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ttWWMOM 84. Jahrg. Sonnlag, den 4. Januar 1931 Nr. 3 Amtliche Bekanntmachungen befinde» sich im erste» Beiblatt. Vertrauens, welche die Regierung noch beim Volk« hat. Auch Vertrauen ist keine Heringsware, die eingepökelt werden kann. Selbst über Liese Binsenwahrheit ist der Kanzler in seiner ausgeklügelten Neujahrsbetrachtung hinweggegangen. Wartet der Kanzler vielleicht auf die gar nicht mehr fernliegende Zeit, in der sich die Struktur des Volkes von Grund auf geändert hat, in der es nach der Verwüstung der mittleren Betriebe, nach dem Untergang des gewerblichen und bäuerlichen Mittelstandes und nach der völligen Ver elendung der Arbeiterschaft nur noch..drei Bevölkerungs klassen gibt: eine winzige Schicht ganz Reicher, di« Beamten schaft und die uferlose Menge der Proletarier? Die an sich gewiß sehr schönen Eigenschaften, die Brüning aufzählt, als da sind: Fleiß, Ausdauer, Geduld, immer erneutes Prüfen und Wägen, sind für die Katz, wenn es hart auf hart geht. Es kann nur die schnelle Tat helfen, wenn die Kata strophe nicht zur völligen Auflösung führen soll. Jeder Tag des Zögerns zehrt überdies an den kümmerlichen Resten des Was Herrn Dr. Dietrich anlangt, so ist immerhin anzu erkennen, daß er etwas vor anderen Staatsmännern im Wir wissen nicht, was man in der schönen neuen Reich--' kanzlei, dem Weihnachtsgeschenk der Steuerzahler an die Zen tralregierung, unter -vtastrophe versteht. Es sieht aber ganz so aus, als ob Brüning mit seinen Ratgebern die Fühlung mit den tatsächlichen Verhältnissen verloren hätte, sonst, könnte er von denen, die den furchtbaren Ernst der Zeit erkennen, nicht sagen, sie wüßten nicht, was sie reden. Es hätte nichts geschadet, wenn sich der Kanzler während seines Neujahrs urlaubs, ein zweiter Harun al Raschid, in die Provinz be- geben hätte, um dort die Lage zu studieren. In Badenweiler wird er, ebensowenig wie in Berlin, die richtigen Eindrücke sammeln können. Vielleicht hätte er schon bei einem Gang über die Marktplätze unserer erzgebirgischen Städte, wo sich an den Vormittagen der Wochentage Hunderte von schon, seit Monaten beschäftigungslosen kräftigen Männern drängen, seine Meinung Uber die Katastrophe geändert. Niemand wird bestreiten, daß die Inflati o n eine Katastrophe war. Die heutigen Verhält- »isse sind aber in ihren Gesamtfolgen schlimmer, als diejenigen hat. Dabei ist ein Ende des Niedergangs nicht abzusehen, auch nicht der geringste Silberstreifen zu entdecken. Wie muß, so fragt Man sich, ein Niedergang aussehen, der nach Brüning die Bezeichnung einer Katastrophe verdient? v« «ch« »»»»1««»» »Mttxl «u 4« T«^ »at So»» Md nm»^». vor Pnl» »r b!« »4 mm dn», T»I«»1-1l»i«i,»»»««» » «»lodliUdojlrd Ist »0 <gamM«nanj«Itz»» md Sloll,»,«>»», »«dtzrMv» 1»>, amwdr«, »st, M dl, » mm d»«U» P»M. «««»,»11, »0, miowd« »a». M d«, »0 mm d«I, «»u. Lol«»,!»», «5, mm-Lr«, »» «,l-v!«n»I^ P«stlch<»»»»t»> 1««. »«»«Inde-Sir»-»»»»», »u«. 2ri»d »r. «st. Also -ocht Ken-erso» statt Eurlius. Berlin, 2. Ian. Der britische Außenminister Hender. son hat sich, einer Anregung Deutschlands entsprechend, bereit erklärt, den Vorsitz in der Völkerbunds- tagung im Januar zu übernehmen. Neichsaußenminister Curtius wirb dann bei der nächsten Ratstagung als Präsident fungieren. (Das gestrige halbamtliche Dementi hatte also kurze Deine. E. D.) Ob derKanzle r bereit ist, die letztxn Folgerungen aus der von ihm, annehmbar bewußt, betriebenen Politik zu ziehen, wird die