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Der neue sächsischeLandtag. Deutschnat. Volkspartei 5 (bisher 8) Abg. Sächsisches Landvolk 5 ( „ S) „ Wirtschaftspartei 10 ( „ 11) ,, Deutsche Volkspartei 8 ( „ 1») „ Demokraten 3 ( „ O „ Volksrechtpartei 2 ( „ S) , Zentrum — ( „ -) „ Die Sieger im Wahlkampf sind zweifellos die Nationalsozialisten, die ihre Stimmen zahl rundweg verdrei facht haben, ein Erfolg, den sie wohl selbst kaum erwartet hätten. Sie haben sich bei der Mithilfe zur Landtagsauflösung als gute Psychologen erwiesen und , die Volksstimmung richtig beurteilt, die durch die katastrophalen Verhältnisse im Reich, wo ein Finanz- Minister nach dem anderen an der allzu schweren Auf gabe scheitert, völlig zermürbt war. Aber auch die Zu stände im sächsischen Landtag selbst, der sich in monats langen- Kabinetts- und Ministerpräsidentenkrisen ge fiel, mögen mit dazu beigetragen haben, daß der Wähler für eine radikale Richtung reif geworden ist. Daher der Gewinn der N a t i o n a l s o z i a l i st e n , der K o m - m u n i st e n und der Volksnationale nR ei chs- v e r e i n i g u n g, die ja auch neue reformistische Ziele verspricht. Die Sehnsucht, aus den immer schlimmer werdenden parlamentarischen Zuständen herauszukom men, hat diesmal den Wahlen ihr Gepräge gegeben. Freilich, ob dieses Ziel nun durch den Wahlaus gang wirklich erreicht ist, erscheint zweifelhaft. In der Dresdner Presse ist man in dieser Hinsicht recht pessi mistisch. Die „Dresdner Nachrichten" überschreiben ihre Wahlbetrachtung mit „Ein totes Rennen" und der „Dresdner Anzeiger" schreibt: „Andere Zahlen, aber die gleichen Schwierigkeiten." Und in der Tat kann man bis jetzt nicht sehen, wie eine parlamentarische Re gierung aussehen wird. Aber der Ausgang der Wahlen sollte besonders an die alten Parteien die Mahnung enthalten, mit dem starren Parlamentarismus nicht gar so engherzig zu verfahren. Die alte Prinzipienreiterei und den üblen Kuhhandel um Ministersitze hat der Wähler ganz gründlich satt. Und wehe dem Landtag, wenn er wieder an dieser Krankheit zugrunde ginge! Aber auch den Siegern im Streite möge die Warnung eingedenk bleiben, daß sie das Vertrauen, das man in sie setzte, auch rechtfertigen und sich ihrer großen Ver antwortung bewußt sind. Als zweitstürkste Partei tritt die nationalsoziali stische in den neuen Landtag ein, und doch hat sie noch nicht die Hälfte der Sitze, die die Sozialdemokratie er halten konnte. Auch die Kommunisten konnten mit einem Sitz Verstärkung abschließen. Das so oft betonte Ziel der Nationalsozialisten, die marxistischen Parteien zu schwächen, ist also nicht er reicht worden. Das wird sich bei der neuen Regie rungsbildung recht stark bemerkbar machen. Zn ganz Sachsen 1. Sozialdemokratische Partei. ....... 871 327 (1929: 922 932) 2. Deutsche Volkspartei 227 391 (1929 : 363 382) 3. Kommunistische Partei 355552 (1929 : 345 530) 4. Wirtschaftspakte; und Zentrum . .276 702 (1929: 330 344) 5. Deutschnationale Volkspartei 124 300 (1929 : 218 309) Volksnationale 2 ( „ -) Abg. Christlich-Soziale 2 ( „ -) „ Nationalsozialisten 14 ( „ 5) Abg. Altsozialdemokraten — ( „ 2) „ Sozialdemokraten 32 ( „ 33) „ Kommunisten 13 ( „ 12) „ Komm-Opposition — ( „ -) „ 6. Sächsisches Landvolks 120 497 (1929 : 140 611) 7. Nationalsozialisten 376 724 8. Demokratische Partei 83 671 (1929 : 115 289) 9. Volksrechtpartei 44 142 (1929 : 70 131) 10. Altsozialisten 19)197 (1929 : 39 568) 11. Volksnationale .... 