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Aus aller Well. * Eine weibliche Diebesbande gefaßt. Von der Berliner Kriminalpolizei wurde in Neukölln eine sechsköpfige Diebesbande gefaßt, die wohl einzig in ihrer Art ist. Sie besteht aus sechs jungen Mädchen, von denen das eine, das die Führerin war, erst 15 Jahre alt ist. Vier Mitglieder dieser weiblichen Einbrecherbande sind 16 Jahre, eins ist 21 Jahre alt. Die Mädchen sind sämtlich Halbwaisen oder Kinder, deren Eltern getrennt voneinander leben. Sie haben ein umfassendes Geständnis abgelegt und sind den zuständigen Pflege- und Jugend ämtern zugeführt worden. Seit zwei Jahren konnte man in den Warenhäusern Neuköllns jene Mädchen beobachten, die stets zu zweit auftraten und offenbar Diebereien ver übten. Als sie bemerkten, daß man sie beobachtete, wech selten sie das Feld ihrer Tätigkeit und verübten jetzt Diebstähle in den Neuköllner Schulen. Stets trug das eine der jungen Mädchen ein Stadtköfserchen bei sich, in dem es die gestohlenen Sachen unterbrachte, während das andere es während des Diebstahls vor Beobachtung zu schützen hatte. Die Mädchen kannten sich von der Schule her und waren später in einem Turnverein wieder zusammengekommcn. Sie stahlen stets Gegenstände von verhältnismäßig geringem Wert, die dann unter der Hand häufig unter allen möglichen Vorwänden in Be kanntenkreisen verkauft wurden. Das Geld sparten sie in einer „Dicbeskasse", bis größere Beträge ihnen irgend welche Anschaffungen erlaubten. Dem einen Mädchen konnte man einen regelrechten Bodeneinbruch nachweisen. * Kommunistische Demonstrationen in Berlin. — Ein Polizeioberleutnant verletzt. Die Kommunisten veranstal teten am Dienstagnachmittag aus Anlaß des Jahres tages des Verbotes des Rotfrontkämpferbundes eine De monstration auf dem Bülowplatz im Norden der Reichs hauptstadt. Während die Kundgebung selbst ruhig ver lief, kam es beim Anmarsch der Demonstrationszüge zu kleineren Zwischenfällen. 22 Demonstranten sind, wie vom Polizeipräsidium mitgeteilt wird, wegen verbotenen Waffentragens bzw. Tragens der verbotenen Rotfront kämpferuniform zwangsgestellt und der Abteilung la zu- gesührt worden. Ferner wurden zwei Fahnen beschlag nahmt. Am Koppenplatz wurde ein Polizeioberleutnant von etwa 20 Rotfrontkämpfern in Uniform, die aus einem Lokal kamen, angegriffen und zu Boden geschlagen. Er trug leichte Verletzungen im Gesicht und am Hinter kopf davon. Die Täter konnten entkommen, doch gelang es, den Namen eines Beteiligten festzustellen. * Schwerer Autozusammenstoß. Ein schwerer Auto zusammenstoß ereignete sich am Dienstagnachmittag an der Bahnüberführung Hagen-Eckesey. Ein großer Ber liner Personenkraftwagen hatte in der Kurve eine Rei fenpanne. geriet ins Schleudern und fuhr einem ent gegenkommenden kleinen Opelwagen in die Flanke. Der Anprall war so heftig, daß der Opelwagen vollstän dig zertrümmert und der Berliner Wagen schwer be schädigt wurde. Die fünf Insassen des großen Wagens und der Chauffeur wurden herausgeschleudert. Die sechs zum Teil schwer Verletzten fanden im Kranken haus Aufnahme. * Die Anklage gegen die Gebrüder Saß. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag gegen die Brüder Franz und Erich Saß Anklage wegen versuchten schweren Diebstahls vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte erho ben. Die Angeklagten bleiben weiter in Haft. * Willy Sklarek aus der Haft entlassen. Vor der ü. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichtsrats Busse fand am Dienstagmittag für Willy Sklarek ein Haftprüfungstermin statt, der von den Rechtsanwälten Dr. Alsberg, Max Jaffe und Dr. Julius Meyer I beantragt war. Der Verhandlung wohnte Oberstaatsanwalt v. Steinäcker bei. Die Ver teidigung hatte die Professoren, Zitroen und Retzlaff, die Staatsanwaltschaft die Medizinalräte Dr. Woker Die Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten Korch. 