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Die verfahrene Flottenkonserenz. Die Arbeiten der Flottenkonferenz, die bereits vier Wochen tagt, werden in der „Times" einer Uebersicht unterzogen, wobei der sich allgemein geltend machenden Ungeduld entgegengetreten wird. Die Sorge um die Entwicklung der Konferenz gehe weniger auf den langsamen Fortgang der Verhandlungen als auf die durch die französischen Forderungen einge tretene Wendung zurück. Der „Daily Telegraph" stellt in einem Leitartikel hierzu fest, wenn die französischen Forderungen nicht ver mindert werden, mühten die britischen Ansprüche her- aufgeseht werden. Macdonald stehe im Verdacht, unter allen Umstanden ein Abkommen mit einer dra stischen Verminderung der Flottenrüstungen Groß britannien anzustrebem Die klare Pflicht der britischen Regierung bestehe dqrin, sich von den Tatsachen leiten zu lassen und noch nicht von den eigenen Wünschen. Die Ausserachtlassung der öffentlichen Meinung, die eine ausreichende Sicherstellung der Interessen des britischen Weltreiches verlange, würde einem Selbstmord der Re gierung gleichkommen. Der diplomatische Mitarbeiter des „Daily Tele graph" weiss zu berichten, dass von englischer und ameri kanischer Seite am vergangenen Freitag vergebens ver sucht morden sei. Tardieu zu der Erklärung zu ver anlassen.'dass die französischen Forderungen als Höchst mass anzusehen und nur als Verhandlungsgrundlage ge dacht seien. Staatssekretär Stim s o n habe seine Ver ärgerung über die U n n a ch g i e b i g k e i t Tar di e u s deutlich gezeigt, indem er das Verhandlungs zimmer vorzeitig verlassen habe. Wenn die französischen Forderungen aufrecht erhalten würden, so bliebe Groß britannien nichts anderes übrig, als seine Tonnage- forderungen in allen Klassen unterhalb der Schlacht schiffe und der Flugzeugmutterschiffe zu erhöhen, und zwar ingesamt um etwa 130 OVO Tonnen. Aber auch die Aussichten für ein Dreimächteabkommen seien ausserordentlich zusammengeschrumpft nachdem Japan zu verstehen gegeben habe, dass es einer Einschrottung von alten Schlachtschiffen vor 1936 nur zustimmen würde, wenn ein F ü nfmä ch t eabkommen abge schlossen werden könne, fs.doch nicht für den Fall eines Dreimächteabkommens. Der Flottenberichterstalter des „Daily Telegraph" hört, dass man die französische Entscheidung in Antwort auf den Bau der „Erfass Preussen" einen neuen Schlacht kreuzer auf Kiel zu legen, als endgültig und unabänder lich ansehe. Frankreich beabsichtige, ein Schiss von etwa 20 000 bis 24 000 Tonnen zu bauen mit einer Eeschütz- bestückung von 8 bis 12-Zollgeschüssen. Französische Unzufriedenheit mit Tardieu Paris. 17. Febr. Auf einer Veranstaltung der Ra dikalsozialistischen Partei in Le Quesnoy führte der neue Vorsitzende der Partei Chautemps, aus, nachdem T wr - dieu zunächst das Gesicht eines modernen, tatkräftigen Regierungschefs gezeigt und alle Männer guten Willens um sich gesammelt habe, habe er plötzlich ohne besonderen Grund seine Methode geändert und während einer Reise von London nach Paris nur die Vertreter seiner Mehrheitsgruppe um sich vereinigt. Tardieu habe damit seinem Kabinett ein ganz neues Gesicht einer Kampfformation gegeben und wolle sich zur Stunde des Finanzgesetzes, der Wirtschaftskrise, der Einführung der Sozialgesetzgebung und der Ratifizierung der aus wärtigen Abmachungen auf die Regierungsmehrheit allein stützen. Dann werde aber auch allein die Regie rung für ihre Politik voll verantwortlich zu machen sein. Tardieu erkrankt. Paris. 