreichend an gesehen, um dem Kaiser die Ablehnung des gesamten Vertragswerks zu empfehlen.