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Die französisch-italienische Spannung. Nom, 3. Juni. Außenminister Grandi sprach am Dienstag im Senat zum Haushalt des Außenministe riums. Er bestand dabei auf dem Recht Italiens zur Flottenqkeichheit mit Frankreich. Die Berneinung der Flottengleichheit, erklärte er, käme dem Wunsch gleich, eine willkürliche Rangordnung fest zusehen und die in zehn Jahren erfolgte Entwicklung des internationalen Gewissens zurückzudrehen. Auf die zahlreichen Verträge hinweisend, die die sogenannten Organisationen des Friedens zum Inhalt haben, er klärte Grandi, daß man an ihrem Endergebnis zweifeln könnte, wenn sie Anlaß zu wachsenden Rüstungen, statt zur Abrüstung gäben. „Können wir vielleicht behaup ten", so sagte er, „daß die Konferenz von London ein Beweis ist für den Glauben an die bestehenden Ver träge? Während am Horizont neue Pläne für eine europäische Zusammenarbeit auftauchen, ist die Frage geboten, ob die notwendige Vorbereitung zu w e i t e r e n F o r t s ch r i t t e n dessogenann- ten neuen europäischen Geistes nicht in erster Linie einen vertrauensvollen und tatsächlichen Geist der Verständigung, sowie konkrete Maßnahmen fordere, die ein wirklicher Ausdruck dieses neuen euro päischen Geistes sind. Ein Ding ist die Friedensliteratur, ein anderes die Friedenspolitik. Grandi führte dann weiter aus, Italien habe die Völkerbundssatzungen immer als ein Werkzeug des Friedens angesehen. Es wolle den Völkerbund gern dazu führen, die Kriegsfrage mehr unter dem Gesichtspunkt der Vorbeugungsmaßnahmen als der Unterdrückungs maßnahmen zu betrachten. Laufen wir nicht Gefahr, so sagte Grandi, durch die Versuche, den Völkerbund zu einem strengen überstaatlichen Mechanismus zu ver bessern, schließlich zu dem paradoxen Ergebnis zu kommen, daß er ein Instrument des Krieges statt des allgemeinen Friedens wird? Pertinax zur Rede Grandis. Paris, 4. Juni. Pertinax befaßt sich im „Echo de Paris" mit der außenpolitischen Rede Grandis und hebt die verschiedene Auffassung der beiden Länder in Bezug auf die Sicherheit, Schiedsgerichtsbarkeit und Abrüstung hervor. Er weist darauf hin, daß sich Italien gegen Frankreich der deut schen Auffassung anschließe, die in gewissem Grade auch die englische und amerikanische sei. Grandi habe, wie dies nicht anders zu erwarten sei, sein Hauptaugen merk auf die Flottenfrage gerichtet. Wenn er aber erkläre, daß Italien, falls es mit Frankreich Flottengleichheit besitze, die niedrigste Tonnage aner kenne, so habe er dabei stets den Hintergedanken, seinem Lande den Vorrang im Mittelmeer zu sichern. Für die breite Oeffentlichkeit bringe Grandi insofern einen neuen Gedanken, als er vorschlage, die italienischen Flottenrüstungen einzustellen unter der Voraussetzung, daß Frankreich auch die seinen aufgebe. Das sei weder eine Lösung noch überhaupt der Anfang einer Lösung. Ein friedlich gesinntes Italien werde Frankreich immer bereitfinden, zu verhandeln. Die drohende Haltung aber, die Italien augenblicklich ein nehme, könne Frankreich nicht veranlassen, auch nur einen Fuß breit von seinem Recht abzuweichen. Vor einer neuen Krise? Berlin, 4. Juni. Nähere Einzelheiten über das Er gebnis der Kabinettssitzung von gestern, liegen bisher an keiner Stelle vor. Es hat den Anschein, als ob die Negierung den Inhalt der Deckungsvorschläge zum Haushalt so lange geheimzuhalten beabsichtige, bis die Regierung die Zustimmung der hinter ihr stehenden Parteien zu dem Deckungsprogramm erhalten hat. Aus Mitteilungen der demokratischen Presse und Organen, die der Deutschen Volkspartei nahestehen, ist zu schließen, daß gewisse Schwierigkeiten zwischen der Volkspartei und den übrigen Regierungsparteien in dieser Frage bestehen. Die N. L. C. deutete bereits vor kurzem an, daß die Volkspartei unter allen Umständen gegen neue Stenern sei. Es ist daher auch sehr wahrscheinlich, daß die heutige