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Niederschlema, 22. Ian. Die Ortsgruppe der NEDA P. (Hitlerbcwegung) hielt eine gutbesuchtc öffentliche Versamm- Inng nn Schützenhaussaale ab. Man lauscht aufmerksam dem Portrag des Pg. Petter, M. d. R., der über das Thema „Die rote I ü st i z" sprach. Der Redner rechnete mit dem heutigen System ab und nannte an Hand von Beweismaterial Summen von schwindelhafter Höhe, die heute von der schwarz roten Negierung verschwendet werden. In verständlicher Weise kam er auf die Prozesse Sklarek, Barmat und Kutiskcr usw. zu sprechen, und nmn erkannte ganz deutlich den roten Sumpf dieser Justiz. Der Einblick in den Reichstag und die Tätigkeit der Abgeordneten war für die Zuhörer besonders interessant. Zur Gegenrede meldete sich niemand, und der Redner erntete nach einem Schlußwort abermals reichen Bei fall. Zschorlau, 22. Jan. Das war eine Versammlung gestern, wie sie selbst die seit 1923 bekannte und gehaßte n a - t i o n a l s o z i a I i st i s ch c Hochburg Zschorlau noch nicht erlebt hat. Fast 800 Menschen saßen und standen dicht ge drängt und füllten den Hirschsaal bis auf das letzte Plätzchen, so daß auch die Bühne und das Vereinszimmer noch freigege ben werden mußten. Und was das Erfreulichste war: ein gro ßer Teil der Versammlungsteilnehmer kam aus dem roten und knallroten Lager. Ernste, verhärmte Männer und Frauen, die Wahrheit und Klarheit suchten, die nicht gekommen waren, um nach den bekannten Devisen Krach zu machen. Nein, nein, sie sind denkend geworden, denn in jeder marxistischen Ver sammlung wirbt trotz Terror ein Nazi für die Idee Ad. Hitlers, während bis zur Stunde noch kein einziger Marxist versucht hat, in unseren Versammlungen die Bonzenstreiche seiner Par tei zu verteidigen. Die Augen gehen jetzt selbst dem bedächtig sten Arbeiter auf: am Sonnabend müßte die „Massenver sammlung" der KPD. ausfallcn, weil außer dem Vorstand nie mand gekommen war, der „Massenprotest" der SPD. am Sonntag mit dem Juden Stern aus Wien war von 130 Per sonen besucht, darunter befand sich ein gut Teil Nazis, die in der Diskussion den Jüngern um Marx auch die letzten Illu sionen zerstörten . . . und die bösen Nazis am nächsten Tag fast 600! Das deutsche Deutschland erwacht! In Pg. Dr. Wegener-Kirchberg hatte die Partei für den verhin derten Redner des Abends einen glänzenden Ersatz. Sein klarer, außerordentlich volkstümlicher Vortrag riß die Ver- * Der Landesverband Ostsachse« der Deutschnationalen Volkspartei veranstaltet am 30. Ian. in Dresden eine Wirt- schaftspolitische Tagung, zu der er alle um ihre Anteil nahme bittet, die erkannt haben, daß das Jahr 1931 für die Wirtschaft die Entscheidung bringen muß. Auf dieser Tagung wird der Führer des Pommerschen Landbundes, Ritterguts besitzer v. Rohr - Demmi n, über den Hugenbergschen Ent- schüldungsplan sprechen. Außerdem wird der ostsüchsische Reichstagsabg. Oberfinanzrat Dr. Bang, über die Wirtschafts lage im allgemeinen und über die Auswirkung des Hugenberg schen Plans auf die Gcsamtwirtschaft referieren. D Aus dem Gerichtssaal. D Zeugen-Aussagen im Scharfenslelner Bran-itifler-Prozeh. Für Mittwoch waren in dem Scharfenstetncr Drandstif- tungsprozeß vor dem EhemnitzerSchwurgericht etwa 20 Zeugen vorgeladen. Der Zeuge Gcndarmerie-Hauptwachtmeistcr K a u tz s ch aus Scharfensiein sagt aus: Am vierten Tage