30, (Nachdruck verboten.) Olga verlor nicht einen Augenblick die Selbstbeherr schung, aber ihre kalten und ruhigen Anzüglichkeiten ver letzten noch mehr, als wenn sie erregt gewesen wäre. „Es ist am besten, Jette erfährt, wie es sich verhält; ich will keinen Ärger mit den Dienstboten mehr Huben." Und ehe Palle es verhindern konnte, erzählte sie, daß Palle und sie verlobt wären. „Ach so," rief Jette und stemmte die Hände in die Seiten, „ist das wirklich wahr?" Sie war ängstlich, glaubte es aber noch nicht ganz. „Es stimmt schon, Sören; es wurde geordnet, ehe Vater starb." Palle nannte Jette immer Sören, sie hieß Sörensen, daher hatte er es. „So, es ist wirklich wahr, sie haben also ihren Krieg durchgeführt und du hast dich fügen müssen, Palle. Ja, das hast du ja dein ganzes Leben getan, das hast du von deiner Mutter." Jette sandte Palle einen mitleidigen Blick, dann aber wandte sie sich wieder zu Olga, sie sagte ihr Treue und Gefolgschaft auf und lief schließlich weinend hinaus. Es tat Palle weh, den Kummer der Alten zu sehen, und nicht weniger peinlich war es ihm, den bösen und harten Ausdruck zu sehen, der in Olgas Gesicht getreten war. Sie ordnete alles, wie sie es bestimmt hatte, und während das Mädchen aufwartete, setzten sie sich zu Tisch. Es wurde eine traurige Mahlzeit, die erste, die sie gemeinsam im Mühlenhause hielten: Palle hatte seit vielen Stunden keinen Bissen zu sich genommen, aber dennoch aß er nichts, und es wurden nicht viele Worte gewechselt. Er sah verwundert Olga an. die mit ausgezeichnetem Appetit aß, und er betrachtete die trübseligen Möbel. Alle waren schwer und reich geschnitzt, aber jedes Stück war vom Zahn der Zeit gezeichnet. An der Wand standen sieben Stühle, der Rest eines Dutzends; sie hatten schwere Schäden und glichen alten verwundeten Veteranen. Über dem Büfett saß ein schön geschnitzter Adler, dem der Schnabel und der halbe Kopf fehlten. Jetzt sah es aus, als ob er Palle mit seinem einen Auge anstarrte. Nach Tisch glückte es ihm, allein zu bleiben; er begab sich gleich in das kleine Kontor hinter der Treppe. Auch hier beaeanete er demselben Bild des Verfalls. An den und Ewers geladen. Von der Verteidigung wurde die Haftentlassung beantragt, da Willy Sklarek zucker- und eiweißkrank und wegen vorgeschrittener Arteriosklerose nicht mehr haftfähig sei. Staatsanwaltschaftsrat Wei ßenberg widersprach mit großer Entschiedenheit derHaft- entlassung von Willy Sklarek. Das Gericht beschloß, Willy Sklarek gegen Stellung einer Kaution von 50 000 Reichsmark mit der Verpflichtung, sich wöchentlich drei mal bei der Polizei zu melden, von der weiteren Unter suchungshaft zu verschonen unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls. * Mord aus Rache. Der 44jährige Maschinenformer Fritz Berchtold erschoß in Uster einen Polizeiwachtmeister, den er beim Verlassen des Gerichtsgebäudes irrtümlich für den Gerichtspräsidenten hielt. Berchtold wollte sich an diesem rächen, weil er aus seiner Wohnung ausgewie sen worden war. * Der russische Geschäftsträger in Mexiko verhaftet. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat die Sowjetregie- rung Nachricht erhalten, daß der russische Geschäftsträger in Mexiko, Friedman, wegen Unterstützung der kommu nistischen Bewegung in Mexiko verhaftet wurde. Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Mexiko und Sowjetrußland hatte Friedman das Amt des russischen Geschäftsträgers ausgeübt. " Das Meisennrst im Briefkasten. Vor einigen Tagen entdeckte ein Einwohner von Buchholz-Friedewald in einem Postbriefkasten ein Meisennest mit 10 Eiern. Er ver ständigte sofort die Postverwaltung, die an dem Brief kasten einen Zettel anbringen ließ, daß der Briefkasten nicht benutzt werden dürfe. Auch die Briefträger sind ver ständigt worden, so daß die Vögel selbst an dieser un gewöhnlichen Stelle ungestört brüten können. * Ein Kritiker überfallen. Auf der internationalen Kunstausstellung in Venedig griffen neapolitanische Maler den bekannten Kunstkritiker des „Corriere della Sera", Oietti, an, wobei einige Ausstellungsstücke zerbrochen wur den und der Direktor der Abteilung für Schöne Künste aus Rom, Pros. Munoc, der Frieden stiften wollte, einen Stockhieb über das linke Auge erhielt. Die Aus stellungsleitung hat nunmehr erklärt, daß sie in Zukunft alle von dem Besuch der Ausstellung ausschließen werde, die sich den Gesetzen der Ordnung nicht fügten. Der Vor sitzende des Berufsverbandes der Ataler hat ebenfalls Maßnahmen gegen die Schuldigen ergriffen, die selbst verständlich sogleich verhaftet wurden. * Schließung sämtlicher spanischer Universitäten. Wie der Vertreter der Telegraphenunion erfährt, hat sich die Regierung entschlossen, sämtliche Universitäten vom Mittwoch ab zu schließen und erst zu Beginn der Examenzeit Mitte Juni wieder zu eröffnen. Außerdem hat sich die Regierung dahin geeinigt, bis auf weiteres keine politischen Propagandareden und Versammlungen zuzulassen. * 1 698 490 Arbeitslose in England. Die Zahl der Arbeitslosen in Großbritannien betrug in der am 27. April beendeten Woche 1698 400 Personen. Das be deutet eine Zunahme um 38 087 gegenüber dem 14. April und um 534 592 gegenüber derselben Woche des Vorjahres. * RaubübeirsaH auf «in Diplomatenauts. Ein Kraft wagen, in dem sich der zur Zeit in Rumänien weilende amerikanische Finanzberater in Polen, Charles Dewey, die Frau des polnischen Gesandten in Bukarest, Szem- beck, und der rumänische Gesandte in Washington, Da- willay, befanden, wurde während der Nacht in der Nähe von Bukarest von sechs Räubern überfallen. Die Rei senden wurden mit Pistolen bedroht und ausgeplündert. Frau Szembeck mußte ihre Schmucksachen ausliesern. Der Kraftwagen kehrte von Schloß Mogoshoioa, wo der Fürst Bibesco zu Ehren Dawillays ein Essen veranstaltet hatte, nach Bukarest zurück. Die Räuber ließen die Aus- geplünderten ihre Fahrt fortsetzen. Wänden hingen alte kostbare Kupferstiche, aber die »leisten Rahmen waren entzwei; da waren Büsten und kostbare Figuren, aber jedes Stück war defekt. Da stand ein schwerer Eichenschrank, als Palle ihn aber öffnete, zeigte es sich, daß er mit vollen und halbgeleerten Alkoholflaschen gefüllt war. Der Geldschrank und der Schreibtisch waren vollgestopft mit Büchern und Papieren, die planlos durch einandergeworfen waren, und in den Regalen lagen Stapel von Zeichnungen und Briefen. Palle setzte sich auf den großen Lehnstuhl des Vaters am Schreibtisch. Es war ein historischer Stuhl; vier Be sitzer der Ringmühle hatten ihn vor ihm benutzt, auf der Rückenlehne waren ihre Namen zugleich mit Jahres zahlen und der Zeit, die sie gewirkt hatten, gemalt. Der erste hieß Palle Jarmer wie er selber; er war von 1782 bis 1812 am Ruder gewesen. Die meisten hatten lange regiert, der Vater dreiundvierzig Jahre. Jetzt mußte er das Datum und die Jahreszahlen hinzufügen und dann sollte sein eigener Name geschrieben werden. Es war so merkwürdig, daß er jetzt der Herr der Ringmühle war. Palle wußte, daß er es nicht leicht haben würde; es würde eine unermeßliche Arbeit und einen ver zweifelten Kampf kosten, Ordnung in den Wirrwarr zu bringen, der draußen und drinnen herrschte; es erschien fast hoffnungslos. Während Palle aber auf