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Schiele über seinen Berlin, 2. April. Die Pressestelle des Reichsland bundes verbreitet den Vries des jetzigen Reichsministers Schiele an den deutschnationalen Parteiführer, Ge heimrat Hugenberg, in dem Schiele seinen Eintritt in die Regierung Brüning begründet. Schiele weist auf die immer bedrohlicher werdende Not lage der Landwirtschaft namentlich im Osten hin, sowie auf den persönlichen Wunsch des Reichspräsidenten, das; er. Schiele als Fachminister, die in dem Brief Hinden burgs an den Reichskanzler geforderte Hilfsaktion durch führe. Um diese Aufgaben bei den gegenwärtig ge gebenen politischen Verhältnissen erfüllen zu können, bedürfe er der Handlungsfreiheit. Aus diesem Grunde und auch um der Partei und ihrer Reichstagsfraktion die in der Fraktionsgemeinschaft liegenden Bindungen abzunehmen, habe er sich veranlaßt gesehen, sein Man dat aufzugeben und demzufolge auch sein Amt im Par teivorstand niederzulegen. „Ich habe", so fährt Schiele fort, „mich zu diesem Schritt nach über 16jähriger Zu gehörigkeit zur alten konservativen und seit ihrem Be stehen zur deutschnationalen Reichstagsfraktion nach ernsten Erwägungen entschlossen. Meinen politischen Freunden werde ich innerlich immer verbunden bleiben. In der festen Ueberzeugung, daß der erste Schritt zur nationalen Freiheit und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau unseres Vaterlandes sowie zur so zialen Einigung unseres Volkes eine zielbewusste Agrar- und Ostpolitik ist, habe ich das mir über tragene Amt angenommen. Ich bin mir bewußt, daß hierüber Unterschiede in den Auffassungen zwischen Ihnen und mir bestehen. Unserer Vereinbarung gemäß, teile ich Ihnen meinen Entschluß und meine Beweggründe auch noch schriftlich mit." Zugleich mit der Abschrift des Briefes sandte Schiele an den Fraktionsvorsitzenden. Oberfohren, ein Schreiben, in dem cs u. a. heißt: In dem Ziele, in unserem Volke den Willen und dieKraft zur na tionalen Befreiung lebendig zu er halten, weiß ich mich mit meinen politischen Freun den eins. Zu den unerläßlichen praktischen Voraus setzungen für die Erreichung dieses Zieles gehört aber, . daß kein Mittel unangewendet bleibt, das auch unter den heutigen Verhältnissen geeignet ist, den landwirt schaftlichen Berufsstand wieder lebenskräftig zu machen und so dem Landvolke überhaupt erst die Möglichkeit zu geben und es geneigt zu machen fern von verzweifeln- . dem Radikalismus und berufsständischer Isolierung, sich wirksam der nationalen Vefreiungspolitik zur Ver fügung zu stellen. Einer solchen Aufgabe, die von den maßgebenden landwirtschaftlichen Berufsorganisationen von mir persönlich gefordert ist, konnte ich mich nicht entziehen. Es geht ums Ganze. Berlin, 2. April. Die Berliner Blätter nehmen zum Teil ausführlich zur Regierungserklärung des Ka binetts Brüning Stellung und beschäftigen sich darüber hinaus mit dem ungewissen Schicksal dieses Kabinetts. Die „Germania" schreibt, in dieser Stunde handele es sich weniger um die Existenz einer Negierung und dieses Reichstages als vielmehr um die Frage, ob jetzt endlich, wo es fast zu spät werde, die Arbeit an der finanziellen und wirtschaftlichen Gesundung des Reiches mit aller Kraft in Angriff genommen werde. Das Blatt hofft, daß sich das Parlament aus politischem Verantwortungsgefühl heraus dieser entscheidenden Frage nicht entziehen möge. Die „DAZ" sagt, wenn das neue Kabinett an seinen guten Zielen festhalte, werde es sich zum Nutzen des Landes durchsetzen. Die „Deutsche Tageszeitung" bezeichnet es als die Forderung Regierungseintritt. der Stunde für alle Verantwortungsbewuß ten, dem neuen Kabinett, das in einem bisher wieder um noch nicht erlebten Maße getragen ist von der Auto rität des Reichspräsidenten, die Gelegenheit zu geben, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Das „Berliner Tageblatt" weist darauf hin, daß die Dro hung mit der Auflösung des Reichstages die sozialdemo kratische Illusion zerstöre, als könne, wenn Brüning ge stürzt werde, unter Brüning oder einem anderen