39^351 (1929 ohne Liste) 12. Kommunistische Opposition 14 827 (1929 - ZZ 129) 13. Christlich-sozialer Volksdienst 57408 (1929 : ohne Liste) Wahlkreis Sres-en-Baußen. 1. Sozialdemokratische Partei Deutsch Muds 1929: 368814. 332319 2. Deutsche Volkspartei 1929: 129071 85389 3. Kommunistische Partei Deutschlands 1929: 93667. . 100811 4. Wirtschastspartei " 1989: 109641. 107258 5. Deutschnationale Volkspartei 1929: 91554. 50826 6. Landvolk .4929: 41868. 55038 7. Nationalsoz. Deutsche Arbeiterpartei (Hitler) 1929: 27773. 106068. 8. Demokraten 1929: 54503. 37667. 9. Volksrechtpartei 1929: 11330. 6837 10. Alte Sozialdemokratie Deutschlands 1929: 20531. 10055. 11. Kommunistische Partei (Opposition) 1929: 2783. 3768. 12. Volksnationale Reichsvereinigung 1929: (-) 30413. 13. Christlich-Sozialer Volksöienst 1929: (—) 13967. Wahlkreis Leipzig. 1. Sozialdemokratische Partei Deutschlands 1929: 258611. 257703. 2. Deutsche Volkspartei iqoa. «VUM 3. Kommunistische Partei Deutschlands 1929: 110743. 112725. '4. Wirtschaftspartei 1929: 69935. 67145. 5. Deutschnationale Volkspartei 1929: 45796. 28040. 6. Landvolk 1929: 38525. 36531. 7. Nationalsoz. Deutsche Arbeiterpartei (Hitler) 1929: 25901. 78556. 8. Demokraten 1929: 32609. 26779. 9. Volksrechtpartei 1929: 28510. 21093. 10. Alte Sozialdemokratie Deutschlands 1929: 7778. 3246. ' 11. Kommunistische Partei (Opposition) 1929: 7611. 4M- 12. Volksnationale Neichsvereinizung 1929: s—) 353«. 13. Christlich-Sozialer Volksdienst 1929: (-) 7118. Wahlkreis Lhemm'tz-Zwickau. 1. Sozialdemokratische Partei Deutschlands 1929: 295457. 281305- 2. Deutsche Volkspartei 1929: 118781. 53948. 3. Kommunistische Partei Deutschlands 1929: 141120. 142026. 4. Wirtschastspartei 1929: 125308. 102299. 5. Deutschnationale Volkspartei 1929: 80959. 45434 6. Landvolk 1929: 35593. 28928. 7. Nationalsoz. Deutsche Arbeiterpartei (Hitler) 1929. 71468. 192160- 8. Demokraten 1929: 28087. 19225- 9. Volkse Mpartei 1929: 30292. 16152. 10. Alte Sozialdemokratie Deutschlands 1929: 11259. 5896- 11. Kommunistische Partei (Opposition) 1929: 9898. 5400. 12. Volksnationake Reichsvereinigung IgZg. ( ) 13. Christlich-Sozialer Volksdienst 1929: (—) 36332. 6582. Die Lehre für das Reich. Parlamentarische Erledigung der Finanzgesetze ohne Finanzminister? Berlin, 22. Juni. Der Eindruck des Wahlergeb nisses in Sachsen ist im Reichstag außerordentlich groß. Die Regierung ist der Ansicht, daß der Reichstag aus den sächsischen Wahlen die Lehre ziehen müsse, eine Ver abschiedung der Decknngsvorlagen der Negierung mW möglichst bald und unter Vermeidung einer Reichstags auflösung erfolgen. Ein anderes Verhalten würde nach Ansicht maßgeblicher Regierungskreise nur neues Wasser auf die Mühlen der Nationalsozialisten und Kommu nisten leiten. Die Regierung will infolgedessen die Fi nanzgesetze dem Reichstag vorläufig in der bisherigen Form zuleiten, unabhängig davon, wer der Nachfolger Moldenhauers wird. Der