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2,5 Millionen Hauptunterstützungs empfänger. Berlin, 12. Februar. Die Arbeitslosigkeit hat auch in der Berichtswoche ihren winterlichen Höhepunkt noch nicht überschritten. Die Kurve der Hauptunterstiitzungs- cmpfänger, die Ende Oktober mit rund 890 00V sehr hoch einsetzte, dann von Woche zu Woche schneller anstieg, zwischen dem 15. und 31. Dezember, ihrer steilsten Phase, allein um 31V 600 emporschnellte, dann seit Beginn des Jahres 1930 immer weiter, wenn auch Woche um Woche langsamer, anwuchs, ist auch in der Verichtszeit vom 3. bis 8. Februar noch um 50 000 angestiegen. Sie dürfte nach den Vormeldungen der Landesarbeitsämter am 6. Februar dicht an 2 260 000 liegen. Zu dieser Zahl unter stützter Arbeitsloser kommen noch rund 250 OM Krisen- unterstützte, so daß rund 2,5 Millionen Hauptunter- slützungsempfänger in der ersten Februarwoche — un berechnet der Fluktuation innerhalb dieses Massenan dranges und die übrigen Arbeitsuchenden — den deutschen Markt belasten. .... An dieser großen Arbeitslosigkeit sind die Außen- beruse mit mehr als der Hälfte beteiligt. Die Entlassun gen sind auch in der Berichtswoche noch nicht zum Still stand gekommen. Da die Bau arbeiten nicht durch eine plötzliche, heftige und anhaltende Frostperiode ab gebrochen wurden, folgten die Entlassungen mehr dem jeweiligen Abschluß der Bauvorhaben und laufen mit dem Abklingen der Restarbeiten jetzt noch aus. Die Zu rückhaltung in der Aufnahme neuer Bauprojekte und in der Auftragserteilung an die Baustoffindustrie hielt an. Sie gibt zu ernsten Besorgnissen über Zeitpunkt und Grad der Frühjahrsentspannung allen Anlaß, wenn es nicht bald gelingt, alle Energie auf dieses Schlüsselgebiet des Marktes so weit als möglich zu konzentrieren. MA Men gegen amiilmW Beteiligung nn der B.Z.Z. Neuqork, 11. Februar. Der Vorsitzende des Banken- Wührungsausschusses im Repräsentantenhaus, Mae Fadden, nahm in einer Erklärung scharf gegen eine amerikanische Beteiligung an der B. I. Z. Stellung, wodurch Amerika nur in europäische Angelegenheiten verwickelt werden könnte. Die V. I. Z. sei nur das Fi- nanzorgan des Völkerbundes. Mac Fadden fügte hinzu, daß durch die Be teiligung der Vundes-Reseroebanken an zwei Dritteln des im ganzen 300 Millionen betragenden Morgan- Kredils an England ein gefährlicher Präzedenzfall ge schaffen werde, der Europa zu der Annahme berechtige, daß das amerikanische Notenbanksystem trotz der ent gegengesetzten Satzungen derartige Operationen ge statte. Daher könne er die Reuyorker Bundesbank vor einem allzu engen Kontakt mit der B. I. Z. nur war nen. Wenn die Regierung im Besitz besonderer diplo matischer Informationen dem Schatzamt internationale Finanzbeziehungen verbiete, habe sie zweifellos gewich tige Gründe. Die Rede M a c F a d d e n s hat in ganz Amerika großes Aufsehen erregt, da er der Schöpfer des Bank gesetzes ist. MMlNzler UM üb« seine Reisen , «ich Rom und Berlin. Wien, 10. Febr. Aus dem Ball der Journalisten und Schriftstellervereinigung Concordia am Montag hielt Bundeskanzler Schober eine Ansprache, in der er fest stellte, daß Oesterreich im Haag einen vollen Erfolg erzielt habe, wenngleich ein Teil der Presse an den Er gebnissen nörgele. Dann fuhr er fort: Auch die Reise nach Rom, die mit zwei meiner Vorgänger bereits vereinbart, nun aber unter wesentlich günstigeren Umständen von mir als dem Vertreter des im Haag wieder frei gewordenen Oesterreich unternommen wurde, gab den Nörglern und Kritikern Anlaß zu Fälschungen der Wahrheit und war wieder ein Anlaß zu giftmischendem Pessimismus. Es wurden zur Beunruhigung unserer öffentlichen Meinung und der auswärtigen Staaten falsche Nachrichten ver breitet in der offenbaren Absicht, unsere in der tausend jährigen Geschichte unseres Volkes begründete Bluts brüderschaft mit