nach dem Brande habe man im Schutt zwei Plätten gefunden, die eine davon sei noch gebrauchsfähig gewesen. Der Zeuge hat die Sache dann an die Staatsanwaltschaft abgegeben. (Bekanntlich soll der Brand durch zwei absichtlich unter elek trischem Strom belassene Plütteisen hervorgerufen worden sein. „E. B.") Wirtschaftsbesitzer Neubert-Schönbrunn räumte acht Tage nach dem Brande den Schutt weg. Als er eine Plätte fand, sagte Pilz zu ihm: „Geben Sie die Plätte her, das muß ich melden." Da gab der Zeuge sie ihm. Frau Pilz kam hinzu und sagte: „Das ist unser Retter." Ein anderer Zeuge, der bei der Beseitigung des Schuttes beteiligt war, inzwischen aber gestorben ist, hat früher zu Protokoll erklärt, daß die Plätte noch gut und mit der Schnur, umwickelt gewesen ist. Sic könne nicht im Feuer gelegen haben. Ein weiterer Zeuge hat ans dem Flußbett der Zscho pau zehn Teller, mehrere Schüsseln, eine Kanne und noch anderes P o r z e l l a n g c s ch i r r in Gegenwart der Frau Pilz herausgeholt. Das Wasser war zu Lieser Zeit zufällig wegen eines Unfalles abgelassen worden. Das Geschirr stak inl Schlamm und deshalb war nur ein Teil zerbrochen oder beschädigt. Dazu sagte auch der Zeuge Brückner aus, es habe ausgesehen, als sei das Porzellan in den Schlamm „geschich tet"', also nicht so, als sei es hineingeworsen worden. Frau Pilz soll dabei gesagt haben: „Die Sachen haben die Spitz buben hincingcschmisscn." Der Schmied Schaarschmidt, der auch bei Pilz beschäftigt war, will gehört haben, daß Pilz während des Brandes sagte, „cs sci schade um das Hinein spritzen". Gesprächsweise hätte er gehört, „Pilzens Hütten ihre Sachen wegen des Gerichtsvollziehers, wegge- schaff t". Mehrere Mitglieder der Scharfensteincr Pflichtfeucrwchr berichteten als Zeugen über ihre Tätigkeit als Rettungs- oder Wachmannschaft bei dem Brande. Bemerkenswert war dis Bekundung, Laß sowohl im Schlafzimmer als auch im Frem denzimmer Bettstellen mit Matratzen dastanden, daß aber mit Ausnahme eines einzigen Kopfkissens, das bunt überzogen war, keine Federbetten vorhanden waren. In dem brennenden Eckzimmer stand noch ein wenig beschädigter Kleiderschrank, Ler aber nur einen Mantel und eine Mütze enthielt. Diplom- Ingenieur Amtsbaurat Schul tz hatte sich infolge einer An frage des Verteidigers Dr. Meißner darüber auszusprechcn, ob eine Plätte durchbrcnne, wenn sie von früh bis abends unterStrom st e h e.. Die Antwort lautete: Das sei nicht zwangsläufig. Der Lokaltermin findet in Scharfensiein am nächsten Montag statt. I Vater unri Lokn Komsn von Kurl fsiseksr 21. kortsetzUNA. Eopvriß-bt b? dlartin llsmRtwanZci-, Nails (Saals). „Leb auch wohl, Paulindel, und . . ." Er konnte nicht vollenden, denn ein hämisches, trockenes Lachen schreckte die beiden aus ihrer Versunkenheit auf. „Also rumtreibcn tust de dich mit Weibsbildern, Iüngerle. Willst wohl wieder rausfliegcn wie dazumal beim Heckert Gustav in Echreiberhau?" Wie aus der Erde gewachsen, stand Robert Zeidlers Vater vor den jungen Leuten. Mit grüßen, erschrockenen Augen starrte Pauline auf den hageren, nach vorn gebeugten Mann, der sie aus ein Paar- Augen giftig anfunk'elte. „Wer is denn das Frauvolk?" herrschte er seinen Sohn an. Robert stand mit hängenden Schultern vor dem Aufge brachten. Welcher unglückselige Zufall mochte den Vater hier her geführt haben? Er ahnte ja nicht, daß der längst