Kanz ler wieder die Große Koalition gebildet werden. Die „Leipz. N. N." schreiben zu der Erklärung der neuen Reichsregierung: Dreimal hat der Reichskanzler Dr. Brüning warnend und mahnend seine Stimme erhoben, nicht als Bittender, sondern als Fordernder. Der Reichstag weiß, woran er ist und die Parteien, die sonst immer so gern von sich behaupten, daß sie das Vaterland über alles stellen, sollten sich zehnmal überlegen, ob sie es verantworten können, diesem Kabinett dis Gefolg schaft zu verweigern. Sollte engstirniger Par te i d o g m a t i s m u s doch triumphieren, dann hat das letzte Stündlein dieses Reichstages ge schlagen. Das Kabinett Brüning hat mit seinem Pro gramm schlichter Sachlichkeit den Namen Bismarcks eine Huldigung dargebracht und so hat der.Reichstag wider Erwarten eine ganz eigenartige Feier des ersten April erlebt. Die heutige Neichstagsitzung. Berlin, 2. April. Der Reichstag begann heute um 12 Uhr mittags mit der großen politischen Aussprache über die Erklärung der neuen Reichs regierung. Als erster Redner hat der sozialdemokra tische Fraktionsführcr Dr. Breitscheid den Miß trauensantrag seiner Fraktion begründet. Für die Deutschnationalen spricht Fraktionsführer Dr. O b e r f o h r e n. Das Ergebnis der Abstimmungen, die am Donners tag stattfinden sollen, ist noch völlig ungewiß, doch herrscht in parlamentarischen Kreisen die Tendenz vor. daß es nicht zum Sturz der Regierung kommen soll. Wie verlautet, wird innerhalb der Regierungsparteien die Frage erörtert, ob man einen gemeinsamen Antrag einbringen soll, der die Regierungserklärung zur Kenntnis nimmt und über alle anderen Anträge zur Tagesordnung übergeht. Gegen die Absicht, auf diese Weise die Mißtrauensanträge zu erledigen, wird allerdings von der Opposition heftiger Einspruch eingelegt werden. Am Regierungstisch haben Reichskanzler Dr. Brüning und das Reichskabinctt Platz genommen. Der Präsident eröffnete die Mittwochsitzung um 12 Uhr. Auf der Tagesordnung stand die Besprechung der Erklärung der Reichsregierung damit verbunden sind die Mißtrauensanträqe der Kom munisten und Sozialdemokraten. Abg. Dr. B r e i t s ch e i d sSoz.) schloß sich für seine Fraktion dem Dank an den Reichskanzler an. Die Mei nungsverschiedenheiten und Gegensätze bestanden vor allem zwischen den beiden großen Flügelparteien der Großen Koalition, der Sozialdemokratie und der Deut schen Volkspartei. Es war eine dornenvolle Aufgabe, immer wieder den gemeinsamen Weg zu suchen. Trotz dem ist uns das fast Jahr lang gelungen, bis schließ lich das Kabinett an einer Frage scheiterte, in der die Kluft zwischen den beiden Flügelparteien unüberbrück bar geworden svar. Die Regierungszeit hat Opfer von uns gefordert. Ohne solche Opfer ist überhaupt keine Koalitionsregierung denkbar. Auch die anderen Be teiligten haben große Opfer gebracht. Hindenburg an Schacht. Berlin, 2. April. Wie wir erfahren, hat Reichs präsident von Hindenburg an den aus der Reichsbank ausscheidenden Präsidenten Dr. Schacht ein längeres Schreiben gerichtet. Dr. Schacht wird sich bereits heute in einer internen Sitzung von den Mitgliedern des Reichs bankdirektoriums verabschieden. Die Amtsübergabe an Dr. Luther erfolgt am Donnerstag. Vor Sejm-Neuwahlen in Polen. Warschau, 2. April. In seiner Rede am Dienstag hob Oberst Slawek hervor, daß der Regierungsblock trotz anfänglicher innerer Reibungen und Meinungs verschiedenheiten mit der Zeit doch zu einem festgefügten Ganzen geworden sei, dessen Hauptziel es sei, der Idee desStaates und seinemWohl nach dem Willen des Mar schalls Pilsudski zu dienen. Heute stehe der Rcgicrungs- block einiger und festgefügter als je. Die Ereignisse führten zur Notwendigkeit, den Sejm aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Oberst Slawek forderte alle Mitglieder des Blocks auf, unverzüglich an die Wahl arbeit zu schreiten. Wie bereits gemeldet, hat der Re gierungsblock den Verzicht des Obersten Slawek nicht angenommen und ihn gebeten, die Führung des Blockes weiterhin zu behalten. Der Block ersuchte den früheren Ministerpräsidenten