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Wieder der Ozean überflogen. Wieder einmal sind aller Augen nach dem Ozean gerichtet, wo kühne Flieger ihren Weg von Europa nach Amerika nehmen. Und wieder sind es ganz ähn liche Verhältnisse, wie sie seinerzeit die „Bremen" an traf, deren Heldentat noch in frischer Erinnerung ist. Ganz wie die Deutschen haben seht die Flieger des „Kreuz des Südens" schwere Kümpfe mit Nebel und Unsichtigkeit zu bestehen und sind schliesslich gar nicht weit von der Landungsstelle der „Bremen" ebenfalls zu einer Notlandung gezwungen worden. Ueber den wage mutigen Flug liegen gestern und heute folgende Nach richten vor: Berlin, 24. Juni. An Bord des Flugzeuges „Kreuz des Südens", das heute früh in Irland zum Ozeanslug gestartet ist, befinden sich neben dem Piloten Kingforth- Smith als zweiter Führer der holländische Flieger van Dyk, als Navigator der irische Hauptmann Saul und ferner noch ein Funker. Wie Smith erklärt, soll das Flugzeug „Kreuz des Südens" dem sogenannten nörd lichen großen Kreiskurs folgen, bis nach Kap Race, und von dort aus über das amerikanische Festland nach Neu- york fliegen. Smith äußerte sich vor dem Start sehr optimistisch über die Aussichten seines Unternehmens und erklärte: „Wir sind absolut sicher, daß unser Flug erfolgreich verlaufen wird." Die Besatzung des Flugzeuges führt eine Mittei lung des irischen Präsidenten Eosgrave an den Präsi denten Hoover mit sich und erhielt als Talisman von der Gattin des irischen Generalkonsuls ein goldenes vierblättriges Kleeblatt geschenkt. Um 7,10 Uhr er reichte das Flugzeug die offene See an der Westküste von Irland und überflog Galway. Zwanzig Minuten später fing die Mackey-Radiostation in Long-Island einen Funkspruch des Flugzeugs auf, der besagt: „Flug zeug wird von heftigen Luftströmungen stark hin und her geworfen. See sehr ruhig. An Bord alles wohl." Nach einer Funkmeldung befand sich das Flugzeug um 12 Uhr MEZ. auf 53,15 Nord und 16,57 West. Die Stundengeschwindigkeit betrügt etwa 150 Kilometer. 19,15 Uhr MEZ.: 50 Grad 30 Nord und 36 Grad West. Das Flugzeug hat dauernd Funkverbindung mit Halifax. In der Nühe von Neufundland wird es Ge witter, Regen und Nebel antreffen. Das „Kreuz des Südens" in Not. Ncuyork, 25. Juni. Nach dem letzten Funkspruch von Bord des „Kreuz des Südens" hofft Kingforth- Smith gegen 6 Uhr MEZ. die Küste von Neufundland zu erreichen. Das Flugzeug traf auf dichten Nebel. Die Fluggeschwindigkeit sei herabgemindert und die Besat zung völlig übermüdet. Die Funkstation arbeite nur schwach und über dem Ozean liege undurchdringlicher Nebel. London, 25. Juni. Der Leiter der Wetterstation rn Neuyork hat darauf hingewiesen, daß die Bedingun gen für den Flug über den Atlantik von Osten nach Westen niemals ungünstiger gewesen seien als dieser Tage. Das „Kreuz des Südens" werde zwischen Neu- yort und Neufundland außerordentlich ungünstige Ver- hültnisse zu überwinden haben. Die Winde seien stark genug, um das Flugzeug an der Erreichung seines Zieles 'Neuyork ohne vorherige Auffüllung des Benzinvorrates in der Luft zu verhindern oder zu einer 'Notlandung an der Küste des Staates Maine zu zwingen. In Port land im Staate Maine steht ein Flugzeug mit 200 Gal lonen Betriebsstoff bereit, um dem „Kreuz des Südens" zu einer Ergänzung des Betriebsstoffes in der Luft ent gegenzufliegen. Dieses Manöver hüll man allerdings ohne vorherige Uebung für sehr gefährlich. Ncnqmks Vorbereitungen für den Empfang des „Kreuz des Südens". Neuyork, 25. Juni. Die Stadtverwaltung von 'Neu york trifft sämtliche Vorbereitungen für einen glanz vollen Empfang Kingforth-Smiths. Von Rooseveltfield, wo das „Kreuz des Südens" landen soll, wird King- forth-Smith mit einem Flugzeug nach dem Neuyorker Hafen gebracht werden, von wo der Triumphzug nach dem Rathaus seinen Ausgang nehmen wird. Der eng lische Botschafter sowie Vertreter der amerikanischen Re