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Paneuropa-Dämmerung. Briands Fragebogen fertiggestellt. Paris. 22. April. Briand wird in einigen Tagen an 26 europäischen Staaten einen ausführlichen Frage bogen richten, den er im September vorigen Jahres in Aussicht gestellt hat und der sich mit der Frage beschäf tigt, ob eine Möglichkeit für die Schaffung eines Pan europa gegeben ist. Der Fragebogen ist augenblicklich noch Gegenstand einer genauen Untersuchung des Außen ministers und wird vor seiner Absendung dem franzö sischen Kabinett zur Annahme vorgelegt werden. Die europäische Gefahr. Paris, 22. April. Sauerwein beschäftigte sich in einem ausführlichen Artikel mit der Ausarbeitung des Paneuropa-Fragebogens durch Briand. Sauerwein sagt, derMißerfolgderLondonerFlotten- lonferenz, der das europäische Problem mit allen seinen Schwierigkeiten ausgedeckt habe, lasse gerade jetzt diese Frage wichtiger als je erscheinen. Die Bereinig ten Staaren von Europa seien dazu da, die Länder untereinander zu vereinen, die gemeinsame Interessen hätten, denn wenn Europa kein einheitlicher Markt werde, werde es sich immer mehr dem Kommunismus in die Hände spielen. Wenn men von europäischer Verständigung, Abschaf fung der Zollgrenzen und Bildung einer europäischen Polizei spreche, so handle es sich dabei nicht um Schieds gerichtspläne, wie sie in der letzten Zeit so reichlich auf ¬ gestellt worden seien, sondern um eine Verbindung von 20 Staaten, die, Seite an Seite lebend, gezwungen seien, sich entweder gegenseitig zu verständigen oder aber zu zerstören. Die beauftragten Vertreter dieser Länder mühten sich noch in diesem Jahre zusammenfinden. Kein Land könne dem Plan feindlich gegenüberstehen. Wenn ein Land, wie z. B. Deutschland, kein politisches Pan europa wünsche, so hätten sie doch alle große wirtschaft liche Interessen. Das Dreimächteabkommen fertiggestellt. London, 22. April. Der von der juristischen Sach verständigen im wesentlichen fertiggestellte Vertrag der Flottenkonferenz ist nach der „Times" ein sehr umfang reiches Dokument. Der Vertrag wird zum größten Teil - die Einzelheiten der Beschlüsse enthalten, die in einer ! sehr großen Anzahl von Sonderberichten niedergelegt ! sind. Der Wortlaut der Schutzklausel des Drei-Mächte- i Vertrages ist noch nicht engültig festgelegt, zwischen den Abordnungen Amerikas, Großbritan niens und Japans aber völlige Einigkeit erzielt worden. Die Entscheidung, ob die Schlußvollsitzung am Diens tagvormittag abgehalten wird, soll entgültig erst am Montagabend getroffen werden, da sich dann übersehen läßt, ob inzwischen von den verschiedenen beteiligten Re gierungen die endgültige Zustimmung zu dem Vertrag in einer gegenwärtigen Form vorliegt. Rückgang der Ermerbslosenziffer im Rheinland und Westfalen. Schlechte Aussichten im Bergbau. Essen, 22. April. Die Arbeitslosigkeit in der Nhein- provinz ist nach dem Bericht des Landesarbeitsamtes Rheinland in der ersten Aprilhälfte um 8100 Personen auf 239 300 Unterstützte zurückgegangen. Die Abnahme ist als gering anzusprechen. Ihre besondere Note erhält die Arbeitsmarktlage in der Rheinprovinz durch die eingetretenen und bevorstehenden Entlassungen im Ruhrgebiet. Stärker als Mülheim a. d. Ruhr werden gegenwärtig Duisburg, Hamborn und Oberhausen be troffen. Trotz Feierschichten und Kurzarbeit können die Entlassungen nicht mehr aufgehalten werden. Nach dem Bericht des Landesarbeitsamtes über die Lage auf dem westfälischen, Lippischen Arbeitsmarkt in der gleichen Zeit hat sich das Tempo des Rückganges der Zahl der Hauptunterstützungsempsänger gegenüber der zweiten Märzhälfte weiter beträchtlich verlangsamt. Der Rück gang betrug in der zweiten Märzhälfte 10 Prozent, in der ersten Aprilhälfte nur 1,6 Prozent. Der Beleg schaftsabbau im rheinisch-westfälischen Kohlenbergbau brachte seit Februar eine derartig starke Einschränkung, wie sie in so kurzer Zeit