von sei nem Aufenthalt bei Treutler wußte, daß er seinen Sohn be obachtete auf dem Bauhofe mit Hilfe eines alten Fernrohrs, das er vor Jahren einmal einem Trödler nbgckauft hatte und ims ihm nun gute Dienste leistete. Heute hatte ihn freilich der reine Zufall, oder war cs Fügung, hierher geführt. An einem solch schönen Herbsttage war er vor vielen Jahren mit seinem Weibe einmal nach dem Moltkcfelscn gewandert, um das Denkmal nnzuschauen, das dort enthüllt worden war. Darum hatte er sich heute aus nahmsweise einmal aus seinem Bau herausgcwagt, war auf Umwegen hierher gewandert, um möglichst wenig Menschen zu begegnen — und mußte mit seinem Sohne zusamnientreffe». Das vergällte ihm scine^ganzc Stimmung. „diu, willste nich reden?" fuhr er Robert an. Da wandte er sich an das Mädchen: „Wer sind denn Sie? Aber eigentlich muß man moll noch Du sprechen," forschte er mit hämischem Lachen. „Das geht Sie gar nischt an, Sie — Sie Grobian, Sie." Dabei streckte Pauline dem Mann ihre Zunge heraus, machte kehrt und lief mit wehenden Röcken davon. „Na, so cinc unverschämte Krätc," schimpfte der alte Zeidler hinter ihr her. „Und mit so cin'm dummen Balge läßt du dich ein? Da kannstc mir leid tun." „Vater, das war die Heckert Pauline aus Echreiberhau, die Tochter von mein'm ersten Meister." „Derentmcgn dn rausgeflogen bist — und du bist immer noch hinter der her? Für so dumm hätt' ich dich »ich gehalten. Laß sc lausen — die is ja noch an ganz grüner Balg, die pläkt a Leuten ja noch die Zunge raus. Aber wart oct, Bürschel, das werd ich der Meistern schreiben. Ich weiß jctz alles, was du dortc getrieben hast. Schäm dich und komm mir möglichst wenig unter de Augen, wo du doch amal In Petersdorf bist. Den ganzen, schönen Nachmittag haste mir wieder verdorben." Sagte cs und machte seinerseits kehrt, ohne auf des Sohnes Erwiderung zu warten. Der aber ging schleppenden Ganges zur Bank zurück. Hier neben ihm hatte vor Minuten noch ein munteres Menschenkind gesessen, und wenn cs auch nicht eine so himmlische Stunde gewesen war wie damals im Silberlicht der Mondnacht, es war doch ein Menschenkind gewesen, das ihn gern hatte. Gern hatte? Vielleicht gern gehabt. Dieser Nachmittag mit seinem böüljchen Ausklang war wohl die Sterbestunde seiner ersten Liebe, die ihm in Paulinchens Neigung erblüht war. Sein Leben würde fortan noch einsamer werden. Da kam es plötz lich wie Trotz über ihn. Nein, dieses liebe Mädel würde zu ihm halten. Warum machte er sich gleich so trübe Gedanken! Er fuhr mit der Hand nach seiner Brusttasche und holte seine bisher sorgsam gehüteten Schätze hervor, die beiden Lie- bcsdokumcntc seines Paulinchens. Lange sah er auf sic nieder; er kannte sic auswendig. Nun war das Wiedersehen vorüber, ja vorüber. Vom Gebirge wehte cs kühl herab. Es mar Zeit, heim- zukchrcn. Ganz von fern hörte er Helle Mädchenstimmen sin gen. Dort wanderte Pnulinchcn im Kreise der anderen Iung- müdel heimwärts zu ihren Eltern, mit denen sie, wie sie ihm wortreich erzählt hatte, wieder in bestem Einvernehmen lebte. Wenn er doch auch hcimkehren könnte zu seinem Pater! 