gierung treffen heute morgen im Sonderflugzeug in Washington ein. Wie bekannt wird, hat Kingforth- Smith eine Einladung der Stadtverwaltung von Har bour-Grace auf Neufundland, dort zu landen, abgelehnt mit dem Hinweis, daß er nach Neuyork durchfliegen wolle. Den Ozean überflogen. Ncuyork, 24. Juni. Nach Meldungen aus St. Georgs aus Neufundland hat das „Krenz des Südens" um 7,15 Uhr MEZ. Cape Nace überflogen. Landung auf Neufundland oder Neuschottland? Neuyork, 25. Juni. Die Marinefunkstation Lha- thammaß hat einen Funkspruch von Kingforth-Smith non 9,45 Uhr MEZ. aufgefangen, wonach das Flugzeug sich in starkem Nebel befindet, dabei funktioniere der Kompaß nicht. Ferner sei der Brennstoffvorrat gering, so daß die Flieger wahrscheinlich auf Neufundland oder Ncuschottland werden landen müssen. Kingforth-Smith will bei Harbour Grace landen. Neuyork, 25. Juni. Nach Meldungen aus St. Johns auf Neufundland wurde dort ein Funkspruch von Kingforth-Smith aufgefangen, daß er bei Harbour Grace landen wolle. Er teilte weiter mit, daß er 2000 Liter Benzin und Oel benötige. Wie weiter gemeldet wird, hat das „Kreuz des Südens" die Robert-Bucht mit Richtung auf Harbour Grace überflogen. Notgelandet. Neuyork, 25. Juni. Das „Kreuz des Südens" ist gegen 12 Uhr MEZ. bei Harbour Grace notqelandet. „Graf Zeppelins" Heimkehr. ' Berlin, 24. Juni. Um 14,07 Uhr überflog „Graf Zeppelin" in geringer Höhe Eleiwitz und wenige Mi nuten später Hindenburg. Um 14,10 Uhr wurde das Luftschiff in der Nähe von Beuthen gesichtet, überflog die Stadt mit einer großen Schleife und entfernte sich dann in Richtung Breslau. Es erreichte Breslau um 15,45 Uhr und kreuzte längere Zeit in geringer Höhe über der Stadt. Kurz nach 16 Uhr erschien das Lust schiff über dem Flugplatz Gandau, wo ein Beutel mit Post abgeworfen wurde. Von Glogau kommend, überflog „Graf Zeppelin" um 17,34 Uhr Grünberg und nahm Kurs auf Frankfurt a. d. O. Nachdem „Graf Zeppelin" gegen 7 Uhr über Berlin sichtbar wurde und über der Reichshauptstadl ungefähr eine halbe Stunde kreuzte, landete er nach sei ner elfstündigen Schlesienfahrt punkt 7,30 Uhr glatt in Staaken. Um 9,35 Uhr stieg das Luftschiff unter den Klängen des Deutschlandliedes zu seinem nächtlichen Flug in den Heimathafen Friedrichshafen auf. Dr. Eckener hat die Führung des Schiffes selbst übernommen. 'Nach einer kurzen Schleife verschwand das Luftschiff in nördlicher Richtung, von den Zuschauern stürmisch verabschiedet. Glatt gelandet. Friedrichshafen, 25. Juni. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist um 6,40 Uhr von seiner Deutschkandreise nach Friedrichshafen zurückgekehrt. Die Landung er folgte um 7,06 Uhr glatt und ohne Zwischenfall. 7.20 Uhr war das Luftschiff in der Halle geborgen. DeMicher Reichstag. Berlin, 25. Juni. Der Präsident eröffnete die heutige Sitzung um 10 Uhr. Die zweite Beratung des Haushalts des E r n ä h r u n g s m i n i st c - riums wurde fortgesetzt. Ahg. Berndt (Dnatl.f for derte Maßnahmen gegen die Einfuhr von Molkerei produkten, die sich ein so verarmtes Volk nicht leisten könne. — Abg. Paßehl sSozZ trug Wünsche für die Ver teilung der Mittel für das Kleinfischereigerverbe vor. — Abg. Haag sDnatl.) verwies auf die übermäßige Einfuhr von ausländischem Obst und Gemüse, die durch besseren Schutz des einheimischen Anbaues abgedrossclt werden müsse. Des weiteren schilderte er die schwieri gen Absatzverhältnisse im deutschen Weinbau. — Dr. Wendhausen sChristl.