Volltext Seite (XML)
Aus dem Wege zum Kompromiß. In der gestrigen Nachtbesprechung zwi schen Tardieu und Wirth ist eine juristische Formel gefunden, die alSMusweg aus den in den letz ten Tagen völlig ins Stocken geratenen Verhandlungen über die Sanktionsfrage angesehen wird. Man sucht auf beiden Seiten eine Formel, die den Gegensätzen zwischen der deutschen und französischen Auffassung aus dein Wege geht, also einen Kompromiss darstellen würde. Tardieu hatte noch in der gestrigen Nacht den be kannten Dolmetscher von der französischen Botschaft Pro fessor Hesnard zur deutschen Abordnung entsandt und den Wunsch übermittelt, die gestern mit Dr. Wirth vereinbarte Formel möge streng geheimgehalten wer den. Die deutsche Abordnung ist unmittelbar im An schluss an jene Unterredung zu einer Erörterung der neuen juristischen Sanktionsformel zusammengetreten. Es ist zu erwarten, dass nach den Beratungen der Ju risten heute eine weitere Zusammenkunft zwischen Tardieu und Curtius stattfinden wird,,auf der dann möglicherweise die Entscheidung in der Sanktionsfrage fallen wird. Die" Juristen besprechen die Sanktionsfrage. Haag, 13. Januar. Ministerialdirektor Kauf? und der Jurist der französischen Delegation Cou n - dre sind heute vormittag zu einer vertraulichen Be ratung der Sanktionsfrage zusammengetreten. Ne ÜSMWWMl in ter MiilWsM. Haag, 13. Januar. Wie der Vertreter der Tele graphenunion von gutunterrichteter Seite erfahrt, ist in den allerletzten Besprechungen über die Sanktionsfrage folgende Lösungsmöglichkeit in Aussicht genommen worden: Die deutsche und die französische Abordnung tau schen in der Sanktionsfrage gegenseitig Noten aus, die nicht in das Schlußprotokoll der Haager Abmachungen ausgenommen werden. Die Note der französischen Ab ordnung erklärt, das, Frankreich im Falle einer Los sagung Deutschlands vom Poungplan seine Handlungs freiheit wieder erhält. Die deutsche Note soll sich dem gegenüber auf die Feststellung beschränken, das, gegen diesen legitimen Anspruch Frankreichs kein Einspruch erhoben werden könne. Die beiden Abordnungen wer den jedoch vor der endgültigen Entscheidung zunächst die Stellungnahme der Kabinette abwarten. Der französiische Ministerpräsident Tardieu, der heute abend nach Paris reist, wird am Dienstag den Vorschlag in der Sanktionsfrage dem französischen Kabi nettsrat vorlegen. Die Entscheidung auf deutscher Seite soll ebenfalls in einer Kabinettssitzung am Dienstag fal len. Sollten die beiden Kabinette ihre Zustimmung gehen, so würden die Führer der deutschen und französi schen Abordnung in der darauf folgenden Sitzung der sechs eingeladenen Mächte lediglich diesen Notenaustausch zwischen Deutschland und Frankreich in der Sanktions frage zur Kenntnis bringen mit dem ausdrücklichen Hin weis, daß der Notenwechsel nicht in das Haager Schluß- protokoll ausgenommen wird. Tine weitere Zusammenkunft zwischen Curtius und Tardieu ist bis zum Eingang der Stellungnahme des deutschen und französischen Kabinetts nicht in Aussicht genommen. Die reparationspolitischen Fragen vor dem Abschluß? Haag, 13. Jan. Die reparationspolitischen Fragen werden erst am heutigen Nachmittag im Sechsmächte- Ausschuß weiter behandelt werden. Auch in diesen Fra gen hofft man nunmehr zu einer Bereinigung zu ge langen. Von dm vier offenen Streitfragen steht die Frage der Zahlungstermine und der Aktivierung der negativen Pfänder in direktem Zusammenhang, da die deutsche Ab ordnung sich bereit gefunden hat, den von den Alliierten gewünschten Zahlungstermin zum 15. jeden Monats für die aus dem Rejchshaushalt und zum 30. jeden Mo nats für die 660 Millionen Mark der Reichsbahnzah- lungen anzunehmen, falls die Forderung auf Aktivie rung des Pfandes an der Reichsbahn auf der Gegen seite fallen gelassen wird. Auf diese Weise könnten diese beiden Streitpunkte aus der Welt geschafft werden. Offen bleiben würden dann