Fraktionsvorstandssitzung der Deutschen Volkspartei sich mit dieser Frage beschäftigen wird. Den Standpunkt der Regierung wird Moldenhauer ver treten. Von dem Ergebnis dieser Beratung dürfte es abhängen, ob sich die Gerüchte von einem bevor stehenden Rücktritt Moldenhauers be wahrheiten. Arbeitsgemeinschaft zwischen Unternehmern und Gewerkschaften? Berlin, 4. Juni. Wie die Telegraphen-Union erfährt, werden seit einiger Zeit zwischen den führenden Verbänden der Unternehmer und der Gewerkschaften Verhandlungen geführt, deren Zweck die Herbeiführung einer Arbeitsgemeinschaft ist. Das Ziel der Verhandlungen ist die Herbeiführung von Vereinbarungen, durch die die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt saniert werden sollen. Die Verhandlungen wurden vom Präsidenten der Vereinigung der Arbeit geberverbände und dem Präsidialmitgl. der Deutschen Industrie, v. Raumer, auf der anderen Seite von den Abgg. Graßmann und Eggert für die Freien, Otte für die Christlichen Gewerkschaften und Lämmer für den Gewerkschaftsring geführt. Die Verhandlungen sollen kurz vor dem Abschluß stehen. „Aas WM" ia guter Fahri. Friedrichshafen, 4. Juni. Beim Luftschiffbau ging von Bord des „Graf Zeppelin" folgende Standortmel dung ein: 1 Uhr MEZ. 28 Nord, 44,30 West. Wetter und Fahrt gut. Kurs auf die Azoren. Friedrichshafen, 4. Juni. Der Luftschiffbau erhielt von Bord des „Graf Zeppelin" einen Funkspruch, nach dem sich das Luftschiff um 5 Uhr MEZ. auf 38 Grad Nordscite und 39,50 Grad Westlänge befand. Die Stun dengeschwindigkeit beträgt 125 Kilometer. Das Luft schiff hat Kurs auf die Azoren. Englische Anerkennung für Dr. Eckener. London, 4. Juni. In der Erklärung über den zi vilen Luftverkehr im Unterhaus, zollte Luftfahrtmini ster Thomas Dr. Eckener besonders Anerkennung. Die Beantwortung der Frage, weshalb der „Graf Zeppelin" Flüge um die Welt veranstalte, während die beiden bri tischen Luftschiffe in der Halle gehalten würden, sei einfach: Die Deutschen hätten 30jährige Erfahrung im Luftschiffbau. Er wolle nicht die eigenen Erfahrungen verkleinern, aber es sei nur natürlich, daß es nur wenige Dr. Eckener in der Welt gebe. England habe noch keine Gelegenheit gehabt, einen Dr. Eckener hervorzubringen, der einer der bedeutendsten Männer sei, die er je ge troffen habe. Trauertag in Ungarn. Budapest, 4. Juni. Am heutigen Mittwoch wird in ganz Ungarn ein Trauertag anläßlich der zehnten Wiederkehr des Tages der Unterzeich- Oie Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten Korch Ibl lAachvruN verboten I Das Millagessen verlies recht gut; sowohl Leutnant Kjär wie Kalle Madsen hielten Reden für das junge Paar, und Kalle versuchte sogar ein Lebehoch und ein Hurra, das jedoch nicht besonders gut ausfiel Als Kaffee getrunken wurde, schlug Olga vor, datz man in die Mühle gehen, die Tätigkeit besichtigen und die Leute begrüßen sollte Das wollte Palle von allem am wenigsten gern: aber er konnte keinen Vorwand finden, um es zu verhindern Palle konnte Olga ansehen, daß sie etwas vabei be. absichtigte. Sie nahm seinen Arm und zog ihn mit sich durch die Sägerei, wo sie dem tief in seine Träume ver sunkenen Rasmus Olund einen ernsten Schrecken ein jagten. Von dort gingen sie weiter in die Peitschenstube, wo die Arbeit in vollem Gange war Tie Leute waren offenbar im höchsten Matze erstaunt, als sie so plötzlich die stolze und elegante Frau Jarmer unter sich sahen. Ein wenig zögernd traten sie näher und wünschten Glück. Die meisten waren offenbar durch die ungewohnte Situation verwirrt. Sara saß auf ihrem Platz, sie war eifrig mit ihrer Arbeit beschäftigt. Sie wurde flammend rot und schob die Gürtel, an denen sie arbeitete, beiseite. Niels Nikolaj hielt jetzt die Maschinen an und Zuliane kam mit Portwein und Gläsern. Die Leute wischten sich dte Hände ab und versammelten sich zögernd. Olga stand allein mitten im Saal; ihr Blick glitt ruhig und kalt von einem zum andern. .Das