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».Mr-. DÄtttmhe. Zu beziehen durch alle Luchhandiungen des In- u. Auslandes, sowie Postämter. Redakteur: vr. Otto Delitsch, Professor an der Universität zu Leipzig. Der Jahrgang erscheint in Müls Monatsheften von vier Logen, das Heft 8V Pf. Silder aus Montenegro. Skizzen aus einem Reise-Tagebuche. Von Wank August Kesselmeyer und Professor Adolf Stoßich. 1. Von Cattaro nach Cettinje. Es war am 10. September 1872, gegen Abend, als wir mit dem von Ragusa kommenden Dampfschiff in Cättaro eintrafen. Gasthöfe sind dort eine unbekannte Sache; wir fanden in dem Hause eines Friseurs in einem geräumigen Zimmer mit zwei Betten freundliche und genügende Unter kunft zu billigem Preis. Die beiden folgenden Tage wurden theils mit Besichtigung der Stadt, theils mit Einkäufen und Vorbereitungen für die Weiterreise zugebracht. Montenegro liegt mit Corsika unter gleichem Himmelsstrich, und wie die natürliche Beschaffenheit beider Länder mancherlei Aehnlich- keit bietet, so auch der Charakter und die Anschauungsweise ihrer Bewohner. In beiden Pflegen z. B. die Männer die schwereren Arbeiten und so auch alles Tragen, namentlich wenn es für fremde Rechnung geschieht, den Frauen zu über lassen. Das ist Landessitte und man weiß es nicht anders. Cattaro, gegenwärtig in Gemeinschaft mit dem ganzen dalmatischen Küsteulande bis südwärts über Budua hinaus im Besitz von Oesterreich, liegt am südlichsten Ende einer langen und schmalen, fast ringsum von hohen steilen Felsgebirgen eingeschlossenen Meeresbucht und am Fuße einer auf der öst lichen Seite der Bucht befindlichen, fast senkrechten und über 250 in. hohen nackten Felswand, auf deren Höhe eine aus gedehnte, die Stadt und die Bucht beherrschende Bergfeste, San Giovanni, sich befindet. Diesen Felsbergen entspringen dicht am nördlichen und am südlichen Ende der Stadt zwei mächtige Quellen, deren nördliche den Fluß Fiumera, die südliche aber den Fluß Gordieeio bildet. Zwischen diesen beiden, zur heißen Jahreszeit jedoch meist völlig wasserlosen Flußbetten, das Meer vor sich und die senkrechte Felswand hinter sich, liegt Cattaro eingekeilt, scheinbar eher an einem Alis allen WelttheNen IX. J ahrg. langen schmalen Landsee als an einem wirklichen Meeresufer. Ani jenseitigen Ufer der Fiumera, über welche aus der Stadt die Porta Fiumera führt, befindet sich ein kleiner freier, mit einigen Bäumen bepflanzter Platz, auf welchem die montene grinischen Märkte oder Bazare abgehalten zu werden Pflegen; denn hier dürfen die Montenegriner auch ihre Waffen bei sich behalten, während sie dieselben beim Betreten der Stadt gegen eine Bescheinigung bis zum Verlassen derselben ab liefern müssen: für einen echten Montenegriner eine harte Znmuthung! Dicht hinter diesem kleinen freien Platz, zwischen der steilen Felswand mit der Feste San Giovanni und den auf der andern Seite der Fiumera dicht am Meeresufer sich hinziehenden übrigen steilen Felswänden, gewahrt man einen etwas weniger steilen Berg- und Felsenabhang, vielleicht von einem ehemaligen Bergsturz herrührend: und hier ist es denn auch, wo die Straße nach Montenegro allmählich sich hinauf windet. Man hatte uns diese Stelle schon vom Dampfschiffe aus gezeigt. Den Weg selbst gewahrten wir damals nur noch undeutlich; wir fragten uns, wie es Wohl möglich sein solle, hinauf zu kommen. Die Erfahrung zeigte uns nachher, daß es damit leichter und bequemer ging, als wir geglaubt hatten. Um die Kühle des Morgens und den Schatten des Bergabhanges zu benutzen, war es ausgemacht, die Abreise schon in aller Frühe anzutreten. Unsere beiden Führer oder Pferdeverleiher waren am 13. September um halb 4 Uhr bereit. Das Gepäck wurde in vier großen Mehlsäcken unter gebracht, um auf diese Weise desto bequemer den Maulthieren ausgeladen zu werden. — Und nun ging es fort durch die engen Straßen von Cattaro nach dem Platz vor der Porta Fiumera, wo die übrigen Personen unserer Karawane mit Pferden und Maulthieren bereits unser warteten. Gegen 9