noch die Fra gen der Mobilisierung des ersten Ab schnitts der deutschen Zahlungen, die erst nach der Rückkehr des Ministerpräsidenten Tardieu am Mittwoch und nach eingehender Durchberatung mit dem Reichsbankpräsidenten Schacht behandelt werden sollen sowie die Frage des Aufschubs der Zahlungen. Vor dem Zusammentritt des Organisationsaus schusses der BIZ. Haag, 13. Jan. Heute nachmittag 4 Uhr tritt der Organisationsausschuß für die BIZ. zusammen. Es liegt als erster Punkt der Tagesordnung ein Antrag auf Abänderung des Treuhänderoertrages zwischen den Eläu- bigermächten und der BIZ. von feiten der englischen Regierung vor. Zur Behandlung gelangen sodann eine Reihe von weiteren die BIZ. berührenden Fragen, die die Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder des Direktoriums sowie des geschäftsführenden Direktors be treffen. Die Verhandlungen dieses Ausschusses werden auf zwei bis drei Tage berechnet, so daß das Ende der zweiten Haager Konferenz für Ende der Woche mög lich wäre. Bvr -er Seeabrüstungskonserenz. Der Quai d'Orsay veröffentlicht die Antwort der englischen Regierung auf das französische Memorandum vom 20. Dezember 1929 über die Vorbereitung der Lon doner Sceabrüstungskonferenz. Die englische Note — es handelt sich um ein ziem lich umfangreiches Dokument — bestätigt neuerlich den tiefgehenden Gegensatz. der zwischen der englischen und französischen Auffassung nicht nur in den technischen Details der Seeabrüstung besteht, sondern noch vielmehr bezüglich der allgemeinen Grundlagen der Abrüstung überhaupt und bezüglich des Geistes, in den: die beiden Regierungen dieses Problem behandeln. Darüber kann auch der durchaus freundlich gehal tene Ton der englischen Note, die der französischen Re gierung für ihre freundschaftliche und offene Sprache dankt-, ebensowenig hinwegtäuschen, wie der Schlußab- satz des englischen Dokuments, der die Hoffnung aus spricht, das? kein einziger der von der französischen Re-> gierung aufgeführten Punkte ein unübersteigbares Hin dernis für den Erfolg der Londoner Konferenz bilden könne. Besonders kratz tritt der Gegensatz zwischen der eng lischen und der französischen These in der Frage der Sicherheit zutage. Hier bemerkt die englische Regie- rmrg, das? sie in ihrer Einladung für die Londoner Kon ferenz die aus dem Völkerbundspakt resultierenden Ver pflichtungen und die mit der nationalen Sicherheit zu sammenhängenden Fragen, auf die die französische Re gierung so großes Gewicht legt, nicht eigens erwähnt habe, weil diese Probleme ja eine selbstverständliche Voraussetzung für jede internationale Verhandlung über die Abrüstung bilden. Die englische Regierung halte es für viel wichtiger, sich auf die außerordentlich wichtigen konkreten Probleme zu konzentrieren, die einer Lösung zugeführt werden müssen. Es sei zwar richtig, führt die englische Note fort, datz man zur Stunde noch keine vollständige Liste von Sanktionen zur Verstärkung der gegenwärtig bestehenden Friedensabkommen auf stellen könne, man dürfe aber nicht verkennen, datz auf diesem Gebiete schon viel erreicht worden sei, und die englische Regierung begrüße mit großer Zu versicht den Umstand, daß 56 Staaten auf den Krieg als ein Mittel der nationalen Politik ver zichtet haben. Wenn der durch den Völkerbundspakt, die Lo carno a b k o m m e n , die Unterzeichnung der Fa- k u l t a t i v k l a u se l und schließlich durch den Kel loppakt erzielte Sicherheitsgrad nicht als hinreichend angesehen werde, um den Begrinn einer Reduktion der Rüstungen zur See zu rechtfertigen, so würde die O e f - fentlichkeit in allen Ländern enttäuscht sein. Die Tendenz zur Entwicklung der Rüstungen, die ohnehin schon offenbar sei, würde sich verstärken und die Nationen würden wieder einmal die praktische Erfah rung machen, datz man sich auf Vorbereitungen mili tärischer Natur stützen könne, um die Sicherheit zu ge