dem alten Arbeitsstuhl des Vaters saß, war es, als stände diese Aufgabe in einem strahlenden Licht vor ihm, als würde sie zu etwas Großem und Bedeutungsvollen. Er hatte sein Versprechen gegeben und das wollte er halten. Das schwerste war Olga; ihm war es klar, wie entsetzlich es werden mußte mit ihr, die er nicht liebte, zusammen zu leben. Er dachte an Sara, sein verlorenes Glück; so viel er aber auch opfern mußte, so wollte er doch durchhalten. Er wollte fest auf seinem Posten stehen, wenn sein Herz auch heimatlos, wenn er auch ein Gefangener wurde, wie die Mutter es einst gewesen war. In ihm wohnten eine Ausdauer, eine Klugheit und Stärke, die plötzlich reiften. Seine Gedanken wurden von Olga unterbrochen, dis hereinkam. „Jetzt habe ich mit Jette gesprochen," sagte sie. „Sie weinte und war hysterisch; aber ich glaube doch, daß sie verstanden hat, wie es in Zukunft sein wird. Sie wird fchon bleiben, wo sollte sie wohl auch hingehen?" Palle erhob sich, sein ruhiger Blick hatte eine eigen tümliche Stärke erhalten und seine Stimme eine Festigkeit, die Olga nie zuvor gehört hatte. „Morgen werde auch ich mit Jette reden, sie steht unter meinem Schutz und soll es gut haben, besser als Tagungen und Kongresse. Gewerbliche Genosssnschaftstagung. Am Sonntag nahm in Plauen der diesjährige sächsische gewerbliche Ge nossenschaftstag seinen Anfang. Die Reihe der Veran staltungen begann am Vormittag mit einer Sonderkonfe- renz der Kreditgenossenschaften, die vom Verbandsdirek tor Dr. Baumann, Dresden, geleitet wurde. Unter den zahlreichen Ehrengästen befanden sich Oberregierungsrat Dr. von Buch als Vertreter des sächsischen Wirtschafts ministeriums, Oberfinanzrat Professor Dr. Hillringhaus von der Preuß. Zenttalgenossenschaftskasse, Berlin, Ge heimrat Dr. von Loeben als Vertreter der Girozentrale Sachsen, ferner Vertreter der sächsischen Gewerbekammern. Zunächst hielt Bankdirektor Dr. Baumann, Prag, einen Vortrag über Risikoverteilung im Kreditgeschäft. Der Redner betonte zu Beginn seiner Ausführungen, daß die Kenntnis betriebswirtschaftlicher Untersuchungsmetho den für den heutigen Genossenschaftler bei der Kredit gewährung unentbehrlich sei. Die Kernfrage nach den Quellen des Risikos beantwortete der Redner dahin, daß diese zu suchen seien in den Vermögensverhältnissen bzw. in der Zusammensetzung des Vermögens beim Antrag steller, ferner in den allgemeinen wirtschaftlichen Verhält nissen und der Konjunkturlage der Branche, ferner in der Person des Kreditnehmers. — Im Anschluß hieran sprach Direktor Kotthaus, Berlin, über Liquiditätsfragen. Er führte aus, dgß für die Krediteinräumung nicht nur die Frage der Kreditwürdigkeit und Kreditsicherung ausschlag gebend sein müsse, sondern vor allem auch die Frage, ob die Genossenschaft fähig sei, Kredite zu gewahren, ohne selbst Schäden zu nehmen. Dabei sei auf die Frage der Kreditoerteilung das entscheidende Gewicht zu legen. Be sonders wurde auf die Gefahr der Unterhaltung großer umsatzloser Konten hingewiesen. Der Redner brachte am Schlüsse zum Ausdruck, daß durchaus Anlaß gegeben sei, der weiteren Entwicklung der kreditgenossenschastlichen Bewegung hoffnungsvoll entgegen zu sehen. Am Sonn tagnachmittag wurde eine Sonderkonferenz der Waren genossenschaften abgehalten, deren Teilnehmer von Direk tor Olias, Dresden, begrüßt wurden. Auf der Tages ordnung stand hier ein Vertrag von Obermeister Kaiser, M. d. L., Dresden, über das Thema: Warum muß sich der Mittelstand genossenschaftlich organisieren? Der Red ner ging aus von den Erfolgen der warengenossenschaft lichen Bewegung, die namentlich in der Kriegs- und Nach kriegszeit erfreulich in die Erscheinung traten. Die In flationszeit brachte