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die solch ein Jammerbild darstellten, besonders auch deshalb, weil die kleinen Aermchen ohnmächtig sind, die massenhaften Fliegen dauernd abzuwehren, und deshalb die ohnehin kranken Augen, vor allem in den Augenwinkeln, dicht bedeckt sind mit diesen dreistesten aller Insekten. Mit alledem trifft die osmanische Regierung und die dortige Bevölkerung keinerlei Vorwurf; denn der Verfall des Landes begann Jahrhunderte vor der osmanischen Herrschaft, die Türkei überkam nur solch ein trauriges Erbe. Im Gegenteil, wenn noch heutzutage Palmenhaine, ja im Süden des Landes dichte Palmenwälder die Ufer des Tigris und vor allem des Euphrat begleiten, hier und dort neue Palmenpflanzungen entstehen, die Reiskultur an vielen Orten blüht, wenn die Kanäle z. B. zwischen Nasrije und der Ruinenstätte von Ur Kasdim sich in über raschend tadellosem Zustande befinden, und fleissige Hände, vom frühen Morgen bis zum späten Abend mühsam das Wasser aus dem Kanale auf den Acker bringend, Melonen, Gurken und Zwiebeln anbauen, so beweist dies, dass, was in einem also von der Mitwelt vergessenen, ver einsamten Lande, in solchem entnervenden Klima, bei so spärlicher Bevölkerung, ohne alle technischen Hilfs- und Erleichterungsmittel geschehen kann, unter dem Schutze der türkischen Regierung geschieht. Aber wie nun einmal die Gegenwart ist, kann das Babylonien 'unsrer Tage, selbst die Städte wie Bagdad nicht ausgenommen, nur bezeichnet werden als ein Land verglimmenden Lebens. Noch zeigt das Land die Spuren seiner einstigen weltberückendcn Schönheit: die musterhaft bewirtschafteten kaiserlichen Domänen bezeugen die unverwüstliche Frucht barkeit auch noch des jetzigen Bodens; in dem Garten eines reichen, unsrer Expedition befreundeten arabischen Grossgrundbesitzers in Hilleh, welchen wir manchmal be suchten, stehen Baumwolle und Feigenbäume, Weinreben, Melonen, Granatäpfel dicht bei einander in üppigster Fülle; ja, ein weggeworfener Dattelkern erwächst, so erzählt Delitzsch, Im Lande des einstigen Paradieses. 2