16. Kapitel. Wer trägt die Schuld? Der alte Zeidler saß in seiner Stube am Fenster in dem alten Vackenstuhl und fuhr mit dem Zeigefinger den Zeilen nach, die er aus einem auf seinen hageren Knien aufgeschlagen liegenden, dicken Bnchc herauslas. Leises Murmeln begleitete sein Leben: „Ein weiser Sohn ist seines Vaters Freude." Er schüt telte den Kopf und blätterte weiter in der Bibel. „Lin weiser Soh» läßt sich vom Vater züchtigen." Jawohl, so war cs recht. Freude? Nein, die konnte er an seinem Sohne nicht mehr baden sei^ i-mer Stunde vor zwölf Jahren. Der Backenstuhl hatte es mit an- gesehen, wie sie hinschlug, seine liebe gute Tyerese; in icu.cm harten Wachstuchpolster hatte ihr gesegneter Leib geruht, ehe sie ihm zum Willkommen entgegenspra'ng. Immer wieder führten ihn seine Gedanken jahraus, jahr ein den gleichen Weg. Wie war cs doch gewesen? Er hatte, wie manches Mal, ans Fenster geklopft, wenn er Mntter und Kind durch die Scheiben sah. Warum mußte Robert den un seligen Kindcrball auf den Boden werfen? Er allein war schuld an seiner Mutter frühe»: Tode. Und für solche Schuld mußte Buße geleistet werden. Niemals durfte er davon frei werden. Nicht nnr einen geliebten Menschen hatte er in die Grube gebracht, noch einem anderen hatte er das Leben zerbrochen — ihm, dem Vater, dem Manne jenes lieben Weibes, das ihn: »ach harter, sonnenloser Jugend, die er im Banne einer ver bitterten Mutter verbracht, Licht und Wärme geschenkt hatte. Wie oft hatte er schon die alte Bibel befragt, aus der ihm seine Mutter vor langen Jahren all die Stellen von der Sorge, Last und Mühe des Lebens vorgelcsen. O ja, da stand auch vieles andere drin von Frende und Jubel, Lob und Dank. Wie sollte er dazu kommen, zu jubeln oder gar zu danken. Gott war für die Glücklichen da, nicht für ihn. sammlung wiederholt zu Beifallsstürmen hin. Wer die zurück haltende, fast schüchterne Art der Erzgebirger kennt, kann er messen, wie tief Pg. Wegener den Ton des Volkes getroffen hat. Kein Widerspruch, kein Zwischenruf, brausender Beifall am Schluß der Rede. Die letzten Bastionen des Marxisnms zersplittern unter den Faustschlägen der stürmenden braunen Armee Ad. Hitlers. Mok. Konzerte, Theater eie. Neustädtel, 22. Ian. Der Frnuenverein veranstal tet nm Sonnabend, 24. ds. Mts., abends 8 Uhr im Ratskeller, snal einen öffentlichen Theaterabend, dessen Reinertrag für die Nothilfe bestimmt ist. An den Darbietungen werden sich Mitglieder des Iungmädchenvereins und des Kirchenchors beteiligen. Es werden unter anderem auch zwei Stücke in crz- gebirgischer Mundart aufgeführt werden. Mit Rücksicht auf den wohltätigen Zweck wird um einen guten Besuch gebeten. Das Eintrittsgeld betrügt 50 Pfg. flus üem Naüiumbaö Gberschlema i l iLükÄi Kurlifte. 19. Januar. 156. Bergomsky, Erich, Fleischer, Göttingen. 157. Schweizer, Frl. Laura, Elberfeld. 158. Schweizer, Frl. Ricka, Elberfeld. 159. Ruschcnbeck, Gertrud, Zwickau. 169. Graeff, Anna, Lang-emhanshagen (Pom.). 161. Graeff, Ernst, Gutsbesitzer, Langmhnnshagcn (Pom.). 162. Schröter, Martha, Ncuwclt. 163. Klappan, Eduard, Konrektor, Hindenburg (Oberschl.). 164. Dittrich, Frieda, Schneeberg. 165. Popendiekcr, Dr. Max, Rittergutsbesitzer, Pechau b. Riesa. 29. Januar. 166. Leonhardt, Ernst, Schneeberg. 167. Spittel, Bruno, Göschcritz. 168. Marlick, Ella, Aue. 169. Himmelreich, Sida, Brünn. 170. Katzer, Oskar, Pcnsionsinhaber, Oberschlema. 