und in solchem Ausmaße nur in den Sommermonaten 1925 und April 1926 durch geführt wurde. Lockerung der Wohnungszwangswirt schaft in Thüringen. Durch Verordnung wird die von der thüringischen Regierung beschlossene weitere Lockerung der Wohnungs- Zwangswirtschaft in Thüringen bekanntgegeben. Danach finden die Vorschriften des Wohnungszwangsgesetzes keine Anwendung mehr in allen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern und außerdem in den Städten Arnstadt, Bad Frankenhausen, Friedrichroda, Ronne burg, Gößnitz, Kahla, Lauscha, Ohrdruf und Sonders hausen. Das Wirtschaftsministerium wird außerdem er mächtigt, den Kreis dieser aus der Wohnungszwangs wirtschaft herausgenommenen Gemeinden zu erweitern. Gleichzeitig wird auch in den größeren Städten die Woh nungszwangswirtschaft teilweise dadurch illusorisch ge- ! macht, daß der Begriff „teure Wohnungen", die der ! Wohnungsmangelverordnung nicht mehr unterliegen, ! eine wesentliche Ausdehnung erfährt. In Weimar gel- ten nunmehr schon Wohnungen mit einer Friedensmiete ! von jährlich 700 RM. als teure Wohnungen, bei Eisen- I ach und Jena ist die Grenze 600 RM., bei Gotha, Apolda ' usw. 500 RM. und bei Altenburg, Greiz, Anstadt, i Schleiz, Saalfeld, Sonneberg usw. 400 RM. Bei diesen sogenannten teueren Wohnungen darf über die all- ; gemein festgesetzte gesetzliche Miete hinausgegangen wer- ! den, aber höchstens um 20 Prozent der Friedensmiete. Großer Kirchenbrand in Rumänien. Ueber 100 Todesopfer. Bukarest, 22. April. In der Gemeinde Ko- ; stcsti im Bezirk Arges ereignete sich am Karfreitag ein Brandunglück, bei dem über 100 Personen ums i Leben kamen und 40 schwer verletzt wurden. Zum Kar freitagsgottesdienst hatte sich in der Kirche eine große Menschenmenge versammelt. Plötzlich sing einer der aus künstlichen Blumen bestehenden Kränze an einer Kerze Feuer und in einigen Sekunden brannten alle Kränze lichterloh. Das Feuer griff mit rasender Ge schwindigkeit um sich und erfaßte das Gebälk der Kirche. Nach kurzer Zeit stürzte mit fürchterlichem Getöse der Dachstuhl ein. Unter den Kirchenbesuchern entstand bei > Ausbruch des Brandes ein fürchterlicher Schrecken. Alle Anwesenden drängten dem einzigen Ausgang der Kirche zu, wo sich die Menge staute. Glücklicherweise waren ! infolge des Brandes einige Nisse in der Kirchenmauer entstanden, durch die ein Teil der Leute flüchten konnte. Nur drei Personen blieben bei dem Brand unverletzt. Die „möblierte Familie" Der heutige Schutz des Untermieters. Von Bürgermeister a. D. Schwan, Geschäftsführer des Deutschen Vereins für Wohnungsreform. Während in der Vorkriegszeit der sogenannte „möb lierte Herr" den Haupttyp der Untermieter darstellte, der in den weitaus meisten Fällen ein höchstens zwei Zimmer vom Wohnungsinhaber abzumieten pflegte, sind in der Nachkriegszeit unter dem Einfluß der Wohnungs not zahllose Familien gezwungen, ihr Wohnbedürsnis als „möblierte Familien" zu befriedigen. Zum Zeit- . punkte der Reichswohnungszählung im Mai 1927 lebten annähernd eine Million Familien in Untermiete! ! An der Gesamtzahl der Untermieter sind Einzelper sonen und Familien nahezu gleich beteiligt. Es geht daraus hervor, daß die heutige Wohnungsnot eben soviel Familien wie Einzelpersonen dazu zwingt, wohnlich sozusagen ein Iunggesellendasein zu führen. Der Begriff der Untermiete stellt sich dar als ein Vertragsverhältnis zwischen einer wohnungsuchenden Person und dem Inhaber einer Wohnung, so daß ein unmittelbares Vertragsver- i hältnis zwischen dem Hausbesitzer und dem Untermieter nicht besteht. Und doch werden die Interessen des Haus besitzers durch dieses Untermietverhältnis in so starkem - Maße berührt, daß die Frage der Untervermietung schon in der Vorkriegszeit Gegenstand der Ausemander- , setzung gewesen ist. Die heute verstärkte Abneigung des Hausbesitzes gegen das Untervermietungswesen hat ihren Grund hauptsächlich in dem Mißverhältnis, in