17. Febr. Der französische Ministerpräsident Tardieu ist an E r i p p e erkrankt und muss das Bett Hütten. Der am Sonntag vormittag ausgegebene Krankheilsbericht besagt, dass Tardieu an Grippe er krankt ist, die durch eine Kehlkopfentzün dung kompliziert wird. Briands Rückkehr nach London. Paris, 17. Febr. Während Marineminister Ley- gues und der Kabinettschef Tardieu am Montag nach London abreisen, wird Briand erst am Dienstag nach London zurückkehren. Im Befinden Tardieus ist keine wesentliche Besserung eingetreten. ElWNg der MMens-lWmnz. Genf, 17. Febr. Die Internationale Zollsriedens- konferenz, erste offizielle Konferenz des Völkerbundes für die grossen finanzpolitischen Fragen, ist heute vor mittag durch ihren Präsidenten, den früheren dänischen Aussenminister Graf Moltke m der grossen Glasveranda des Völkerbundes eröffnet worden. Die Beteiligung der Regierungsvertreter und der Presse ist ausserordentlich stark. Die Anwesenheit von Vertretern sämtlicher euro päischer Mächte bis auf Albanien sowie das Verhänd- lungsthema eines europäischen Zollwaffenstillstandes ver leihen der Konferenz einen ausschliesslich europäischen Charakter. Die aussereuropäischen Mächte, in erster Linie die Vereinigten Staaten, nehmen nur beobachtend teil. Die Konferenz Unterscheidet sich grundsätzlich von der grossen Weltwirtschaftskonserenz 1927 durch die Möglich keit bindender Vereinbarungen. Anwesend sind 34 Mächte, darunter sechs aussereuropäische Beobachter, insgesamt weit über 100 beglaubigte Vertreter und Sachverstän dige, Von Regierungsmitgliedern sieht man u. a. die Handelsminister von England und Frankreich, Graham und Flandin, die Reichsminister Schmidt und Dietrich, den belgischen Aussenminister Hymans, den italienischen Korporationsminister Botai, den österreichischen Handels- Minister Hamisch, Sowjetrussland ist eingeladen worden, nimmt aber an der Konferenz nicht teil. In seiner grundlegenden Eröffnungsansprache wies Graf Moltke in grossen Zügen auf die bisherigen wirt schaftspolitischen Verhandlungen des Völkerbundes hin. sowie auf die Beschlüsse der Weltwirtschaftskonferenz, die bisher ohne Erfolg geblieben seien. Die gegenwärtige Konferenz könne nur als eine erste Stufe für ein zukünf tiges gemeinsames Handeln der Mächte zur Gesundung Europas aufgefasst werden. Die Konferenz habe zwei Aufgaben: 1. Abschlüsse eines Zollwaffenstillstandes. 2. Festlegung der grossen Linien für die weiteren Ver- Handlungen. Empfang der Parteiführer beim Reichspräsidenten. Berlin, 17. Febr. Der Reichspräsident von Hin denburg, der am Montag vormittag den Führer der Deutschnationn.len Volkspartei Dr. Hugenbera und den Vorsitzenden der Deutschnationalen Reichstags fraktion, Dr. Oberfohren, empfängt, wird, wie unsere Berliner Schriftleitunq drahtet, in den kommen den Tagen auch mit den Führern der übri ge n R e i ch s t a g s p a r te i e» U n t e r r e d u n g e n über dieHaagsrVereinbarungen und über das deutsch-polnische Liquidationsabkommsn haben. Der Reichspräsident hat während der Debatte über die Haager Geschäfte im Reichstag den Reichskanzler Müller und den Aussenminister Dr. C u r t i u s emp fangen. Man nimmt in parlamentarischen Kreisen an dass der Reichspräsident sich bei der ausserordentlich wich tigen Entscheidung über die Haager Gesetze und das Ab kommen mit Polen ein vollkommen selbständiges Urteil Uber die Auffassungen der Parteien bilden will. In der heutigen Besprechung haben Geheimrat Dr. Hugenberg und der Vorsitzende der deutschnationalen Reichstagsfraktion, Dr. Obersohren, dem Reichs präsidenten ihre Auffassung über den Poungplan, insbe sondere ihre Bedenken hinsichtlich des deutsch-polnischen Liquidationsabkommens, der Sanktionsklauseln und der Nichterledigung der Saarfrage sowie der Un tragbarkeit der dem deutschen Volke erwachsenden Lasten dargelegt. Der Reichspräsident nahm diese Ausführungen mit Aufmerksamkeit entgegen und erklärte, sich seine persön liche Auffassung bis nach Schluss der Beratungen und der Beschlussfassung des Reichstags Vorbehalten zu müssen. Neueste Nachrichten. Maqinot über die Sicherung der fanzösischen Grenze. Paris. 