-nat. BauernpZ erklärte, daß trotz der Hindcnburg-Votfchaft die erhoffte Besserung für dic Landwirtschaft nicht cingetreten sei. Allein an der Milch habe Ostpreußen Verluste, die höher seien, als die ge samte Osthilfe in diesem Jahre werde Ostpreußen geben können. Leider sei das Osthilfe-Gcsetz voller bürokrati scher Bestimmungen und Hemmnismöglichreiten. — Abg. Putz (Komm.) bestritt, daß allgemein von einer 'Not der Landwirtschaft gesprochen werden könne. In den Kreisen der Großbauern sei noch Geld genug vor handen. Vertreter des Evangelischen Neichs-Eltcrnbundes beim Rcichsinnemninister. Berlin, 25. Juni. Am Dienstag empfing der Rcichs- innenminister Dr. Wirth, wie er bereits in seiner Rede zum Haushaltplan angekündigt hatte, die Vertreter des Evangelischen Neichs-Elternbundes zu einer Aussprache über Schulfragen, insbesondere über den Stand des Reichsschulgesetzes. Nach einem allgemeinen Lagebericht brachten, wie der Evangelische Pressedienst meldet, die Vertreter der in einer besonderen Schulnot befindlichen Länder Thüringen, Sachsen und Braunschweig zum Ausdruck, daß sie die Schwierigkeit der gegenwärtigen Lage, in der sich Reich und Negierung befinden, schon zu würdigen wüßten, aber im Interesse des Ganzen auf schnelle Bereinigung der Verworrenheit und auf das Schulgesetz dringen müßten. Der Minister sagte dein Evang. Pressedienst zufolge zu, daß er, sobald dic äuße ren Voraussetzungen gegeben seien — spätestens in eini gen Monaten — die Vorarbeiten für Einbringun g eines N e i ch s s ch u l g e f e tz e s in Angriff nehmen werde. Eine französische Amnestie für das besetzte Gebiet? Mannheim, 25. Juni. Wie die T.-U. von besonderer ! Seite erfährt, bereitet der Oberkommandierende der ! französischen Rheinarmee eine Amnestie für die von den französischen Militärgerichten und den Militürpolizei- gerichten im besetzten Gebiete verurteilten deutschen Staatsangehörigen, die Strafen verbüßen oder noch zu verbüßen haben, vor. Die örtlichen französischen Dienst stellen der Besatzungsarmee werden beauftragt, dem Oberkommandierenden entsprechende Vorschläge vor- zulegen. Als Zeitpunkt der Amnestie wird der 30. Juni genannt, der Tag, an dem das Abwicklungskommande in Mainz nach Frankreich zurllckkehren wird. Ob diese Amnestie sämtliche verurteilten Deutschen umfassen wird, ist noch unbekannt, doch wird versichert, daß alle deutschen Staatsangehörigen, die gegenwärtig in deul schen Gefängnissen oder Strafanstalten büßen — es be finden sich auch Deutsche in französischen Strafanstalten — am Tage der Befreiung freigelassen werden sollen. Wer ist Ben? Kriminalroman von Franz Roßdorf. gz (Nachdruck verboten.) Zweites Kapitel. Die Nachricht. „Nein, Onkel," sagte Betti Strange«, „Papa ist noch nicht zurückgekehrt." Man konnte sie aus den ersten Blick durch ihre anmutige Schlankheit für einen Backfisch halten. Allein bei näherer Betrachtung sah man daß man eine Dame vor sich hatte. „Wollte er nicht schon gestern wieder zurück sein?" fragte Leo und fuhr sich mit dem Taschentuch über sein dickes Gesicht. Er war der Bruder des Verlegers, aber man konnte sich keinen größeren Gegensatz denken. Es war schwer, sie sich als Brüder vorzustellen. Johannes Stran ge« war ein gut gepflegter Mann in den besten Jahren, dem sein geistiger Beruf auf der Stirn geschrieben stand. Leo dagegen hatte ein dickes, rotes Gesicht und gab wenig auf sein Äußeres. Er trug sein Haar kurz geschoren, neigte zur Fülle und seine Kragen waren immer von einer sehr zweifelhaften Weiße. Er war Junggeselle und betrieb in der Marstallstratze ein Maklergeschäft. „Er wollte es," gab Betti zn, „aber wahrscheinlich ist er aufgehalten worden. Rolf Carstens muß wirklich ernst lich erkrankt sein, sonst hätte er wohl auch nicht so dringend um Papas Besuch gebeten. Es wäre schade, wenn wir ihn verlieren sollten. Er ist unser erfolgreichster Schrift steller und seine Bücher sind einfach herrlich. -Ich kann es verstehen, daß er das Leben eines Einsiedlers führt; es muß schön sein, die Geheimnisse der Natur zu belauschen. Weißt du auch, daß nicht einmal Papa wußte, wo er augenblicklich haust? Ein Führer, der ihn zur Hütte Carstens' irgendwo in den Bergen bringen sollte, sollte ihn in Birkwald erwarten." „Ich begreife es nicht," sagte Leo, „wie ein gebildeter Mann das Leben eines Halbwilden führen kann." „Oh!" begeisterte sich die träumerische