dem Läufig die , Höhe der Untermiete und der Hauptmiete zueinander ! stehen. Ein nicht unerheblicher Teil alleinstehender In haber großer Wohnungen macht aus der Weitervermie- tung im möblierten oder unmöblierten.Zustande.häufig ein lukratives Geschäft und erweckt dadurch den durchaus verständlichen Wunsch beim Hausbesitzer, an diesen aus dem Mietvertrag mit ihm gezogenen Einnahmen betei ligt zu werden. Der Hausbesitz begründet seinen Anspruch ! außerdem damit, daß durch die Aufnahme von Unter- ! Mietern auch ihm höhere Unkosten erwachsen, wie bei spielsweise durch den gesteigerten Wasserverbrauch und die verstärkte Abnutzung. Die gesetzlichen Bestimmungen jedoch sind hier atzf seilen des Wohnungsinhabers. Neben das Bürgerliche Gesetzbuch (8 549), das dem Wohnungsinhaber das Recht offen ließ, die Wohnungen zu kündigen, wenn der Hausbesitzer ihm die Aufnahme eines Untermieters ver weigerte, ist bei der heutigen Unmöglichkeit, dieses Recht auszuüben und andererseits im Hinblick aus die Woh nungsnot und die wirtschaftlichen Verhältnisse der 8 29 des Mieterschutzgesetzes getreten. Hiernach kann unter be stimmten Voraussetzungen die vom Hausbesitzer ver weigerte Zustimmung zur Aufnahme von Untermietern durch das Mieleinigungsamt ersetzt werden. Das Recht zur Verweigerung der Aufnahme von Untermietern ist dem Hausbesitzer nur bei Vorlage eines wichtigen Grun des eingeräumt, der in der Person des Untermieters begründet sein m,uß. In Preußen bedeutet es keinen wichtigen Grund für den Hauswirt, die Untermiete zu verbieten, wenn der Wohnungsinhaber die Zahlung eines besonderen Entgelts für die durch die Untervermietung erhöhte Abnutzung der Räume und die Betriebskosten ab lehnt. Z 17 der Preußischen Verordnung über Mietzins bildung vom 17. April 1924 hat die Festsetzung von Zu schlägen wegen Untervermietung ausdrücklich für unzu lässig erklärt. Wenn es auch stets besonders ledige.Personen in jüngeren Lebensjahren geben wird, die aus Untermiete angewiesen bleiben werden, so wird man in dem Zustand, der heute herrscht und der zahllose Familien dazu zwingt, in Untermiete zu leben, einen Mißstand erblicken müssen, dessen Beseitigung mit allen Mitteln anzustreben ist- Leider liegen die Dinge heutzutage meist so, daß gerade Die Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten Korch. 17> (Nachdruck verboten) Aber Nikolaj blieb stehen; Palle hatte gut gemerkt, daß er mehrmals, wenn Palle zufällig in seiner Nähe gewesen war, Lust gehabt hatte, sich an ihn heran zumachen. Jetzt begann er in einem ziemlich vertrau lichen, halb beschützenden Tone: »Ja, jetzt ist ja alles bald vorbei, leider. Ja, ich weiß es schon lange, aber es nutzt ja nicht, jetzt davon zu reden." Er machte eine Pause; als Palle aber nicht antwortete, fuhr er fort: „Es ist schlimm für die Mühle und für uns alle; aber wir dürfen ja nicht vergessen, daß niemand unersetzlich ist, Gott sei Dank." Nikolaj kniff das Auge zu und sah Palle bedeutungsvoll an. Palle nickte ein wenig kühl; er hatte eine eigene Art, die Leute in Abstand zu halten, die ihre Wirkung aus Nikolaj ausübte. Nikolaj wollte sich jedoch nicht geschlagen geben, er nahm sich zu sammen und trat einen Schritt näher. Er hatte große Lust, „Palle" zu sagen, wagte es aber doch nicht. „Jetzt müsse« wir beide uns zusammennehmen," sagte er mit Nachdruck und sah Palle gerade ins Gesicht. „Wir müssen uns alle zusammennehmen; aber ich werde schon das meine tun," antwortete Palle und zog sich ein wenig zurück. „Und wenn ich auch das meine tue, dann wird es schon gehen. Ja, Sie wissen ja wohl, daß ich so eine Art Werkführer bin." „Nein, das wußte ich nicht. Ich glaubte eher, daß Ludvig es wäre." „Ludvig!" Nikolaj unterdrückte ein bissiges Lächeln. „Ja, danke schön. Nein, Ludvig ist ja ganz gut, er ist ein schrecklich netter Mensch und recht tüchtig." Nikolaj spuckte aus. „Ja, das glaube ich auch," sagte Palle. „Aber