Reichskanzler soll nach wie vor die Absicht haben, den bisherigen Wirtschafts minister Dietrich für den Posten des Reichsfinonz- ministers zu gewinnen Schwerer Zusammenstoß in Limbach. Limbach, 22. Juni. Anläßlich der Landtagswahlen veranstaltete die SPD. am Sonnabend abend in Limbach einen Propagandaumzug mit zirka 30 Lastkraftwagen Nachdem sie einige Straßen befahren hatten, machten sie vor dem Gasthause „Deutsches Haus", in dem sich das nationalsozialistische Parteibüro befindet, halt, und brach ten Schmäh- und Schimpfrufe aus, was zu Streitig ketten mit den dort anwesenden Nationalsozialisten und Stahlhelmern führte. In deren Verlauf zertrümmerten die Reichsbannerleute mit mitgebrachten Biergläsern die Fensterscheiben des Gasthauses, wodurch mehrere Per sonen verletzt wurden. Zwei Stahlhelmer wurden so schwer verletzt, daß sie nach dein Krankenhaus übergeführt werden mutzten. Erüna (Bez. Chemnitz), 22. Juni. Am Sonnabend abend in der 20. Stunde begegneten fünf Nationalsozia listen, die sich in Uniform zu einer Wahlversammlung be geben wollten, einem kommunistischen Lastwagenzug. Die Kommunisten sprangen von dem Magen, überfielen die Nationalsozialisten und schlugen sie mit Fahnenstöcken und Knüppeln nieder. Wer ist Den? Kriminalroman von Franz Roßdorf. u (Nachdruck verboten.) Erstes Kapitel. Inspektor Quincy. Kommissar Weiß, Chef einer Abteilung der Kriminal polizei, legte den Finger aus einen der vielen weißen Knöpfe auf seinem Schreibtisch und drückte. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und ein Beamter erschien. „Holen Sie mir Quincy!" gebot Weiß lakonisch und wandte sich sofort wieder seinem Schriftstück zu. Der Mann verschwand. Er lief einen langen, Hellen Gang hinunter, eine Treppe hinauf, wieder einen Gang entlang und erstieg eine weitere Treppe. Vor einer Tür, welche die Nummer zweihundertfünf zeigte, blieb er stehen und klopfte. „Herein!" rief eine heisere Stimme. Inspektor Quincy lag tief in einen Sessel vergraben, hatte eine Zeitung vor sich und rauchte eine schwere Zigarre. Er wendete noch nicht einmal den Kopf, als der Beamte eintrat. „Was gibt's, Richter?" fragte er. Seine Stimme klang immer ein wenig belegt, er hatte einen chronischen Rachenkatarrh, und obgleich ihm der Arzt das Rauchen verboten hatte, sah man ihn nie anders als mit einem Glimmstengel im Munde. „Der Kommissar wünscht Sie zu sprechen," knarrte Richter. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich und schloß geräuschlos die Tür. Quincy erhob sich langsam, räkelte sich, strich sorgsam die Asche von seiner Zigarre, schnitt dann das brennende Ende ab und steckte den Stummel in die Westentasche. Er war groß, wohlbeleibt, trug das Haar kurzgeschoren und einen kleinen schwarzen Schnurrbart. Sorgsam legte er seine Zeitung zusammen, sah sich noch einmal aufmerksam im Zimmer um und entschwand dann durch die Tür. „Hören Sie, Quincy," sagte Kommissar Weitz und bot ihm einen Stuhl an, „es ist da in den Bergen ein Unglück geschehen, das die Polizei in Birkwald in seinen Begleit umständen etwas sonderbar anmutet. Soviel ich durch das Telephon verstanden habe, ist ein Flugzeug abgestürzt. Gehen Sie mal hin und sehen Sie nach dem Rechten. Wenn