geht schief, Donnerwetter," sagte Kalle Madsen; er vergaß einen Augenblick, daß er nicht allein war, aber jetzt schenkte Palle ein und sagte ein paar Worte. Er sagte, daß er ihnen seine Frau vorstellen möchte; wegen des Todes seines Vaters und besonderer Verhältnisse hätten sie die Hochzeit in größter Stille gehalten, aber jetzt wollte er sie alle bitten, ein Glas mit ihr und ihm zu trinken, und er hoffe, daß sie seiner Frau ebenso freundlich begegnen würden wie ihm. Palle sagte es hübsch und ruhig. Der alte Nikolaj wurde verwirrt, er war in großer Verlegenheit; er hätte sehr gern etwas gesagt, aber es war nicht leicht; mehr mals hatte er ernste Zusammenstöße mit Fräulein Lund gehabt, und es war seine Schuld vaß oie Leute sich so abweisend gestellt hatten, vaß sie nicht einmal ein Hoch zeitsgeschenk gemacht hatten. Als er sich ein paarmal geräuspert hatte, sagte er indessen voch ein paar ganz nette Worte im Namen der Leute, wandte sich aber ausschließlich an Jarmer. Olga verzog ihren Mund zu einem unheilverkündenden Lächeln; aber sie ergriff ihr Glas und stieß mit jedem einzelnen an. Die letzte, zu der sie kam, war Sara; die hatte dte ganze Zeit im Hintergrund gestanden: sie dachte, daß sie aneinander. ganz übersehen werden könnte. Aber das wurde sie nicht, Frau Jarmer hatte sie immer im Auge behalten, und jetzt trat sie zu ihr und sprach mit ihr. .Sie haben ja kein Glas," sagte sie und bat Nikolaj, eins zu bringen; Sara nahm es, sie hatte das Gefühl, daß ihr das Blut zu Kopf stiege und daß alle ihr ansehen könnten, was sie dachte. „Wir wollen anstoßen," erklang Olgas Stimme neben ihr. Sara kämpfte schwer, um ihre Bewegung zu be- herrschen; endlich aber sah sie Olga an und sagte: „Viel Glück" Ein feuchter Glanz war in ihren Augen, aber kein Schatten von Falschheit. Sie sahen sich eine Sekund« nung des Trianoner Friedensvertra ges, abgehalten. Die Blätter ohne Unterschied der Parteien bezeichnen den Friedensvertrag wie alle Frie densverträge der Jahre 1919 und 1929 als einen Hohn auf das vorher verkündete Selbstbestimmungsrecht und als Schulbeispiel der übermütigen Gewaltanwendung. Aus den Artikeln der Zeitungen geht die unver brüchliche Zuversicht des ungarischen Volkes auf Revision der Friedensver- trüge hervor. In einem Aufruf an das ungarische Volk stellt der ungarische Nationalrat fest, daß nicht nur Ungarn und Deutschland, sondern auch die Volksstümme slawischer Rasse sich gegen die durch die Schaffung der Nach folgestaaten hervorgerufenen Zustände auflehnen. In den Blättern wird hervorgehoben, daß in allen Nach folgestaaten die Minderheiten in einer Weise behandelt würden, die in krassem Gegensatz zu dem Gelöbnis der Toleranz stehe, das die Nachfolgestaaten bei Abschluß des Vertrages geleistet hätten. Die Siegerstaaten hätten durch ihre Behandlung der Minderheiten den Anspruch auf Aufrechterhaltung der durch den Friedensoertrag geschaffenen Lage verwirkt. „Ujsag" sagt: Nach den vielen willkürlichen „Gut machungen" mögen sich die Siegerstaaten auf ihre Pflicht zur Wiedergutmachung der eigenen gewalttäti gen Uebergriffe auf dem Gebiete der Grenzziehungen besinnen. MWiiMW MM Der Ministerpräsident Preußens, Otto Braun, hatte, wie erinnerlich, während des Kampfes um das Volks begehren in einer Weise hierzu Stellung genommen, die einem Verbot an die ihm unterstellten Beamten, fich ein zuzeichnen, gleichkam. Berlins Polizeipräsident Zör- giebel, ebenfalls Sozialdemokrat, hatte diese Rede des Ministerpräsidenten veröffentlicht und einen Kommentar hinzugefügt: „Unter Bezugnahme aus vorstehende Aus führungen untersage ich den mir unterstellten Beamten, sich an dem Volksbegehren zu beteiligen oder für das Volksbegehren in irgendeiner Form einzutreten." Dem preußischen Ministerialdirektor Dr. Badt von der Ver fassungsabteilung des preußischen Innenministeriums wa ren jedoch ernste Bedenken gekommen und er hatte seinen Einfluß auf