zwar einen kräftigen Reinigungsprozeß, der jedoch von der warengenossenschastlichen Bewegung in ihrer Gesamtheit gut überstanden wurde. Heute, wo sich die wirtschaftlichen Verhältnisse außerordentlich zugespitzt haben, erhebe sich die Frage, ob der gewerbliche Mittel stand überhaupt noch! ohne Genossenschaften auskommen könne. Der Vortragende ging alsdann auf die unbedingte Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen berufsstän dischen Organisationen und Genossenschaften ein. Nament lich verdiene in diesem Zusammenhänge die Frage der Erziehung eines leistungsfähigen genossenschaftlichen Nach wuchses besondere Beachtung. Im weiteren Verlauf der Konferenz sprach Direktor König, Berlin, über Kredit- und Zahlungsprobleme der Warengenossenschaften. Der Redner sprach von dem großen Auseinandersetzungskamps, der zur Zeit zwischen Kapitalwirtschaft, Sozialwirtschaft und Individualwirtschaft ausgetragen werde, verwies dann auf die allgemeinen Schwierigkeiten, die heute in der Wirtschaft bestehen, und brachte zum Ausdruck, daß die Konkursziffer unter den Genossenschaften im Vergleich mit anderen Gesellschaftsformen außerordentlich gering sei. Alsdann erörterte der Redner eine große Reihe einzelner Fragen aus der warengenossenschaftlichen Kredit- und Zahlungspratts. Am Sonntagabend fand ein gemein samer Begrüßungsabend statt. bisher, Olga, denke daran. Ich habe Vater versprochen, sie nie im Stich zu lassen, und selbst, wenn ich das Ver sprechen nicht gegeben hätte, würde ich dennoch für sie sorgen. — Sie soll jetzt in einem der Häuser wohnen; ich werde ihr schon eine gute Wohnung verschaffen und dafür sorgen, daß sie es gut hat." „Das wirst du wohl nicht tun, Palle," antwortete sie unruhig; sie kannte Jettes große Tüchtigkeit und wußte, daß sie sie nicht entbehren konnte, ohne ihre eigene Un kenntnis in vielen Dingen zu verraten. Und auch an das Geld dachte sie. „Ganz sicher, Olga. Nur wenn du gut zu ihr sein willst, bleibt sie hier. Jetzt kannst du darüber nachdenken und tun, was dir beliebt." Olga richtete sich mit einem heftigen Ruck auf und sandte Palle einen ihrer starken, starren Blicke. In diesem Augenblick ging eine Stärkeprobe zwischen ihnen vor, aber diesmal war es Palle, der gewann. — Olga lachte ein kleines unnatürliches Lachen und unternahm einen schnellen Rückzug. Palle erschien ihr noch verlockender als zuvor und während sie nachgab, zog sie ihn gleichzeitig neben sich auf das Sofa. Im Halbdunkel drinnen vergaß sie sich; ihre Leiden schaft flammte und ihr Atem ging schnell und heiß; sie preßte Palle an sich, küßte ihn heftia und erzählte ihm, wie heiß sie ihn lieble. „Ich weiß gut, daß du mich nicht liebst; aber ich werde es dich lehren. Ich werde dich dazu zwingen," sagte sie und preßte einen brennenden Kuß auf seine Lippen. Palle war eine feinfühlige Natur und Olgas Beneh men an diesem Tage, da sein Vater die Augen geschlossen hatte, erfüllte ihn mit Abscheu. Er litt unbeschreiblich darunter; aber er bezwang seinen Widerwillen — er hatte gelobt, der Ihre zu sein. Mit Aufbietung seiner ganzen Selbstbeherrschung zwang er sich jedenfalls, scheinbar ihre Liebkosungen zu erwidern und freundlich mit ihr zu reden. „Fürchtest du dich nicht, Frau hier in der Mühle zu werden, fürchtest du nicht die Mühlenfrau?" fragte er. „Nein", lachte sie. „Ich fürchte Aberglauben und dumme Geschichten nicht. Man muß nur einen festen Willen haben, Palle, eine harte und starke Hand. Du brauchst nicht bange zu sein, ich werde schon fertig werden." Olga lachte wieder, ein wildes Lachen, das unheimlich, in dem stillen Hause klang. „Jetzt muß ich zur Ruhe gehen. Olga, ich bin müde," sagte Palle und erhob sich. (Fortsetzung folgt.)