währleisten. , F Zusammenkunft Stimsons mit Tardieu. London, 13. Januar. Reuter berichtet aus Wa shington. datz Staatssekretär Stimson vor seiner Ab reise ain Bord des Dampfers „George Washington" end gültige Vereinbarungen für eine private Besprechung mit dem französischen Ministerpräsidenten am Sonn abend. dem Tage nach seiner Ankunft in England, ge troffen habe. In Washington werde im Zusammen hang hiermit amtlich darauf hingewiesen, datz Stimson kurz vor seiner Abreise diese Vereinbarung getroffen habe und diese Tatsache einer der Gründe hierfür ge wesen sei, weshalb die Reise des George Washington beschleunigt wurde. Stimson sei bemüht, der Vorberei tung für diese Besprechung mit dem französischen Mi nisterpräsidenten möglichst viel Zeit zu widmen. Eine Zusammenkunft zwischen ihm und dem italienischen Hauptdelegierten, Außenminister Grandi, wird für Saonntag vorgesehen. Eine Weltkonferenz über Abrüstungsfragen. Amerika will Frankreich in der Flottenfrage entqegen- kommen. Nenyork, 13. Januar. Aus einem groß aufgemach ten Bericht des Regierungsblattes „Herald Tribune" geht unzweideutig hervor, in wie großem Matze die amerikanische Regierung den französischen Einwänden in der Flottenfrage Rechnung trägt. Das Blatt erklärt, aus bester Quelle zu wissen, daß die amerikanische Re- qierung nichts dagegen einzuwenden habe, wenn das Ergebnis der Londoner Flottenkonferenz indenRah- men eines allgemeinen Abk o.m mens hin- eingestellt werde, das auf einer Weltkonferenz unter den Auspizien des Völkerbundes noch vor dem Jahre 1936 getroffen werden solle. Staatssekretär Stim son werde Tardieu eine diesbezügliche Zusicherung geben. Die Washingtoner Regierung hofft mit diesen! Zugeständnis das Entgegenkommen Frankreichs zu er kaufen. Ein positives Ergebnis der Flottenkonferenz soll sofort nach dein Abschluß der Konferenz der vorbe reitenden Abrüstungskommission des Völkerbundes un terbreitet werden. Ein Frauenlos. Roman von Ida Bock. LS) (Nachdruck verboten.) „Sie meinen Kraft, gnädige Frau, was doch Schwäche sein konnte! Sie hätten sich auch sagen können, einer, bei dem es zu dem Abstieg kommen konnte, der sonst nichts fand, um sein Schicksal anders zu gestalten, was kann das schon für einer sein?" Evelyne sah ihn verwundert an: „Der Gedanke war mir bei Ihnen nie gekommen!" sagte sie ehrlich, „obwohl man ja jetzt im allgemeinen — weiß der Himmel - "etwas > mißtrauisch geworden ist — das ist wahr! Andererseits aber sieht man auch wieder, wie schwer es just die feinen, kultivierten Menschen im Lebenskampf haben, bei dem es doch jetzt in erster Linie auf die Kraft der Ellenbogen ankommt " „Wie dem nun auch sei, für mich wurden Six zum gütigen Schutzengel, dem ich gar nicht genug danken kann." „Wenn das nicht nur Redensart ist, Herr Egger?" „Wirklich nicht!" „Also sind Sie zufrieden mit der Wendung Ihres Lebens?" „Zufrieden, gnädige Frau? Dank Ihrer und Herrn Wornis Güte bin ich doch erst wieder Mensch geworden!" „Das freut mich — das freut mich mehr, als Sie ahnen!" — Evelynes Ton klang so warm, daß sie selbst fühlte, er könnte darüber verwundert sein. Eine leichte Röte stieg jäh in ihr seines Gesicht und ließ es im Augen blick mädchenhaft jung erscheinen. Sie lachte leise auf und nickte Egger zu: „Ja, ja — nun Wundern Sie sich — aber — es steckt ein gut Teil Egoismus hinter meiner Ihnen so verwunderlich scheinenden Teilnahme! Ein so überflüssiges, nutzloses Menschenkind wie ich freut sich eben, wenn es doch auch mal zu etwas gut sein durfte!" „Oh — gnädige Frau Sie!" „Ja, ja, bin ein ganz und gar überflüssiger Mensch — aber von mir sprechen wir nicht — das ist so gleichgültig und uninteressant. Erzählen Sie mir lieber von sich —, befriedigt Sie denn nun Ihre Tätigkeit?" Egger zog ein wenig heftig an seiner Zigarette: „Jetzt möchte ich eigentlich das von den „Gewissensfragen" zurückgeben, Gnädigste!" „O