Switalski, den Vorsitz vertretungs weise zu führen. Die „Europa" auf ihrer Rückreise. Bremen, 1. April. Der Schnelldampfer „Europa" des Norddeutschen Lloyd legte auf seiner Heimreise vom Mittag des 29. März bis zum Mittag des 30. Mürz bei starker Brise aus westlicher Richtung, bewegter See, grober Dünung und Nebelschwaden, die vorübergehend zur Fahrtverminderung zwangen, eine Strecke von 618 Seemeilen zurück, was einer Durchschnittsgeschwindig keit für diesen Tag von 26,87 Seemeilen in der Stunde gleichkommt. Im zweiten Etmal der Reise, also vom Mittag des 30. März bis zum Mittag des 31. März, wurden 635 Seemeilen zurückgelegt bei stürmischen Win den aus westlicher Richtung, wilder See und grober Dü nung. Dies entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,61 Seemeilen. Bei der Berechnung des Tages durchschnitts ist zu beachten, daß aus dem Wege von West nach Ost, also auf der Heimreise, bei Schiffen von der Geschwindigkeit der Schnelldampfer des Nord' deutschen Lloyd die Uhr in 24 Stunden eine Stunde vor- ausgestellt wird, so daß in Etmalen, das heißt die Zeit von Mittag zu Mittag, in dieser Richtung nur 23 Stun den umfaßt. Auf dem Wege von Ost nach West, also in umgekehrter Richtung wird die Uhr an jedem Reisetage eine Stunde zurückgestellt, so daß die Etmale in dieser Richtung 25 Stunden umfassen. Die deutsche Flotte zur Auslandsreise ausgelaufen. Wilhelmshaven, 1. April. Dienstag vormittag hat die deutsche Flotte Wilhelmshaven und Kiel verlassen, um sich am 2. April am Weser-Feuerschiff zu treffen. Um 13 Uhr verließ Linienschiff „Schlesien" und um 17 Uhr „Hannover" den Heimathafen, um die Reise mitzu machen. Um 8 Uhr verließen „Holstein" und „Hessen" sowie der neue Kreuzer „Königsberg" den Kieler Hafen, um sich mit den Nordseestreitkrüften zu vereinigen. Am 2. April wird die vereinigte Flotte unter Führung des Vizeadmirals Oldekopp die Ausbildungsfahrt nach dem Mittelmeer gntreten. Für die Reise sind vier Wochen im Atlantischen Ozean und sechs Wochen im Mittelmeer vorgesehen. Ende Mai treten die Schiffe die Rückreise an, wobei sämtliche Schiffe sich an den spanischen Ba learen versammeln. Eine fünftägige Schlußübung ver einigt die Seestreitkrüfte bis zum 18. Juni. Die Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten K o r ch. Einzig berechtigte Übersetzung von Erwin Magnus 1s ! Nachdruck verboten.« Erstes Kapitel Es war ein herrlicher Sonnentag mitten im Mar Durch die hügelige füueusche Landschaft schlängelte sich ein Bach an Feldern und fruchrdaren Wiesen vorbei: dort, wo er den Wald erreichte, wurde er plötzlich tiefer und breiter, fast ein kleiner Fluh Büsche und grüne Weiden standen dicht an den Usern, sie machten die merwürdigstcn Krümmungen, um sich so tief wie möglich zu neigen, und die schönen Kronen mit den feinen hellgrauen Blättern und den braunen Schuppen spiegelten sich in dem klaren Wasser. Dann hörte der Wald plötzlich auf und der Bach lief in die großen Teiche der Ringmühle. Viel Schönes hatte der Bach aus seinem Wege gesehen: aber die Ringmühle war doch weit, weit das schönste. Wie eine köstliche Perle lag sie auf dem Grunde des Tales verborgen, so friedlich und still vor allen Winden geschützt; ihre Schönheit war so mild, so seltsam harmonisch, daß die Fremden, die sie zum ersten Male sahen, fast unwillkürlich stehenbleiben mußten, wenn sie aus dem Walde traten und sie plötzlich erblickten. Die alte Mühle war nicht allein wunderbar schön, es war etwas Ergreifendes an ihrer Schönheit, das zu Herzen ging. Es war, als spiegelte sich das Schicksal der Ringmühle aus eine merkwürdige Art in allem, was man sah, und füllte das Bild mit einem Ton von Wehmut. Wenn man auf die großen Fachwerkgebäude, auf den blanken Mühlenteich oder den alten, vernachlässigten Park blickte, dann war dieses Geheimnisvolle überall verborgen. Und noch besser hörte man es Wohl im Rauschen des Wassers, wenn es schäumend und kochend durch die Schleusen stürzte, oder in dem knirschenden Stöhnen des Mühlenrades. Es war, als ob alles von dem erzählte, was einmal