es eine Sache ist, die uns interessiert, so übernehmen Sie den Fall. Das Auto und die Leute sind bereits be stellt. Fahren Sie sofort." „Nach Birkwald?" „Ja, erst dorthin. Wo die Unglücksstelle ist, habe ich nicht herausbekommen. Möglich, datz die Leute einen Posten an der Straße aufgestellt haben um Ihnen den Weg abzunehmen — ich meine, wenn die Geschichte in den Wäldern passiert sein sollte, wie ich verstanden habe." „Birkwald?" meinte Quincy, „ja. da kenne ich mich aus." Er strich sich über sein borstiges Haar. „Ich habe so eine Idee," meinte er sinnend Das Auto wartete bereits tm Hof »Ihre Ideen heben Sie sich für später auf," knurrte der Kommissar. Quincy seufzte. „Komisch," sagte er langsam. Er wollte noch etwas hinzusetzen, unterließ es aber lieber. Das Auto wartete bereits im Hof. Ein paar Herren standen daneben, sie stiegen ein, als Quincy erschien, und er selbst machte es sich bequem. Infolge des Umfanges Quincys sah sich der Polizeiphotograph genötigt, in die äußerste Ecke zu kriechen. Der Wagen setzte sich in Bewegung. In Wentheim stieg der Inspektor vor dem Polizei gebäude aus. Er ließ sich mit Birkwald verbinden. Das Gespräch dauerte nicht lange, aber es befriedigte ihn. Nach einer schier endlosen Strecke, die im schärfsten Tempo zurückgelegt wurde, stießeu sie aus einen Beamten, der ihnen winkte, anzuhalten Er nahm den Platz neben dem Führer ein und Inspektor Quincy unterhielt sich mit ihm. Das Auto hielt irgendwo mitten tn den Bergen. Sic stiegen aus und folgten dem führenden Beamten. Es ging durch hohe dunkle Tannenbestände, dichtes Gestrüpp und über steinige Abhänge. Nach einer Weile setzte der Führer seine Pfeife an dic Lippen Schrill zog das Signal durch den Wald. Bald daraus antwortete in der Ferne ein ähnliches Instrument und sie gingen dem Klange entgegen. „Da wären wir," stöhnte schwitzend der beleibte In spektor, als sie die kläglichen Reste des Flugzeuges durch die Stämme scheinen sahen. Zwei Männer traten hervor und gaben sich als Polizeibeamte zu erkennen. Quincy betrachtete nachdenklich die Stätte der Zer störung. Der Anblick, der sich ihm bot, wäre auch einem anderen auf die Nerven gegangen. Vor dem völlig zertrümmerten Flugzeug, das unheimlich und drohend am Stamm eines Baumes halb in der Luft hing, lag die verkrampfte und übel zugcrichtete Gestalt eines Menschen. Er mußte bereits seit Stunden tot sein. Quincy überschaute das alles mit dem schnellen Blick des geübten Kriminalisten und entdeckte mancherlei, was ihn seltsam berührte. „Haben Sie den Toten identifizieren können?" fragte er einen der Polizisten. „Er hat doch sicher Papiere bei sich gehabt?" Er nahm die Brieftasche, die ihm der Beamte reichte, zur Hand und durchsuchte sie. Die Papiere legte er nebeu sich und durchlas jedes einzelne sorgfältig. Seine Züge erhellten sich. „Dacht' ich's doch," brummte er. Er segnete den Reporter, der die Notiz in die Zeitung lanciert hatte, daß der bekannte Verleger Herr Johannes Strangert einen kurzen Flug nach Birkwald unternommen habe. Und der Tote hier war Strangert; daran war nicht z» zweifeln. „Machen Sie eine Aufnahme," gebot er dem Photo graphen, „von hier, von hier und von hier." (Fortsetzung folgt.)