etwas Großes ordnen, jawohl, guten Morgen. Nein, dazu hat Ludvig bei allem Respekt keine Begabung. Sehen Sie, wir hatten ja seinerzeit eine ganze Menge Vereine, wir haben nicht weniger als sieben gehabt." „Das ist aber viel." „Ja, es waren zuviel, ja, namentlich zuletzt, als wir nur noch acht Mann waren. Da war es ein bißchen reich lich. Ja, Redlichkeit gehört zu allem. Sehen Sie, deshalb habe ich fünf zu einem zusammengeschlossen und von dem bin ich Vorsitzender. Jetzt sitzt Ludvig allerdings mit zweien da; er will nicht eintreten, aber ich denke, die sterben von selber, viel Leben ist nicht mehr in ihnen." „Aber in Ihrem also?" „Ja, danke, ich klage nicht. Wir bringen gesunde Belehrung, also Vorträge und solche Dinge und Unter haltung. Wir sind es, die für den Waldausflug und alles sorgen, und einen Abend mit Tanz haben wir auch. Ich hoffe, daß Sie Mitglied werden, Ihr Vater ist es immer gewesen." „Jetzt müssen wir beide uns zusammennehmen," sagte er mit Nachdruck Nikolaj machte eine Pause, da Palle aber nicht ant wortete, begann er wieder. „Aber das wichtigste sind ja die Interessen der Arbeiter, ich kümmere mich um alles, um die Arbeiter hier in der Mühle, um die Hauser, und daher gibt es schon ein ganz Teil für mich zu tun." „Aber jetzt wollen wir Vater erst in Frieden sterben lassen, Nikolaj." Palle drehte sich halb auf dem Absatz um. „Natürlich, das ist auch meine Meinung, wollen Sie bitte grüßen. Ich glaube, ich darf sagen, daß Ihr Vater und ich all diese Jahre gut zusammengearbettet haben, sogar ausgezeichnet. Na. dann ist es wohl am besten, daß man in den Garten kommt und seine Kartoffeln ein bißchen häufelt." Nikolaj lüstete seine Mütze und ging. Es wurde ihm schwer, Haltung zu bewahren, er fühlte, daß er wenigstens keinen Sieg errungen hatte. Palle ging eine Weile im äußersten Teil des Parks auf.und ab; hin und wieder warf er einen Blick nach dem Fenster des Vaters, um aufzupassen, falls Jette rufen sollte; aber seine Gedanken waren jetzt bei Sara. Er sehnte sich unbeschreiblich danach, sie zu sehen. Ihm war der Gedanke gekommen, daß etwas sein Glück bedrohte: jetzt mußte er Sara sehen, mit ihr reden und sich ver gewissern, daß fein Glück kein Traum war. In diesen acht Tagen hatte er nicht ein einziges Mal Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen. Aber fast täglich hatte er sic vom Fenster aus gesehen, wenn sie die Mühle verließ, und ein paarmal hatte sie heraufgesehcn und ihm zugenickt. Jetzt behielt er ihr Heim im Auge, um möglichst einen Schimmer von ihr zu sehen. Die Mühlenhütte, wie Julius und Karens Haus immer genannt wurde, war das nächste der vier hübschen Arbeiterhäuser, die Dines Farmer hatte bauen lassen, und zugleich bei weitem das bestgehaltene. Es war von einem hübschen, recht großen Garten umgeben, der ausgezcichmi von Julius gepflegt wurde. Die übrigen Häuser waren für je zwei Familien eingerichtet; aber Julius hatte das seinige allein, weil Tante Benta bei ihm wohnte. Er konnte Stimmen aus dem Garten hören. Das war Tante Benta; er hörte sie deutlich lachen, und wirklich, er hatte Glück, es war Sara, mit der sie sprach. Aber wer war der Mann mit der tiefen Stimme? Jetzt hörte er es, es war Niels Nikolaj. Das Blur stieg Palle zu Kopse. Ihm schien es, daß es so vertraut, fast zärtlich klang. So, jetzr kam Nikolaj zum Vorschein, er trug Tanle Benta; er schritt so leicht, als wäre sie ein kleines Kind und dabei hatte Tante Benta doch ein ganz gutes Ge wicht. Tante Benta Hane beide Arme um seinen Hals gelegt, ia. Nikolaj war ja immer ihr Liebling gewesen. Sara kam ei« Paar Schritt hinterher; als Nikolaj hin- eingegangen war, blieb sie aus der Treppe stehen und sab nach der Ringmühlc und den Park hinauf Palle lief ganz bis zum Wasser und winkte, er hoffte, daß sie ihn erblicken würde; aber das schien nicht der Fall zu sein und gleich darauf kam Nikolaj wieder. (Fortsetzung folgt.)