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Moldenhauers Rücktritt bevorstehend Berlin, 18. Juni Wie zuverlässig verlautet, haben sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Neichsfinanzminister Dr. Moldenhauer und der Neichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei neuer dings außerordentlich verschärft. In parlamentarischen Kreisen hält man den Rücktritt Moldenhauers für un mittelbar bevorstehend. Als sein Nachfolger wird erneut der Wirtschafts mini st ex Dietrich genannt. Wie es heißt, haben eine Anzahl führender Volksparteiler heute morgen Moldenhauer erklärt, daß er zurücktreten müsse. Kabinettsentscheidung über Moldenhauers Rücktritt. Berlin, 18. Juni. Wie die TU. erfährt, wird die Entscheidung über den Rücktritt des Reichsfinanzmini sters Dr. Moldenhauer voraussichtlich in der morgigen Kabinettssitzung fallen, die auf Wunsch des Reichsfinanz ministers zu diesem Zwecke einberufen worden ist. Mol denhauer wird dem Kabinett die Bedenken vortragen, die gegen sein Verbleiben vom Parteiführer der Deutschen Volkspartei, Dr. Scholz, geäußert worden sind. Welche Entscheidung das Kabinett treffen wird, ist ungewiß. Bisher hat das Kabinett bekanntlich stets hinter Mol denhauer gestanden. Ob das auch diesmal der Fall sein wird, ist aber wohl angesichts der parlamentarischen Lage, die durch die Forderung der Volkspartei entstanden ist, zweifelhaft. Der Reichsfinanzminister über -ie Deckungsvorlagen. Berlin, 18. Juni. Die Reichsratsausschüsse be gannen heute die V e r a tu n g der Deckungsvor- lagen der Reichsregierung einschließlich des Gesetzes über die Reform der Arbeitslosenversicherung. Reichs finanzminister Dr. Moldenhauer erklärte zur Be gründung der Deckungsvorlagen, daß eine geordnete Finanzpolitik die Abdeckung des Fehlbetrages unbedingt erforderlich mache, wenn der deutsche Kredit nicht schwe ren Schaden erleiden solle. Eine Erhöhung der indirek ten Steuern sei nur in bescheidenem Maße möglich, weil eher Mindererträgnisse zu erwarten seien. Auch eine Neubelastung der Wirtschaft mit direkten Steuern sei unmöglich. Deshalb sei der Gedanke entstanden, d i e F e st b e s o l d e t e n zu einer Reichshi! fe her ¬ anzuziehen. Nur sehr schweren Herzens habe er sich zu diesem Entschluß durchgerungen. Die Neichshilfe sei nur ein Teil des großen Programms, dessen Endziel die Ueberwindung der schweren Wirtschaftskrise sei. Das Programm wolle auf der ganzen Linie zu einer spar samen Wirtschaft gelangen. Auf dem ganzen Gebiet der Produktion müsse eine Senkung der Löhne und Preise erreicht werden. Werde das Deckungsprogramm abgelehnt, so bleibe nur die Möglichkeit, entweder den Haushalt ungedeckt zu lassen oder zu produktionshem menden Steuern zu greifen. Bol MWIliM mit dm Mdm iiim die MMWNiW. Berlin, 18. Juni. Der Beschluß der Zentrumsfrak- j tion, die Entscheidung über die Dcckungsvorlage der j Regierung bis nach der Verabschiedung dieser Vorlage ! durch den Reichsrat zu vertagen, wird in politischen ' Kreisen als Zeichen dafür gewertet, daß dieEntschei- dung über das F i n a n z p r o g r a m m bis An fang nächster Woche vertagt wird. In der Zwischen zeit dürften die Verhandlungen zwischen den Parteien und der Negierung sowie zwischen der Neichsregierung und den Ländern fortgesetzt werden. Es wird vielfach angenommen, daß der Vor schlag der preußischen Regierung den Weg z u dem Kompromiß weist, den die Regierung benötigt, um eine ausreichende Mehrheit für ihr Deckunasprogramm zu bekommen. Ob dies der Fall sein wird, hängt jedoch davon ab, in welchem Umfange die Länder bereit sein werden, diesen Steuern zuzustimmen. Diese Frage ist zurzeit gänzlich offen und dürfte erst am Freitag und Sonnabend nach dem Wiederzusammentritt der Länder konferenz zu klären sein. Die anwesenden Minister der Länder in Berlin dürften dabei den