Zörgiebel in dem Sinne geltend gemacht, daß der Polizeipräsident tags darauf das Verbot zurück zog. Mit diesen Vorgängen, in denen Zörgiebel keine sehr glückliche Rolle spielte, hatte sich am Dienstag der Untersuchungsausschuß des Preußischen Land tages für das Volksbegehren zu beschäftigen und Zör giebel als Hauptzeugen zu vernehmen. Die Verhandlung ist von grundsätzlicher Bedeutung, da es um ^>ie ver fassungsmäßigen Rechte der Beamten geht, an denen nicht gerüttelt werden darf. Zörgiebel erklärte, datz er der Auffassung sei, datz die Beteiligung am Volksbegeh ren über die Beamtenrechte hinausgehe. Auf die Irage des kommunistischen Abgeordneten Schulz, Neukölln: „Sind Sie heute noch der Auffassung?" antwortete Zör giebel: „War ist vielleicht richtiger ausgedrückt." Kurz darauf jedoch erklärte der Zeuge: „Wenn ich ernftlich vor die Frage gestellt würde, würde ich wohl heute noch ebenso handeln wie damals." Ein bedauerliches Zeichen, datz der Berliner Polizeipräsident trotz bestätigter besserer Einsicht sich nicht von dieser, sondern lediglich von partei politischen Eesühlsmomenten leiten lassen würde. Dann wurde der inzwischen zur Disposition gestellte frühere Regierungspräsident in Merseburg, Fährmann, vernom men. Die Rede des Ministerpräsidenten habe er als ein Verbot der Einzeichnung aufgefatzt und diese Auffassung sei auch in den Kreisen der Beamten geteilt worden. Da- mrt waren die Vernehmungen beendet. Der Ausschutz ver tagte sich bis nach der Pfingstpause. Dann soll auch der ehemalige preußische Innenminister Erzesinsky vernom men werden. an und stießen ihre Gläser aneinander. Einen Augen blick blieben sie sich so einander gegenüber stehen. „Sie vergessen wohl Jarmer nicht," sagte Olga, und im nächsten Augenblick mußte Sara mit Palle anstotzen; diesmal aber wagte sie nicht anfzusehen, aus Furcht vor Olga, die sie beobachtete. Dreiundzwanzig st es Kapitel. Wenig mehr als ein Monat war verstrichen, aber in Vieser Zeit war viel in der Ringmühle geschehen. Palle war Kummer begegnet, fast schwerer, als er es ertragen konnte und er war Freude und Glück begegnet, an die er nicht zu hoffen gewagt hatte. Den Kummer brachte ihm Olga; seit dem Hochzeitstage war es. als zeigte sie ihm ein anderes Gesicht. Ihre Gefühle für ihn schienen unverändert zu sein; sie traten noch stärker und leidenschaftlicher hervor; gleich zeitig aber zeigte sie immer unverschleierter ihre Lust, über alle zu herrschen, auch über ihn. Olga wollte gern herrschen, wollte, daß alle vor ihr im Staube lagen. Ihr Verhältnis zu den Leuten hatte sich auch nicht gebessert. Dieses Verhältnis hatte schon mehrere ernste Zu sammenstöße zwischen Palle und Olga zur Folge gehabt! aber es war, als hätte Palle eine erstaunliche Klugheit und Stärke erhalten, wenn es galt, die Leute und die alte Mühle zu schützen. Eines Tages war er sogar so weit gegangen, daß er Olga ersucht hatte, sich nicht in den Betrieb einzumischen, und Olga zeigte sich jetzt nur selten in der Mühle. Dagegen beteiligte sie sich an der Abrechnung und der Buchführung; das hatte sie schon zur Zeit des alten Jarmer getan und das konnte Palle nicht verhindern. Madsen litt darunter, und wenn Palle ihn auch nach Möglichkeit unterstützte, so ging es ihm doch schlecht dabei. Als Gegengewicht gegen all dieses Schwere und Trübe hatte er seine Liebe zu Sara. Ihr Antlitz und der Laut ihrer Stimme, ein Blick aus ihren Augen waren ihm jeden Tag eine Freude. Und dann hatte er die Arbeit? den Kampf für die alte Mühle; dem konnte er sich hin geben, daß er seinen Kummer vergaß. Auch hier hatte er Freude erlebt und Siege errungen- Der Handel mit Kjär war abgeschlossen, Palle hatte da» Geld ausbezahlt erhalten. Achttausend von der Summe mußte er als Abzahlung auf seine Hypotheken abliefern; aber mit Hilfe des Restes sowie der Bargelder, die durch den Betrieb hereinkamen, hatte er den Termin glänzend überstanden. (Fortsetzung svlgi)