nächste Zukunft zeigen. Er nimmt, worauf er in seiner Neujahrsbotschaft besonderen Nachdruck legte, für sich in Anspruch, ein Mann der zähen Ausdauer zu sein. Das ist in normalen Zeiten gewiß ein Vorzug. Die Not unserer Tage jedoch läßt die Frage akut werden, ob es nicht schon zu spät ist- für den Weg einer an sich sympathischen, sagen wir kon servativen Entwickelung. „Wenn es Leute gibt, die da meinen und ausrufen, wir steckten ja schon mitten in der großen Katastrophe drin, so kann man demgegenüber nur sagen: sie wissen nicht, was sie reden". Diese Worte Brünings schei nen nns einen Optimismus zu enthalten, der keineswegs zeit- gemäß ist. Sie bestärken den Zweifel daran, daß der Kanzler der Mann ist, der das deutsche Volk über die ersten Stufen hinweg die steile Treppe zu der Plattform führen kann, von welcher das gelobte Land zu schauen ist. positiv« Bemerkungen. Es kostet ihm zwar viele Drehungen und Wendungen, immerhin wagt er es schließlich auszu- sprechen: „Der Gang der Dinge und der Stand der deutschen Wirtschaft sprechen dafür, daß unsere Wirtschaft die Repa ration sle istun ge n nicht zu vollbringen vermag". Den Mut, einen ähnlichen Gedanken auszusprechen, hat bisher noch kein Reichsminister, gehabt! Herr Dietrich spricht an einer anderen Stelle sogar von „Tributen". Das mutet fast an wie eine Sünde gegen den Geist der Verständigung, der seit zehn Jahren in den Hallen sämtlicher Reichsministerien ein Heimatrecht hat. Noch eine andere Ketzerei begeht der Minister. Er befaßte sich nämlich, wenn auch wieder unter vielen Vorbehalten, mit der Frage: Wie beschäftigen wir die Arbeitslosen? und macht einen, wenn auch verklau sulierten, Vorschlag, der auf die Arbeitsdienstpflicht hinaus geht. Dis rote Presse ist darüber stumm vor Erstaunen. Sie belfert um so heftiger gegen die äußerste Rechte los, wodurch sie aber nicht den Eindruck zu verwischen vermag, wie sehr selbst rosarote Minister sich bereits „reaktionäre" Gedankengänge zu eigen gemacht haben. Bei den politischen Betrachtungen, die von offizieller Seite an der Jahreswende angestellt wurden, ist man wie auf Verabredung über einen besonders heiklen Punkt mit Still- schweigen hinweggegängen, nämlich über das Verhältnis zwischen Regierung und Reichstag. Hier ist im Laufe der neun Monate, seitdem das Kabinett Brüning am Ruder ist, eine grundlegende Wandlung eingetreten: Das Parla ment ist entthront, seine Allmacht ist'gebrochen. Die Gründe hierfür liegen nicht etwa in einer überragenden Kraft der Führung — niemand wird behaupten, daß der Neichs- regierung, wie sie zusammengesetzt ist, dieses Merkmal atthaf- tet —, sondern in einer schlauen Ausnützung der bestehenden Parteiverhältnisie. Die Sozialdemokratie frißt im Hinblick auf ihre bedrohte Machtstellung in Preußen aus der Hand, sie nimmt die kleinen persönlichen Vorteile des Augenblicks unter Opferung ihrer großen Parteiziele wahr. Es wäre natürlick voreilig, zu behaupten, daß die Macht der Parteien für immer gebrochen sei. Aber der Beweis ist jedenfalls erbracht, daß ei- möglich ist, im (wenn auch stillschweigend etwas erweiterten^ Rahmen der Weimarer Verfassung gegen die Reichstagsmel"- heit zu regieren. * . Das ist deshalb so wichtig, weil spätere Reg i erun. gen auf diese Tatsache zurückgreifen können, ohne sich dem Vorwurf der Verfassungsverletzung aussetzen zu müssen. Es denkt heute (bis auf die Sozialdemokratie und die Kommu nisten) niemand an eine gewaltsame Aendetung der inner- politischen Verhältnisse. Der