171- Ebert, Johanna, Schneeberg. bei u. Sekuse Unwillig klappte er die Bibel zu, daß eine feine Staub wolke aus den vergilbten Blättern emporwirbelte. Klapp — klapp — klapp! Drunten, ein paar hundert Nieter abwärts, waren sie beim Tiel August beim Korn dreschen. . Klapp — klapp — klapp! Klang das nicht wie: Schuld — Schuld — Schuld! Selbst aus dem Takte der Dresch flegel schien cs ihn zu mahnen. Schuld? Hatte ihm dieses Gefühl nicht vor Jahren selbst einmal schwere Tage bereitet, als seine Mutter so plötzlich nach dem Herzen griff und, ohne ihm noch ein Wort fürs fernere Leben mitzugeben, ihren Mund für immer schloß? Derselbe Pfarrer, der ihm vor einiger Zeit wegen seines angeblichen Unruhestiftens Vorwürfe gemacht, hatte ihn damals beruhigt. Der Mann hatte ihn falsch geleitet. Sicherlich hatte sich seine Mutter, die so hart über Recht und Unrecht gedacht, gerächt, ihn droben beim Herrgott verklagt, und der hatte ihn erst so recht sicher und zufrieden werden lassen, um ihn dann um so härter niedcrzuschlagen. „Auge um Auge, Zahir um Zahnl", dies böse Wort hatte ihm einst seine Mutter auch gewiesen; ihm von dem eifernden Gott erzählt, der die Sünde hcimsucht bis ins dritte und vierte Glied. In, dann war er doch selbst der Schuldige! Er, Robert Zeidler, der Vater! Dann war jenes Fallenlassen des Balles doch wohl nur Fügung eben dieses Gottes, der die Schuld heimsucht. Dann war sein Sohn nur dessen Werkzeug; sein geliebtes Weib war das Opfer gewesen, das für des eigenen Mannes Schuld fallen mußte. Mit zusammengekniffenen Augen stand der Bauer am Fenster. Seine hageren Hände, auf deren Rücken die Adern wie Stricks herausstanden, lagen wie Raubvogelkrallen ge spreizt auf dem Fensterbord. In kaum hörbarem Murmeln bewegten sich seine blutlosen Lippen, „Nee, nee, ich nich — der Robert is schuld, der Robert!" Er schob die Bibel unwirsch zur Seite, warf dem Buche einen feindseligen Blick zu und ging zur Tür hinaus. Aus dem Stall erscholl lautes Muhen und Brummen. Dort rasselten seine Freunde an der Kette. Seine Augen wur den nm einen Schein Heller. Das Vieh mußte gefüttert wer den. Dabei wurde man seine quälenden Gedanken am besten los. Als er in den Stall trat, der durch eine trübe, halb blinde Hängelampe notdürftig erhellt wurde, blieb er wie angewurzelt an der Tür stehen. Träumte er? Aeffte ihn ein böser Spuk? Dort — dort auf dem Mclkschemel neben der Notschecke, dort saß doch sein Weib? Er mußte mit der Hand nach dem Türpfosten greifen, um nicht zu wanken. Diese weichen, hellbraunen Zöpfe, lose uv: den Kopf gelegt, dieses feingeschnittcne, scbmale Gesicht! Nein, es war nicht Therese, sein liebes Weib, das dort eifrig beim Melken war. Annchen, seine Tochter, saß dort, fuhr plötzlich mit dem Kopf herum, weil die Rotscheckc eine Be- megung machte, blickte ihren Vater sekundenlang ins stau- nendc Gesicht, wandte sich herum, wieder ihrer Arbeit zu. Sie wußte ja, daß der schweigsame Mann keine Unterhaltung liebte. Nobert Zeidler aber vergaß für Minuten den Zweck seines Kommens. Starr blickte er auf das liebliche Geschöpf nieder. Zum ersten Male sah er, wie ähnlich dieses erblühende Mäd chen seinem toten Weibe geworden war. Wie Annchen ihn an- geblickt hatte — so scheu und bedrückt! Und doch, diese Augen hatten ihn früher aus einem so geliebten Angesicht zugelächeltl War es die dämmerige Beleuchtung, die ihm dieses Bild vor zauberte? Waren seine Augen bisher blind gewesen? War er nicht selbst schuld daran, daß er Annchens Erblühen nicht bemertt hatte? Eigentümlich eng wurde cs Ihm in der Kehle, als würge ihn dort etwas. (Fortsetzung fotzt.)