Anlaß zu wichtigen Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und den Ländern geben. Im Reichstag geben sich die Parteien der Hoffnung hin, daß es gelingen werde, eine Reichstagsauflösung zu vermei den, jedoch sind Ueberraschungen möglich, da es von dem Ergebnis der sächsischen Wahlen am Sonntag abhängcn wird, welche endgültige Stellung die einzel nen Parteien zu der Deckungsvorlage der Regierung einnehmcn. Die heutige Reichstagssitzung. Berlin, 18. Juni. Der Präsident eröffnete die heutige Sitzung um 10 Uhr. Die Beratung des Haus halts des Reichsinnenministeriums wurde fortgesetzt. Abg. Moses sSoz.) besprach das Lübecker Kindersterben und verwies auf den Brief Professor Calmettes, wonach in Lübeck ein fürchterlicher Irrtum begangen worden sein muß. Das wissenschaftliche Urteil müsse man den Sach verständigen allein überlassen. Hier gelte es allein, die ethische, moralische und strafrechtliche Seite zu prüfen. Die Lübecker Affäre sei eine Müttertragödie ohne Ende. Es stehe fest, daß eine Prüfung des Schutzstoffes vor Ab gabe an die Säuglinge in Lübeck überhaupt nicht vor genommen worden ist und daß man das Reichsgesund- beitsamt erst achtzehn Tage nach dem Ausbruch des Kin- dcrsterbens benachrichtigt hat. Der verantwortliche Arzt Dr. Deycke habe damals alle noch in seinem Besitz be findlichen Kulturen vernichtet. Das sei die Vernichtung des wichtigsten Beweismittels sofort nach der Tat. Wenn trotzdem der Oberstaatsanwalt nicht eingegriffen habe, so werde das auf gewisse gesellschaftliche Beziehun gen zurückgeführt. Empörend sei die Art, wie die ärzt lichen Standesorganisationen die Lübecker Katastrophe totschweigen wollen. Die öffentlichen Heilanstalten soll ¬ ten dem Volke dienen, nicht der Experimentierwut kalt schnäuziger Forscher. Wer solche gefährlichen Experi mente liebt, möge sie am eigenen Körper machen. Abg. Runkel (D. Vp.) verlangt größeren Raum in der Verwaltung des Ministeriums für die Behänd lung der Kulturfragen. Ein Reichsschulgesetz sei bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Reichstags nicht möglich. Der jetzige Reichsminister wäre allerdings für die Durchführung eines solchen Gesetzes geeignet, da er im Gegensatz zur Zentrumsmehrheit Verständnis für liberale Gedanken habe. Zu dem Rededuell Frick-Wirth erklärte der Redner, daß diese Art homerischen Kampfes für das Parlament unerträglich sei. Damit würden keine Bausteine für die Reichseinheit geliefert. Der Redner forderte den Reichsinnenminister auf, seinen Einfluß aufzubieten, um die Büste der Nefretete und den Waffenschatz Deutschland zu erhalten. Abg. Dr. Strathmann (DntlZ forderte einen schärferen Schutz der ungestörten Neligionsübuug, wie er von der Verfassung gewährleistet sei. Die gegenüber den thüringischen Schulgebeten ausgesprochene religiöse Kritik sei nicht von der Hand zu weisen. Etwas an deres sei es, ob man damit den Staatsgerichtshof be schäftigen solle. Richtiger wäre der Erlaß eines frei ¬ heitlichen, dem Willen der christlichen Elternschaft Rech nung tragenden Schulgesetzes. Abg. Dr. Everling (DntlZ trat für die Auf hebung des Stahlhelmverbots im Westen ein: desglei chen wandte er sich gegen die Verbote des Werwolfs und des Bismarckbundes in verschiedenen Gebieten. Die Uni formverbote seien mit der Verfassung nicht vereinbar. Trachtenvorschriften gehörten dem Mittelalter an. Auch der preußische Terror gegen Beamte wegen ihrer Hal tung beim ^Volksbegehren müsse verhindert werden. Es müsse dafür gesorgt werden, daß der nächste Verfassungs tag nicht wieder zu einer Gesinnungsknechtung führe. Kabinettskrise in Ägypten. London, 17. Juni. Nach einer Meldung aus Kairo ist das ägyptische Ministerium am Dienstag zurückge treten. Das ägyptische Parlament hat am Dienstag nach einer Rede des Ministerpräsidenten Nahas Pascha ein Vertrauensvotum für