17. Febr. Kriegsminister Maginot sprach auf seiner Besichtigungsreise der Befestigungsanlagen an der nordsranzösischen Grenze in Douai über die fran zösische Erenzverteidigungspoiitik im Norden. Er wies darauf hin. dass die Massnahmen auf einige Schwierig keiten stiessen. Einmal sei es nicht möglich, gegenüber dem befreundeten Belgien mächtige Verteidigungsan lagen zu errichten, andererseits könne in dichtbevölker ten Gegenden und bedeutenden Industriezentren eine Verteidigungslinie nicht gebaut werden. Die Verteidi gung könne aber mit anderen Mitteln gesichert werden. In dem Gebiet nördlich von Lille bis Dünkirchen könne man, wie in der Vergangenheit, seine Zuflucht zu Ueber- schwemmungen nehmen. Er habe Anordnungen ge troffen, dass ein Ueberschwemmungssystem ausgearbeitet werde, das im Bedarfsfälle einen sicheren und unmittel baren Schutz gewährleistet. Im Gebiet weiter südlich, das nicht überschwemmt werden könne, sollten befestigte Stellungen geschaffen werden. Die polnische Korridor-Feier. Warschau, 17. Febr. Der zehnte Jahrestag der An gliederung Pommereüens an Polen ist gestern in Thorn . unter grossem militärischen Gepräge gefeiert worden. Schon um 7 Uhr früh begann die von vielen Militär kapellen ausgeführte Platzmusik. Kurz von 10 Uhr be gab sich der Staatspräsident in Begleitung der Minister, der Generalität und seines Gefolges zum Schützenhaus. wo er einen Ehrenschuss abfeuerte, und von da aus zum Festgüttesdienst. Nach einerMessc begann der symbolische Einmarsch der Truppen und aufständischen Verbände. Der Vorsitzende des Stadtparlaments hielt eine Rede, in der er an die Worte des Staatspräsidenten vor drei Jahren erinnerte, dass Pommerellen niemals zu einem Handelsobjekt der internationalen Politik werden dürfe und dass ganz Polen über den Friedensverträgen die Wache halte. Darauf wurde das programmässig scst- gelegte Iubelgeschrei ausaestossen und die neukompo nierte „Baltische Hymne" gesungen. Uni 1 Uhr nachts reiste der Staatspräsident nach Warschau zurück. Ein Ultimatum Ghandis an den Vizekönig? London, 17. Febr. Ehandi ist auf Grund der ihm vom Arbeitsausschuss des 'Allindischen Kongresses er teilten diktatorischen Vollmachten gegenwärtig damit beschäftigt, die Grundlinien auszuarbeiten. mit denen der Unabhängigkeitsfeldzug durchgeführr werden soll. Morgen findet in der Wohnung eine Zusammenkunft mit indischen Führern statt, die über ein von Ehandi uusgearbeitetes Ultimatum in den Vizekönig von In dien entscheiden soll. Susanne Wefieropp. Roman von E. Heßberg. 10) (Nachdruck verboten.) Am anderen Tage fragte Susanne: ..Tante Mathilde, § meinst du nicht auch, daß ich zu Frau Wending gehen > muß, ihr für ihre gütige Vermittlung z» danken?" „Ach, Unsinn!" „Aber dann doch wenigstens sagen, daß Frau Vogler da war und die Sache festgelegt worden ist?" „Na, ja, das kannst du. Aber laß dich nicht zu sehr von der Wending aushorchen. Das versteht sie prächtig. Da schmeichelt und bedauert sie und küßt und läßt sich küssen und dabei fragt sie so von ungefähr. Weißt du, ich werde mitgehen. Gerade bei der Angelegenheit liegt mir daran, daß wir betonen, daß die Gefälligkeit auf unserer und nicht auf der Voglerschen Seite liegt." „Na, wann geht denn nun eigentlich die Geschichte bei der Vogler los?" fragte Franz nach etlichen Tagen. „Zum ersten November habe ich mit der Vogler ab- gemacht," kam Mathilde Susanne mit der Antwort zu vor. „Warum fragst du denn?" „Der Geschäftsführer sprach gestern mit mir darüber im Wissenschaftlichen Verein." „Wie kommt denn der Wagner dazu, dich Susann wegen zu interpellieren? Der spielt sich wohl schon jetzt als Hausherr auf?" „Mathilde! Mathilde!" Er drohte ihr. ^Leiber- zungen sind wie die Zähne der Nagetiere. Die werden auch vom Gebrauch immer schärfer." „Ach, schwatz,' keinen Unsinn!" „Sag' ihr mal, Tuschen, daß das kein Unsinn ist." Susanne lachte, hütete sich aber wohl, irgendein Wort zuzugeben. Im Innern gönnte sie der Tante diesen Hieb. Die arme Frau Vogler! Über die zog man doch zu sehr her. „So sprich doch! Was sagte er vou Susanne und wie kam er dazu, dich deshalb zu fragen?" „Ach vu mein Gott," — Franz war ärgerlich „beim Hinausgehen trafen wir zufällig zusammen und da er wähnte er. wie glücklich Frau Vogler sei, daß Susanne die Stunden übernommen hat." „Na, siehst du, wie gut, daß ich so aus Preis hlelt." „Aber Tantchen, das sagt er doch bloß aus Höf lichkeit." „Ach, Unsinn!" „Er erzählte, daß der kleine Lorenz es schon gar nicht erwarten kann. Alle Tage fragt er, ob Susanne nicht bald komme." Na, wenn dei Eifer nur Vorhalt. Das wird wohl auch bloß Strohfeuei sein. Eines Tages seh' ich dich nach Hause kommen und melden, daß die Sache aus ist." „Das schadet auch nichts." Susanne lachte. „Du tust ja gerade so, als brauchte ich es ums tägliche Brot." „War die Vogler auch im Vortrag?