weh!" „Nein, nein, so tragisch ist^das nicht zu nehmen, nur — Sie wissen ja, wir Menschenkinder sind nun mal grenzenlos undankbar! Die ersten Wochen hier war ich restlos glücklich! Dank Herrn Wornis Güte Lin ich materiell so gestellt, daß ich zwar nicht üppig, aber -doch als Kulturmensch leben kann, von niemand abhänge — das überwog alles andere nach der furchtbaren Zeit, die hinter mir lag!" „Haben Sie's so schwer gehabt?" „Grauenhaft — und darum erwachte ich in den ersten Wochen noch immer fast mit Herzklopfen: ob denn die unverhoffte Wendung nicht am Ende ein' narrender Traum sei — und ich mich im alten Elend befände!" „Sie Armer! Und jetzt?" „Jetzt bin ich immer noch selig — und" — — er stockte. „Nun? — Bitte, bitte — haben Sie doch Vertrauen — zum Schutzengel!" „Es — ist vielleicht nur — ich bin im Grunde ein ernster Mensch, an Arbeit gewöhnt, die ja jetzt wohl nicht mehr als solche gewertet wird, mir aber doch als solche erscheinen dürfte — zum Bohemien habe ich im Grunde wenig Talent!" „Aber — Herr Worni erzählte mir, Sie wollten sich doch einmal dem Musikstudium widmen?" „Hat Musik eigentlich etwas mit dem zu tun, was ich alltäglich von 3—7 verzapfe? Haben Sie sich neulich die Menschen nicht angesehen, für die ich spiele?" Evelyne sah ihn betroffen an und nickte dann: „Ah, ja — das — das ist wohl wahr — befriedigen kann derlei einen ernsten Menschen auf die Dauer nicht!" „Ich bin maßlos undankbar — ich weiß es!" „Nein — nein — sicher nicht — Sie haben recht — Herr Worni mutz " Egger erfaßte beide Hände Evelynes mit festem Druck: „Rein — bitte nein — nicht mehr! Diese gütigen Hände" — er küßte eine nach der ander-n — „haben schon so viel für mich getan — jetzt stehe ich wieder fest und — nicht böse sein — komme schon allein irgendwie weitert Herr Worni ist so entzückend gegen mich, daß es mich wahrscheinlich nur ein ehrliches Wort kosten würde, uni ihn zu veranlassen, mich in seinem Unternehmen irgenowo anders zu beschäftigen — —" „Nun — und?" „Noch will ich dieses Wort nicht sprechen, gnädige Frau! Ich Lin ein komischer Kauz — ich tauge nicht zum Subalternbeamten nieln zum Untergebenen — aber noch viel weniger für einen Posten, den ich vermöge meiner eigenen Fähigkeiten nicht ganz auszufüllen vermöchte, den ich also nur der Protektion verdankte!" „Ist diese Ansicht nicht — wie soll ich sagen — ein bißchen altmodisch?" „Das mag sein Modern bin ich im ganzen nicht. Ich bin kein Kaufmann, lebe in einer mir neuen Welt — und halte die Augen offen! Findet sich da oder dort mit der Zeit ein Fleckchen, wo es Arbeit für mich geben könnte, dann mache ich schon den Mund auf, gnädige Frau, da können Sie sicher sein!" „Und bis dahin?" „Spiele ich ruhig Wetter Shimmy und Blues — und — Slowana oder wie das neue Zeug heißt, das für die nächste Tanzsaison der Clou werden soll. Nein — nein — Phantast bin ich nicht und auf leichtsinnige Abenteuer lasse ich mich nicht ein. Ich weiß, wie weh Hunger tut. Da stellt man nicht freiwillig aus vom gedeckten Tisch?" Evelyne streckte ihm plötzlich beide Hände entgegen: „Wollen wir gute Freundschaft halten, Herr Egger?" Es lag so viel herzliche Wärme in dem Tön, daß Egger die weichen Hände fest drückte. < „Aber wirklich Freundschaft, Herr Egger! Sehen Sie — ich stehe ganz allein — bin unabhängig — wir können so nett miteinander plaudern. Sie sollen zwanglos zu mir kommen mit allem, was Sie bedrückt — oder freut — wie — wie " „Zu meinem guten Schutzengel!" „Darf ich's denn weiter ein bißchen sein?" „Wenn Sie es gerne sind" „Abgemacht! Sie kommen — na also, sagen wir ein-, zweimal in der Woche zu mir — wir plaudern — gehen mal zusammen ins Theater oder in ein Konzert. Sie zeigen, mir die Sehenswürdigkeiten von Düsseldorf. Wollen Sie?" „Können Sie fragen, gnädige Fryu?" „Fein! Also: Telephon, bitte, wenn Sie Zeit und Lust haben — und recht bald auf Wiedersehen!" tFortttyunp folgt.)