das Kabinett angenommen. Die Sitzung wurde hierauf bis zum nächsten Momag vertagt. König Fuad hat das Rücktrittsgesuch des Kabinetts nicht genehmigt. England und die ägyptische Kabinettskrise. London, 18. Juni. Zu der ägyptischen Regierungs krise berichtet der Korrespondent der „Times" aus Kairo, es sei kaum zu erwarten, daß N a h a s P a s ch a sich zu einem Kompromiß verstehen würde. Der Kor respondent der „Morningpost" weist darauf hin, daß die britische Regierung in dem gegenwärtigen Streit zwischen der Wafd-Partei und König Fuad eine neutrale Haltung einnehmen werde. Die britische Politik werde nicht in die inneren Angelegen heiten Aegyptens eingreifen, solange die bekannten vier Punkte nicht verletzt würden. Sollten die gegenwär tigen Schwierigkeiten zu einer Verletzung der inter nationalen Bestimmungen und zur Bedrohung eng lischer Staatsangehöriger in Aegypten führen, so würde England zum Eingreifen gezwungen sein. Man hege jedoch die Hoffnung,, daß eine ordnungsmäßige Lösung der Schwierigkeiten gefunden würde und daß die Wafd- Partei nicht so töricht sein werde, den Vorteil ihrer par lamentarischen Mehrheit in diesem Streit aufzugeben. Zwischenfall auf der Weltkraft- k^nferenz. Amerikanische Industrielle gegen eine Rede des Bot schafters Sackett. Berlin, 18. Juli. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Sackett, wird heute nachmittag in der „ameri kanischen Stunde" eine Kundgebung des Präsidenten Hoover an die Weltkraftkonferenz verlesen. Diese Rede, deren Wortlaut bereits seit einigen Tagen den auf der Weltkraftkonferenz vertretenen amerikanischen Großin dustriellen bekannt war, hat zu einer Auseinandersetzung von Vertretern der amerikanischen Elektrowirtschaft mit dem Botschafter Sackett geführt. Die Einwände der In dustriellen richteten sich hauptsächlich gegen folgenden Passus der Rede: „Ich kenne keine Industrie, bei der die Verkaufspreise des Erzeugnisses an die große Masse das Fünfzehnfache der Produktionskosten ausmachen. Es ist meine Aufgabe, aus diese Schwäche scharf hinzuweisen. Vis die Kraftwirtschaft in eine Linie mit anderen In dustrien bezüglich des Verhältnisses der Produktions kosten zu den Verkaufspreisen steht, ist die Behauptung unrichtig, daß die großen Kraftindustrien schon an nähernd voll arbeiten." — Erst nachdem der Botschafter gedroht hatte, die Rede überhaupt nicht zu halten, zogen die Jndustrievertteter nach mehrstündigen Verhandlun gen ihre Einwände zurück. Auch von einer Streichung der anstößigen Stelle wollte der Botschafter nichts wissen. Die Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten Korch. 6M (Nachdruck verbalen.) „Was hattest du vor Palle? Fch will jetzt alles wissen," sagte Sara „Ich wollte die Weissagung wahrmachen. Ich wollte ein Leben hier in der Ringmühle schaffen, daß es hier wirklich gut sein wäre. Ich wollte treu, stark und gut sein, ich wollte alles Böse besiegen, und du solltest mir helfen, Jara. Du warst es eben, die mir die Kraft geben sollte, weil ich dich liebe " Palle hielt inne, das Wasser halte jetzt seine Schul tern erreicht und er mußte zittern. „Weiter. Palle, weiter," bat Sara; jetzt klang ihr Flüstern ganz schwach. „Fetzt sieht meine Mutter auf uns herab, Sara." Palles Stimme wurde von einer seltsam tiefen und warmen Bewegung, Vie ihn jetzt durchströmte, erstickt Aber jetzt dachte er nur an Sara Mit Anspannung aller seiner Kräfte hob er sie auf seine Schulter Es war. als sammelte sich sein ganzer Wille, nm Sara so lange wie möglich zu schirmen. Das Wasser beleckte schon seinen Hals: aber er änderte seine Stellung, so daß er einige Zoll höher stand Während er die Augen schloß, war es, als zöge sein ganzes Leben in einem Augenblick an seinem inneren Blick vorbei. Es war wie eine Perlenschnur, Perle ans Perle glitt herab und jede öffnete sich und wurde zu