Kanzler Brüning hat gezeigt, wie auf dem sog. kalten Wege die Verfassung geändert werden kann, und er hat dazu, was sehr wichtig ist, den Segen der Sozialdemokraten und der demokratischen Parteien erhalten. Parlamentarismus und formale Demokratie, die ein volles Jahrzehnt hindurch den Staat in der Gewalt hatten, Habenda mit ihren Sinn verloren. Das ist ein nicht geringes Plus des an Minuszeichen so reichen Jahres 1930 und kann die Vorstufe zu einem Regierungssystem werden, das den'deutschen D"-- hältnissen mehr gerecht wird als das bisherige. Die große Entdeckung zu machen, daß „das deutsche Volk kleinmütig sei, Mißtrauen zu seinem eigenen Staate Habs und deshalb wirtschaftlich verängstigt sei", war um diese Neujahrszeit dem Reichsfinanzminister Dr. Diet rich Vorbehalten. Er hat, wie der „E. V." mitteilte, Lei Ullsteins einen Leitartikel vom Stapel gelassen, in dem neben anderen Unzulänglichkeiten auch die Verwunderung über diese Tatsache verzeichnet ist. Es ist doch etwas eigentümliches um „Staatsmänner". Sie haben kein Gefühl für die eigene Unzulänglichkeit und für die des ganzen Tschins. Niemals findet man auch nur eine Spur von Selbstkritik, immer wird die Schul- auf das „Volk" geschoben. Das ist gewiß nicht ohne Fehl und Tadel, sonst würde es sich nicht so lange mit einem System zufrieden gegeben haben, das es folge richtig in die Katastrophe führen mußt«. Aber die Haupt schuld an all' dem Unheil tragen die sog. Führer, denen mit wenigen Ausnahmen der persönliche Ehrgeiz — im besten Falle noch der Parteiehrgeiz -- höher, stand als die selbstlose Liebe zu Volk und Vaterland. Die Anhöflichen. Berlin, 2. Ian. In Berliner politischen Kreisen hat es peinlich berührt, daß die Staatsoberhäupter der Alliierten wieder keine Neujahrsglückwünsche an den Reichspräsidenten gerichtet haben. Diese Unterlassung sei um so unverständlicher, als es sich doch nur um einen rein formalen Höflichstitsakt handle. Sie stehe in krassem Widerspruch zu den fortwährenden bombastischen Der. sicherungen von drüben, daß der Krieg nunmehr endgültig liquidiert sei. Es scheint sich also um eine gewollte Unhöflichkeit zu han deln, die wie ein Hohn auf die immer wieder ausposaunte -Gleichberechtigung wirken muß. «»»«>»«»für »I, «» vachmINm «rs-.!»«»», Numanr dl» «rmMa«» S Uhr In dr» »au»lael»M«. llrllmi. Star ««»»dr sür dl» «usnahm» d»r tln.nl,e» aa »or»«Kdr>^,n Ta,» l»«» a» drNimml,» Slill» wird Ml „gidii. «ich »Ich! lür dl» «Ich»«»«« d«r durch F«r»Ipr«d»r auk»z»d»n»n Niu«»»». — zur risckoad» IN. »»rlangl «l»,«Im,dl»r SchriMLck» lld«r»lan»> dl» Schrift- l»Uu»g deine Dnanlawrluna. — Unlerdrechuuaea d«, S» lchiflckelrled», lnzrllnden d»t»»tl»lprüch». B»l gahlunz» »»rzu, u»d koadur» ,»11«, «abarl» al» »Ich! v«r«l»bart. -aud»-«k-4N»ft«N», l, - Au», Löbnitz. Schänder, und Schwärzender,. Neujahrserlaß an die Reichsmarine. Berlin, 2. Ian. Der Chef der Marineleitung, Admiral Rae der, hat an die Reichsmarine folgenden Erlaß gerichtet: In dankbarer Anerkennung der geleisteten Dienste im ver flossenen Jahre spreche ich allen Angehörigen der Reichs marine mein« besten Wünsche für das neu« Jahr aus. Auch für das Notjahr 1931 gelte: In stiller selbstloser Arbeit weiter vorwärts und aufwärts! in den Notjahren der Währung. Damals gab es wenigstens Arbeit, während heute der fünfte Teil der deutschen Staats- angehörigen mit der Geißel eines Hungerlebens im erzwun- genen Nichtstun geschlagen sind. Die Statistiken allein, welche die Regierenden wohl sehr genau