^ Ja!" Mit Wagner allein^ Kolossal! „Reg' dich nicht auf, Mathilde, so dumm wird sie nicht sein. Sie hatte ihre Kassiererin und ihre Stutze mit." »Sieh mal, wie schlau! Eine Hütte zu genau be obachtet. Aber so konnten doch die beiden anstandshalber nicht stumm nebeneinandersitzen, sondern mußten sich wohl oder übel zusammen unterhalten, und da hatte sie das Feld für Wagner frei." „Aber Tantchen, während des Vortrags kann man sich doch nicht unterhalten." „Na — ab und zu doch!" „Die Vogler sah übrigens bildschön aus." »Was hatte sie an?" »Ein schwarzes Kleid." „Wohl schon pränumerando zur Trauer angeschafst?" „Das war kein Trauexkleid. Das war eine aus Seide, Spitzen und Füttern ganz rassinierk zusammen- gestellte Toilette. «Sie funkelte und glitzerte nur so." Als die Geschwister allein waren, meinte Mathilde: „Sprich doch nicht immer so unpassendes Zeug vor dem jungen Ding!" „Du, sei nur ganz still! Ich finde deine Bemerkungen über die Vogler weit schlimmer als meine paar harmlosen Worte. Ich werde jedenfalls nicht der erste und nicht der letzte sein, der Susanne sagt, daß auch sie mit ihrem Halse Staat machen kann." „Ach, Unsinn I Die ist noch viel zu naiv. Ich bin schon neugierig, was sie alles von der Vogler erzählen wird," meinte Tante Mathilde. Drittes Kapitel. Der Oktober hatte mit Sturm »nd Regen Abschied genommen. - Am 1. November strahlte nach langer Dunkelheit wieder einmal die Sonne. Aber sie tat ganz fremd und scheu. Heimlich tändelte sie mit den spitzen Giebeln der Häuser. Susanne stand vor dem Spiegel und setzte sich den Hut aus. Ihre Wangen glühten, ihre Augen strahlten, als ginge sie dem Glück entgegen. Wie müde doch der Müßiggang machtel Wie schlaff! Und alle Tage dasselbe. Das laute Herumwirtschaften der Tante, dieses Herumbeißen mit dem Dienstmädchen, dieses Getratsche und geräuschvolle Getriebe um sie her- um. Wie eine Erlösung kam ihr der Gedanke vor, nun wenigstens jeden Tag für eine Stunde diesem unerquick- lichen Milieu entrückt zu werden. Rasch nahm sie die Bücher aus, die sie sich zurechtgelegt hatte, und sprang leichtfüßig die Treppe hinab. Die Tante kam aus der Küche in den Hausflur. „Gehst du jetzt? Erzähle mir dann recht viel — Horst du?" Als sie ein paar Schritt vom Haus entfernt war, kam ihr Hiller in den Weg. „Guten Morgen!" Er zog tief die Mütze und machte eine leichte Verbeugung. Sie winkte ihm lachend zu. „Ich hab' Sie ja schon eine Ewigheit nicht gesehen, Fräuleinchen." „Na, bei dem Wetter!" „Sie sehen aber gut aus," lebte er. „Mir geht's ja auch gut," sagte sie. „Heute ist wohl die erste stunde?" Sie sah ihn verständnislos an. „Bei dem kleinen Vogler!" „Das wissen Sie auch schon wieder? In so einer kleinen Stadt sitzt man ja wie im Glashause." „Ich hab's durch Zufall erfahren. Man kommt halt viel rum und da schnappt man dies und da- auf. Wissen Sie, ich hab's gehört, wie ich mir bei Voglers eine Zigarre kaufte." Eben setzte die Turmuhr ein. Es schlug zehn. „Hiller, ich muß sort. Ein andermal mehr!" „Fräuleinchen, noch einen Augenblick." Er hielt sie am Kleide fest. „Lassen Sie sich den kleinen Vogler nicht zu nahe kommen und küssen Sie ihn beileibe nicht. Der ist durch und durch lungenkrank. Da könnten Sie sich leicht was holen." Sie drohte ihm und rannte rasch die Neutorstraße entlang. Noch ehe der letzte Schlag verklungen war, stand sie hochklopfenden Herzens vor der Tür der Vogler- schen Wohnung. Um zwölf kehrte sie erst wieder nach Hause zurück. (Fortsetzung folgt.)