Deutschland und das kaum ungebahnte Verhältnis zu Italien zu stören. Aber wir werden dafür sorgen, daß die Verfasser dieser Nach richten nicht auf ihre Kosten kommen. Wer mich kennt, der weiß, daß ich der Würde unseres Landes nichts ver gebe, und an meiner Liebe zu Deutschland lasse ich von niemandem rütteln. So bezeichne ich meine Reise nach Rom als einen österreichischen Er folg ,der unserer kleinen Republik dringend zu wünschen war und der durch meine bevorstehende Fahrt nach Berlin ergänzt und vervollständigt werden wird. Der Bundeskanzler schloß mit einer Aufzählung der wirtschaftlichen Ausgaben, die die Regierung lösen wolle, und bat die Presse um ihre Mitarbeit. Eine Rundfunkrede Snowdens in Amerika. London, 10. Februar. Schatzkanzler Snowden richtete am Sonntag im Rundfunk eine Ansprache an die Ver einigten Staaten, die auf einer besonderen Welle nach Amerika übertragen wurde. Er wies eingangs darauf hin, daß der bisherige Verlauf der Flottenkonferenz zu der Hoffnung berechtigte, daß gute Ergebnisse erziel! werden könnten. Der Hauptteil der Rede galt der Rüstungsfrage. Die unsinnige Behauptung, daß die Vor bereitung für den Krieg die beste Politik für seine Ab wendung darstelle, sei als völlig falsch nachgewiesen wor den. In Wirklichkeit sei durch den Krieg niemals irgend etwas endgültig geregelt worden. Auch die allgemeine Sicherheit könne durch einen Krieg nicht gesteigert wer den, nicht einmal für die siegreichen Länder. Dem Welt krieg seien auf Seiten der siegreichen Mächte die größten Anstrengungen gefolgt, durch Anwendung aller Mittel Vorbereitungen für den nächsten Krieg zu treffen, und diesen grausamer und zerstörender zu gestalten, als irgend einen bewaffneten Zusammenstoß vorher. Der Weltkrieg habe Großbritannien mit einer Schuld von 35 Milliar den Dollar belastet. Bei Beibehaltung des gegenwärti gen Tempos an Rück- und Zinszahlungen würde es meh> als 140 Jahre dauern, um diese Schuld zu tilgen. Tscheka - Methoden. Paris, 11. Februar. Nach einer Meldung der „Agentur Radio" hat der ehemalige zaristische Marine minister, Admiral Grigorowitsch, der sich seit einigen Jahren in Frankreich aufhält, von der Moskauer Regie rung den Befehl erhalten, sofort nach Rußland zurück zukehren, andernfalls man seine in Rußland ansässige Familie ins Gefängnis werfen werde. lieber die Gründe der Zurückberufunq sei in der Aufforderung nichts ge sagt. Das „Echo de Paris" fügt dieser neuen Erpressung der Moskauer Regierung hinzu, daß sie nur beweise, wie dringend notwendig der sofortige Abbruch der diplo matischen Beziehungen zu Rußland sei. Stalin Ritter des roten Banner-Ordens. Kowno, 11. Februar. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat der Zentralrat der russischen Gewerkschaften be antragt, Stalin den roten Banner-Orden erster Klasse zu verleihen. Stalin würde damit Inhaber des höchsten Ordens werden, den die Sowjet-Union zu vergeben hat. Aus aller Well. * Kommunistische Ruhestörungen in Magdeburg. Nachdem es bereits am Montag abend im Anschluß an eine öffentliche Versammlung der Ortsgruppe Magde burg der Kommunistischen Partei zu Störungen durch Kommunisten gekommen war, in deren Verlauf, zehn Personen zwangsgestellt werden mußten, bildete sich am Dienstag gegen 13 Uhr am Arbeitsamt ein Kund gebungszug, der sich durch die Neustädter Straße nach dem Iakobikirchplatz bewegte. Beim Herannahen des herbeigerufenen Uebersallkommandos suchte die Mehr zahl der Umzugsteilnehmer das Weite. Das Ueber- sallkommando säuberte mit inzwischen eingetroffenen Ver stärkungen die Straße und nahm 23 Personen wegen groben Unfugs fest. Die Festgenommenen wurden dem Polizeigefängnis zugeführt. * Vier Bergleute von Gesteinsmassen verschüttet. Aus KaUowitz wird gemeldet: Aus der Margrube in Michalkowitz wurden vier Bergarbeiter von herabstürzen den Eesteinsmassen verschüttet