einem klaren Bilde. Aber die meisten Bilder waren von Jara und er sah sie in so vielen Erlebnissen, die ihm ihre Seele wie eine herrliche Landschaft mit Sonne über Tälern und Ebenen zeigte. Und während sein ganzes Wesen von Sara erfüllt wurde, hob er sie noch höher und hielt sie mit Anspannung der letzten Kräfte seines müden Körpers, Dreißigstes Kapitel. Por der Ringholmer Einfahrt hielt Niels Nikolas mit Farmers Auto. Als er einen Augenblick gewartet hatte, sprang er ab, ging unruhig hin und her und spähte in den Garten. Vor einer Viertelstunde war Frau Farmer zu ihm gelaufen und hatte ihn gebeten, sic nach Ringholm zu fahren. Er hatte gehorcht und in nicht weniger als einer Viertelstunde waren sie auf dem Hofe. Frau Farmer war merkwürdig aufgeregt gewesen und hatte nicht ein ein ziges Wort unterwegs zu ihm gesprochen. Während Nikolaj ins Gebüsch starrte, wurde er immer ruhiger. Eine starke Angst überkam ihn plötzlich; er nahm einen Stein und warf ihn weit ins Land hin ein, und während er seinem Fluge folgte, wurde er sich völlig klar darüber, daß etwas Schlimmes im Anzuge war. Und im selben Augenblick, als der Stein plätschernd in den Ringholmbach fiel, fiel ihm etwas ein. das seine Angst noch vermehrte. Wie ein Gespenst schoß das Auto durch den dunklen Wald. War die Schleuse nicht geöffnet? Ihm war eS, als hätte er das Poltern des Wassers und das Mühlenrad gehört, jetzt war er fast sicher, daß es ging. Aber seine Gedanken waren so mit Frau Farmer und dem Auto beschäftigt gewesen, daß er nicht daran gedacht hatte. Aber er hatte doch die Schleuse selbst geschlossen, als er die Mühle ver ließ, wie konnte es zugegangen sein? Und warum mußte Rasmus Olund durchaus die Hintere Schleuse ab schließen? Er wandle sich um und schritt rasch auf die Garten pforte zu; er mußte sofort mit Frau Farmer sprechen. Nikolaj aber hörte ihre Stimme im Garten, sie sprach mit Leutnant Kjär, und gleich daraus sah Nikolaj sie beide hinter der Hecke. Frau Farmer sprach eifrig, sie wollte Kjär zu etwas überreden, sie faßte ihn am Arm und sprach auf ihn ein. Kjär erhob offenbar Widerspruch: aber sie zog ihn schnell zum Auto hinaus. „Wollen Sie uns wieder nach der Mühle fahren," sagte sie kurz; Nikolaj sah, daß ihre Erregung noch zu genommen hatte. „Ein Wort zuerst, gnädige Frau," sagte er, und ohne über sein unpassendes Benehmen nachzudenken, faßte cr sie am Arm und zog sie beiseite. „Wollen Sie mir eines sagen. Frau Farmer. Stand die Schleuse offen, als wir abfuhren?" fragte er und sah Frau Farmer gerade w die Augen. „Sie stand offen," antwortete sie erregt. „Sie wissen, daß die Hintere Schleuse geschlossen war, Sie haben selbst Rasmus Olund den Auftrag dazu gegeben. Die ganze Schleuse wird vollaufen, verstehen Sie nicht? Das Wasser wird in den Mühlengang steigen, in die Sägerei kommen und Holz und Waren dort ver nichten." „Das Wasser — das Wasser steigt so hoch?" fragte sie mit einem merkwürdig verstörten Blick „Das steigt weiter," antwortete Nikolaj. „Und Frau Brigittes Stube, ich meine die Schleusen stube?" Olgas Augen starrten auf Nikolaj und sic preßte seinen Arm hart. „Die läuft bis zur Decke voll," sagte Nilolaj fest. „Wenn nun Menschen unten sind?" Olga atmete schwer. , „Dann ertrinken sie." Nikolaj schüttelte Olga hart. „Gott gnade Ihnen, Frau Farmer," rief er; er verstand plötzlich, was geschehen war, und sprang ins Auto. „Fahren Sie, Nikolaj, fahren Sie," stöhnte Olga und sank in die Kissen zurück Kjär sprang auch hinein und schlug die Tür zu Nikolaj fuhr mit wahnsinniger Schnelligkeit, er kam mit Mühe und Not um die schwierige Kurve aus der Allee herum und gelangte auf die Landstraße. Wie ein Gespenst schoß das Auto durch den dunklen Wald und während Nikolaj mit fester Hand durch Kurven und schwierige Passagen steuerte, wurde ihm alles klar. sForlfetzung folgt.)