gewesen war, von der Zeit, da der Mühlenhof mit warten den Wagen gefüllt war, der Zeit, da der wohlgenährte Müller von Wagen zu Wagen ging und den Kunden einen Trunk reichte, während Ladung auf Ladung polternd auf die Mühlenbrücke rollte; von der Zeit, da der Ringhos und die Wälder dem Müller gehörten und das Geschlecht der Jarmer so reich war, daß man weit und breit von ihnen sprach. Noch deutlicher erzählte es aber wohl von der schweren Zeit des Mißgeschicks und von dem harten und fast hoffnungslosen Kampf, der setzt seit vielen Fahren gegen den völligen Untergang geführt worden war .Das alte Mühlenrad war das Herz der Ringmühle, ruhig und sicher war es in böser« und in guten Tagen seinen Gang gegangen; taktfest schlug es seine Schläge, es besaß so viele Laute, aber in jedem einzigen Lani glaubte man das Schicksal der Ringmühle zittern zu hören Das ganze Tal hörte das Rauschen des Wassers und das Dort, wo sie saß, konnte sie alles überblicken, ohne selbst gesehen zu werden murmelnde Stöhnen des Mühlenrades; hinter diesen Lauten aber hörte man ein schrilles Kreischen von Säge brettern und ein dumpfes Schnurreu von rollenden Rädern, die aus dem Mühlenhanse und dem großen hölzernen Gebäude dahinter kamen. Es war ungefähr vier Uhr, das Wasser rauschte, das Mühlenrad ging wie immer und die Maschinen schnurrten, aber kein Mensch war zu sehen. Dann kam ein junges Mädchen angeradelt, sie kam den Weg hinter der Mühle herab; als sie die Mühlenbrücke erreichte, hielt sie an; leicht und graziös sprang sic ab, stellte das Rad gegen das Geländer und schöpfte einen Augenblick Atem; es war Sara von der Mühlhüttc. Vorsichtig stieg sie den Hang hinauf und setzte sich aus einen Stein dicht am Mühlenteich Dort, wo sie saß, war sie von einem grünen Strauch verborgen; sie konnte alles überblicken, ohne selbst gesehen zu werden. Sara hatte vor vielen Fahren dieses Versteck entdeckt und es zu ihrem Zufluchtsort gemacht. Sie konnte von hier aus den größten Teil der Ring mühle überblicken und auch ihr Heim sehen, das erste der vier Arbeiterhäuser, die in einiger Entfernung vonein ander am Rande des Waldes lagen. Viele einsame Stunden hatte Sara hiei verbracht; wenn sie traurig war. kam sie mit ihrem Kummer hierher. Heute aber war es nicht Kummer, der sie hertrieb, eher eine heimliche Freude oder eine Sehnsucht, mit der sie allein sein mußte. Sie blickte sich um und entdeckte, daß seit dem gestrigen Tage die Buche fast aufgesprungen war, und nie, schien es ihr. war die Ningmühlc so schön gewesen; sie genoß den Anblick einen Augenblick, dann zog sie mit einer anmutigen Bewegung die Füße hoch und überließ sich ihren Träumen. Sie war klein und zart, mit einem lebhaften Gesicht und merkwürdig blühenden Augen; sie strich sich das blanke braune Haar, das nie gehorchen wollte, aus der Stirn und das Denken legte Glanz über ihr Antlitz Sie war wohl nicht eigentlich schön, aber ihr Gesicht klug und freundlich, wenn auch der Mund ein wenig zu groß erschien; kräuselte er sich aber, Ivie jetzt, unter diesem kleinen geheimnisvollen Lächeln, das für sic- charakteristisch war, se verlieh er ihrem Gesicht einer, eigentümlichen Ausdruck. Wie sie j^tzl hier auf dem Stein saß und über den Mühlensee hinausblickte, ohne auf etwas Bestimmtes zu sehen, verschmolz sie mit ihrer schönen Umgebung; cs waren sv viele klein, Züge an ihr, die zusammen ein Bild von bezaubernder Anmut bil deten, und ihr Gesicht war wie ein Märchen, das seine Herrlichkeiten noch nicht erschlossen hatte. Wie sie hier saß, erhielten das Lächeln immer mehr Macht, die Äugen immer mehr Glanz: daä Märchen darin entfaltete sich; plötzlich aber trat Angst in ihn Züge, sie faltete ihre Hände und mit tiefem Ernst betete sie um etwas Heiliges und Teures, dos niemand wissen durfte. Dann erblickte sie eine Blume, die das Wasser ihr zugeführt hatte. Es war ein blühender Pflaumenzweig mit einigen kleinen grünen Blatiknospen, der auf dem Wasser dahinfegelte; als er sich aber der Schleuse näherte, beschleunigte er seine Fahrt und drohte zn kentern. lForlsetzung folgt.)