und schwer verletzt. Sie fanden im Knappschastslazarett Aufnahme. * Zusammenstöße zwischen Kommunisten und Na tionalsozialisten. Am Montagabend kam es in Itze hoe zu blutigen Zusammenstößen zwischen National sozialisten und Kommunisten. Die NSDAP, hielt in Itzehoe eine öffentliche Versammlung ab, in der der Na tionalsozialist Engel, Berlin, über das Thema „Hunger marsch" oder Freiheitskampf?" sprach. Die Versammlung verlief ziemlich ruhig, obwohl zahlreiche Kommunisten anwesend waren. Nach Schluß der Versammlung kam es infolge eines tätlichen Angriffes eines Kommunisten zu einer allgemeinen Schlägerei. Die Kommunisten, die aus dem Saal gedrängt wurden, bewaffneten sich mit Flaschen und versuchten, das Lokal zu stürmen, wobei es zwischen ihnen und der Polizei zu weiteren Zusammen stößen kam. Im ganzen sind fünf Nationalsozialisten und neun Kommunisten erheblich verletzt worden. Die Poli zei nahm eine Anzahl Kommunisten fest. * Explosion in einer Triester Redaktion — 4 Ver letzte. Terrorakt der „Orjuna"? Wie der „Messaggero" meldet, ist aus noch nicht aufgeklärten Gründen am Montag in Triest ein Attentat auf die Redaktion des „Popolo di Triesti" verübt worden. Um 22,50 Uhr, als die Redaktion und die Setzerei bei voller Arbeit waren, erfolgte im ersten Stock des Gebäudes eine furchtbare Explosion, der der Einsturz von Türen, Fenstern und Decken folgte. Bald darauf wurden vier Verletzte, und zwar der Redakteur Neri, zwei Korrektoren sowie ein Bote ins Krankenhaus geschafft. An der Unglücksstelle traf sofort die Feuerwehr ein, um die Aufräumungs arbeiten vorzunehmen. Die Spitzen der Behörden, der Präfekt, der faschistische Bundessekretär und der Regie rungs-Bürgermeister trafen in Begleitung des Polizei- wüchtmeisters in der Redaktion ein. Die ersten Unter suchungen haben zu der Vermutung geführt, daß es sich um die Explosion einer großen Granate handelt. Nach dem „Messaggero" ist bisher über die Ursache der Explo sion nichts Bestimmtes festgestellt worden, jedoch herrscht die Meinung vor, daß es sich um einen Terrorakt der „Orjuna", der bekannten nationalistischen südslawischen Organisation handele. * Brand des Armenhauses in Breckton. — Drei Menschen getötet. Im Armenhaus in Breckton im Staate Massachusetts brach ein Brand aus, wobei drei Menschen in den Flammen umkamen. 17 weitere Per sonen wurden verletzt, unter ihnen zwei schwer. Der größte Teil der Insassen des Armenhauses konnte nur in dürftiger Bekleidung auf die Straße flüchten. Der Brand war in der Wäscherei ausgebrochen und inner halb ganz kurzer Zeit war das dreistöckige Holzgebäude, das den Hauptteil des Armenhauses bildet, ein Flam menmeer. Berichte, wonach bei dem Brand 100 Per sonen ums Leben gekommen seien, haben sich als un richtig erwiesen. Susanne Wefieropp. Roman von E. Hebberg. 7) (Nachdruck verboten.) Das übrige Mahl verlief ziemlich schweigsam, bis Mathilde beim Kompott sagte: „Nach Tische pack' nur fleißig weiter aus. Da bist du ganz ungestört. Franz und ich schlafen." „Daß mir aber der Kaffee pünktlich um Drei auf dem Tisch steht, damit ich nicht wieder wie gestern um meinen Spaziergang komme." — „Darf ich mitgehen, Onkel?" „Du würdest dich sehr langweilen, Kind. Ich treffe mit meinen beiden Freunden zusammen, und was wir da miteinander zu bereden haben, pflegt junge Mädchen nicht zu interessieren. Mathilde kann mit dir gehen." „Doch nicht etwa heut? Ich habe so viel zu tun. Dazu bin ich nicht imstande. Du wirst ja auch vom Auspacken, von dem Hin- und Herlaufen so müde sein, daß du dann froh bist, dich setzen zu können. Du glaubst gar nicht, wieviel ich zu tun habe." „Das wird ja nun besser werden, Tantchen." „Wieso?" „Weil ich dir jetzt einen Teil der Arbeit abnehme." „Ach wo, Kind, du sollst deine Jugend genießen." „Das kann ich doch nebenbei auch noch genug." „Nein, Kind, das will ich