studieren, können niemals «in wirkliches Bild der grausamen Wirklichkeit zeichnen. So rauscht di« Zahl von 1000 Zahlungseinstellungen oder mehr im Monat , an den Ohren vorüber. Wenn man aber aus den Tageszeitungen der einzelnen Bezirk« ersieht, wie die solidesten Firmen reihenweise zu Grunde gehen, wie Konkurs- und Zwangs versteigerungsrichter das Feld der amtlichen Bekannt- machungen beherrschen, wie die Dollstreckungsbeamten er bärmlichsten Hausrat zur Versteigerung ausbieten, kommt 'inem die Summe des Elends erst recht zum Bewußtsein. Mitte Dezember erklärte sogar einer der bisher optimistischsten Mrtschafisführer, der Vorsitzende des Reichsverbandes der deutschen Industrie, Duisberg, die deutsche Wirtschaft sei am Ende ihrer Kraft. Ein Aufschrei, der schon aus der nackten Tatsache verständlich ist, daß di« gesamte Neubelastung allein des Reiches (ohne Länder, Gemeinden, Private.) im Jahre Berlin, 3. Ian. Reichskanzler Dr. Brüning ist heute früh wieder in Berlin cinge troffen. Berlin, 2. Ian. Der Privatdiskont für kurze Sicht wurde heute um ff« Prozent auf 4N Prozent ermäßigt, der Privatdiskont für lange Sicht blieb unverändert 4ff» Prozent. Kattowitz, 2. Ian. Die Gerichtsverhandlung gegen di« G o la s so w i tz e r Baue r n, die beschuldigt sind, am 24. No vember den Polizeil,«amt«n Schnapka in Golassowitz ge- tötet zu haben, findet am 7. Januar in Rnbnik statt « «nlhoNend die »»«ich»» BekENUlMUchungen der AmlshaupImannschaN und de» Bezirksverbands Schwarzenberg, der Amlsgericht» in Au«, Lößnitz, Schneeberg und Schwarzenberg, der EladtrSl« in Srünhain. Lößnitz, Neuslödtel und Schneeberg, der Finanzämter in Aue und Schwarzenberg. - , E» werd« außerdem veröffenUicht: Bekonnimachungen der Stadträl, zu Aue und Schwarzenberg und des Amtsgerichts zu Johanngeorgenstadt. Verlag T. M. VSrlner, Aue» «rz-eb. zi»r»g>k»»»»- «« 41 und »1, litznlt «Amt Auel 440, SLnttikr« 10, Schwan»»»«»» ZZ10 VraölMchE v»n»ft««»» »»»«lietlrs«. Streiflichter. Dke Entthronung -es Parlaments. Keine Katastrophe, Kerr Kanzler? Schlimmer als -ie Inflation. Nur -ie fchnelle Tat kann helfen, Reaktionäre Gedanken eines demokratischen Reichsministers. Die deutschnationalen Abg. Dr. Freiherr v. Freytagh- Loringhoven und Dr. Oberfohren haben im Reichstag folgend« Interpellation eingebracht: Nach Zeitungsmeldungen beabsich tigt der. Herr Neichsaußenminister, auf den ihm nach der alphabetischen Reihenfolge zustehen-en Vorsitz in der Ianuartagung desVölkerbundsrates zu ver zichten. Als Beweggrund wird in der Presse darauf hin gewiesen, daß die Führung des Vorsitzes mit der Vertretung der deutschen Interessen bei -er Verhandlung über die Polen greuel nicht vereinbar sei. Der von dem Herrn Außenminister angeblich beabsichtigt« Verzicht auf den Vorsitz stünde im Widerspruch zur Praxis des Völkerbundes. Bisher hat kein Ratsmitglied auf den ihm zufallcnden Vorsitz verzichtet, auch wenn Fragen zur Beratung standen, -ie seine Interessen berührten. Es entsteht daher der Eindruck, als sei die Absicht -es Herrn Außenministers, falls sie vorliegt, aus auswärtige Einflüsse oder gar auswärtigen Druck zurückzufUhren, deren Urheber eine Schwa- chunq der deutschen Stellung im Auge haben. Wir fragen die Reichsregierung, ob tatsächlich eine solch« Absicht des Herrn Außenministers besteht und ob bejahendenfalls di« Reichs- regierung sie. billigt, obgleich durch «inen solchen Schritt di« deutschen Interessen geschädigt würden und ob gleich ein Präzedenzfall für ihn nicht besteht-