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"-h-g. KmlieMM «yL Mlmkmöe. M. Zu beziehen durch alle Redakteur: Der Hahrgang erscheint Buchhandlungen des Zn- u. Auslandes, §)1ta0 TveVV kN, «l zwölf Monatsheften von vier Sogen, sowie Postämter. R»lschul-c>b« das Heft 80 Pf. Eine Winterstation im Süden. Von Weda William Es war am 11. Januar 1873 früh nach vier Uhr, als ich meine Koje verließ, um mich auf dem Verdecke zu er frischen. Eine stürmische Nacht lag hinter uns. Unheimlich hatten die hohen Wellen über zwölf Stunden an das Schiff geschlagen und das schäumende, zischende Naß bis über die Mitte des Verdecks geworfen. Aus den kleinen Kabinen der Passagiere und besonders vom großen Damensalon her ist eitel Stöhnen gedrungen; ja einen nächst meiner Kabine liegenden Franzosen aus Marseille habe ich Wohl hundert Mal rufen hören: „Ob man Vien, mon Diou, oen ast Wit cka mm!" Mit der Nacht ist auch der Sturm verschwunden und die tobenden Wellen haben sich gelegt. Unsere „Urineassa OIo- tbiläa" gleitet auf verhältnißmäßig ruhiger Wasserfläche dahin. Durch die Dämmerung gewahrt man linker Hand in unbestimmten Umrissen die Höhenzüge einer nahen Insel. Ueber 100 Passagiere sind auf dem Verdeck und messen in bunter Reihe das Schiff seiner Länge nach, um sich durch Bewegung gegen die Morgenkühle zu wehren. Trotz der frischen Brise litt es fast keinen mehr in seinem engen Ver schlage. Selbst der arme Franzose, den die Seekrankheit aufs ärgste mitgenommen hat, wagt sich herauf; aber wie geisterhaft sieht er noch aus und wie blaß! Er klagt mir seine Noth und meint, das Umhergehen werde ihm unmöglich, so müde und angegriffen fühle er sich noch von den Leiden dieser einen Nacht. In der That sucht er auch alsbald die Kajüte wieder auf. Ein Morgenstern mit prächtigem Glanze und von nie gesehener Größe wird jetzt am östlichen Himmel sichtbar. Wie, wäre denn Venus so viel größer im Süden, als im nördlichen Heimatlands? Doch eine kurze Viertelstunde nur und unsre Täuschung wird offenbar. „Uo xbars! Io xbars!" tönt es von des Steuermanns erhöhtem Sitze her, und vor uns liegen die „IIvs savMi- ! untres", drei steile Felseninseln, deren mittlere einen groß artigen Leuchtthurm trägt. Plötzlich erscheint der östliche Horizont wie ein hoch- rother, schimmernder Faden und wir können erkennen, daß das „große Wasser" nach dieser Richtung hin ein Ende nimmt. Ein hoher Gebirgszug mit prächtigen Formen, an die Schweizer Alpen erinnernd, wird sichtbar; das Halbdunkel weicht und die herrliche Insel Corsika liegt vor uns. Das Schiff führt uns aus dem offnen Meere in den schönsten Busen der Welt, in den Golf von Ajaccio, den berühmte Reisende nach Form, Größe und Pracht mit dem jenigen von Neapel vergleichen. Die immer näher tretenden Ufer der Insel eröffnen uns den Blick , in eine neue, südliche Welt, und das stumme Betrachten unter der Schiffsgesellschaft weicht dem beredten Ausdruck der Freude und Bewunderung. In schnellem Laufe durchfurcht das Schiff den Busen bis gegen sein östliches Ende; Schlag 6 Uhr wendet es Plötzlich nach Norden und vor uns liegt das Ziel unserer Wünsche: Ajaccio, die Hauptstadt Corsika's. Das Panorama, das sich bei der Einfahrt in den ge waltigen Hafen den Blicken ringsherum öffnete, war von be zaubernder Schönheit. Im Osten der Monte Rotondo und Monte d'Oro, zwei prächtige Bergriesen mit schneeigen Häup tern, an deren Fuß sich eine Gegend mit tropischem Charakter ausbreitet, nach Norden hin lachende Hügel im Grün der Myrten und Palmen, des Oelbaums, Mandelbaums und Weinstocks, südwärts ein azurblauer Meerbusen mit wald reichem, von der Uferlinie sanft ansteigendem Hügelland um kränzt, westlich vom Golf das weite, offne Meer und über dem ganzen Paradiese der wolkenlose Himmel des Südens! In dieser majestätischen Einrahmung präsentirt sich die Stadt Ajaccio, Unter dem 41. Grad nördlicher Breite, mit der „ewigen Stadt" also säst auf gleichem Parallelkreise liegend, ragt sic auf einer Landzunge in das Meer hinaus, gleich Aus allen WeMheilen. IX. Jahrg. 45