nicht." „Aber ich tu's doch gern, Tantchen." „Das mag sein, aber ich lieb's nicht." „Warum denn nicht, Mathilde? Du bist doch auch nicht mehr die Jüngste. Ich meine, du könntest schon Hilfe gebrauchen." „Hast du empfunden, daß ich nicht mehr so leistungs fähig wie früher bin?" „Das nicht, aber — „Na also! Laß mir meine Arbeit. Sie erhält mich gesund und macht mich glücklich. Ihr wollt mich wohl ganz zum alten Eisen stempeln? Aber 's ist merk würdig! Sobald Jugend ins Haus kommt, geht der Zank los." Susanne erblaßte. Sie wollte begütigen, allein die Tante ließ sie nicht zu Worte kommen. „Und du würdest dich zu allermeist wundern, Franz! Du wärst der erste, der zu mir käme und sagte: „Mathilde, mach du's lieber so, wie's früher gewesen ist!" „Aber Susanne soll dir ja nur zur Hand gehen Sie kann doch nicht den ganzen Tag müßig Herumsitzen." „Das Anlernen hält auf und strengt mich mehren als das Selbermachen. Ich dächte, ich hätte mit Anna genug zu tun." Sie stand auf und ging hinaus. „Nimm's nicht schwer, Susanne! So war sie immer," sagte der Onkel und seufzte. „Was meint sie denn damit, daß, sobald Jugend ins Haus kommt, Zank entsteht? Hat sie es nicht gern ge- „Nimm's nicht schwer, Susanne, so war sie immer," sagte der Onkel und seufzte habt, daß ich zu euch kam, Onkel? Da kann ich ja wieder gehen." „Ach, Unsinn! Das sind alte Geschichten, an die sie rührt. Alte, vergangene Geschichten. Dich hat sie gar nicht damit gemeint, sondern mich und eine an dere." Versonnen starrte er vor sich hin. „Er denkt an Darothee," grübelte Susanne in sich hinein und ein heißes Erbarmen überkam sie mit dem alten Manne. Sie wollte aufstehen und ihm irgend etwas Liebes sagen, irgendeine heimliche, leise Zärtlich keit zuflüstern, aber da kam Mathilde zurück. Als sei nichts vorgefallen, so unbefangen setzte sie sich wieder an den Tisch, um mit unvermindertem Appetit weiterzu ¬ essen; während Susanne auch die geringe Eßlust, die sie gehabt hatte, vergangen war. Zweites Kapitel. „Susanne!" Mathilde stand im Hausflur, vor der Treppe, die Hände trichterartig vor den Mund gelegt. „Ich möchte bloß wissen, was sie da oben macht," meinte sie ärgerlich, als nicht gleich eine Antwort erfolgte. Rasch stieg sie die Treppe empor. Sie fand die Nichte im Schlafzimmer vor dem Nachttisch sitzend und eifrig in ein kleines rotes Buch mit Goldschnitt schreibend. „Aha, das Tagebuch!" Mathilde guckte Susanne neugierig über die Schulter. „Ich möchte bloß wissen, was du immerfort dahinein zu schreiben hast. Du erlebst doch eigentlich nichts/ Susanne unterdrückte mühsam den Seufzer, der ihr auf den Lippen lag. Nun war sie schon drei Wochen hier. Sie dünkten es drei Jahre. „Ich wollte dir den Vorschlag machen, mit mir einen Besuch abzustatten.. Hättest du Luft dazu? Heut ist endlich das Wetter mal ein bissel vernünftig. Die ganze Zeit, daß du hier bist, konnte man ja nicht aus der Stube heraus, denn es regnete doch einen wie alle Tage. Ra, wie ist's, Suschen, kommst du mit?" , „Sehr gern, Tantchen." Susanne klappte sofort das Buch zu. Aus dem AuS- schnitt ihres Kleides holte sie einen an einem roten Bänd- chen befestigten Schlüssel. Mit dem wurde das Buch sorg- lich verschlossen. Die Tante lächelt» heimlich in sich hinein, sagte aber nichts. Ach, die Jugend! Die machte ihr Spaß! Was würde denn groß in dem Buche stehen! Aber gelesen hätte sie es doch für ihr Leben gern, allein Susanne hielt es sorg sam unter Verschluß und das Schloß war ein ganz kom pliziertes, kein Fabrikschloß. Da gab's nichts zu wollen. Endlich aber war sie doch fertig. Arm in Arm gin gen die beiden Damen durch die menschenleeren Straßen. Der Himmel hing noch immer tief über der Erde. Als man die Stadt hinter sich hatte, rückten die Häuser weiter auseinander. Das erhöhte das Einsamkeitsgefühl, das Susannes Seele füllte. (Fortsetzung folgt.)