Betti, „du sollst nur mal seine Bücher lesen, dann . ." Sie sah, wie ihr Onkel abwinkte. „Ach so, du hältst ja nichts vom Lesen." „Mein Beruf als Makler gestattet es mir nicht, daß ich mir den Kopf mit unnützen Flausen vollstopfe," sagte Leo mit Würde. „Ich hoffe, daß Johannes bald zurück sein wird, ich habe einiges mit ihm zu besprechen. Mit Zucker ist ein Bombengeschäft zu machen und ich möchte, daß er sich einen sicheren Gewinn nicht entgehen läßt" Er erhob sich, um sich zu verabschieden, dabei fiel sein Blick durch eins der Fenster. „Da kommt ja Harald!" sagte er und Betti erblickte nun auch die elegante Gestalt ihres Vetters, der allgemein als der Sohn Leos galt, in Wirklichkeit aber von diesem, da er sich zeitweilig sehr einsam fühlte, nur an Kindes Statt angenommen worden war. Harald, eine große, schlanke Erscheinung, trug sich im Gegensatz zu seinem Pflegevater übertrieben elegant. Seine Hautfarbe war vielleicht ein wenig zu bleich, aber er hatte große, tief schwarze Augen, die ganz nach seiner Gemütsstimmung träumerisch oder feurig blicken konnten. Wenn er ver ärgert war, glomm ein seltsames Licht in ihnen aus. Auch sein Haar war schwarz und lag glatt gebürstet um sein Haupt. Betti mußte daran denken, daß es ein heimlicher Wunsch ihres Onkels war, daß sie beide ein Paar werden sollten, und auch daran, daß ihr Vater von einer solchen Verbindung absolut nichts wissen wollte. Sie selbst war sich über ihre Gefühle Harald gegenüber nicht ganz im klaren. Manchmal mochte sie ihn ganz gern, ein andermal wieder fand sie ihn unausstehlich, besonders, was seine Geckenhaftigkeit anbetras Im allgemeinen hielt sie ihn für einen guten Freund und wenn ihr Vater es gewünscht hätte, würde sie wohl auch ohne weiteres eingewilligl haben, seine Frau zu werden. Sie hatte genügend Ein blicke in Ehen ihrer Gesellschaftskreise tun können, um dic kühle oder gleichgültige Einstellung von Mann und Frau als etwas Normales zu betrachten. Zwar stellte sie sich eine Ehe ganz anders vor und das Verhältnis ihrer ver storbenen Mutter zu ihrem Vater hatte ihr ein gutes Bei spiel gegeben, aber nötigenfalls hätte sie sich auch vamil abzufinden gewußt. Sie war bisher keinem Manne be gegnet, dem sie ein tieferes Interesse entgegengebracht hätte, obwohl es ihr an Bewerbern nicht fehlte. Nicht umsonst galt sie als eine der schönsten Damen Münchens Ihre Gestalt war von einer mädchenhaften Anmut; das kastanienbraune Haar lag lockig um ihr feines Gesicht und hatte einen Teint von seltener Zartheit. Ihre Augen blickten klar und eigenartig feucht schimmernd, ihr ganzes Wesen atmete eine köstliche, fast kindhafte Natürlichkeit „Wer ist denn der andere Herr neben Harald?" fragte sie. „Ja eben!" wunderte sich auch ihr Onkel. „Nanu!" staunte er gleich darauf, „Inspektor Quincy? Was will denn der hier?" Tie beiden Ankömmlinge verschwanden in der Haustür. „Kennst du ihn?" fragte Betti. „Ja. Er ist ein Polizeibeamter, der von gewissen Kreisen sehr gefürchtet wird. Da bin ich ja gespannt, was er will." „Ein Polizeibeamter," sagte Betti leise. Eine Plötz liche Unruhe bemächtigte sich ihrer und eine beklemmende Ahnung herannahcnden Unheils zog in ihr Herz. Es klopfte und gleich darauf trat Harald, gefolgt von dem dicken Inspektor, ein. Ihre feierlichen Gesichter sagten ihr alles. „Papa!" stotterte sie, „was ist mit Papa geschehen?" „Liebe Betti," sagte Harald und trat aus sie zu, „du mußt es zu tragen wissen." Ihre Augen wurden groß und starr, alle Farbe wich aus ihrem lieblichen Gesicht. „Ja," sagte Inspektor Quincy ungeschickt — er fühlte sich denkbar unbehaglich —, „er ist verunglückt. Tot." Ein Seufzer entrang sich Bettis Lippen. Sie schwankte und fiel nach vorn, aber Harald fing sie auf und stützte sie. „Fassung, Mädel, Fassung!" flüsterte er ihr zu, aber es war fraglich, ob sie ihn verstand Er geleitete sie zum Ruhebett, wo er sie sanft nicderließ (Fortsetzung folgt.)