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s. Lhrg. ^U^er- mä 0. «Ist. Zu beziehen durch alle Suchhandlungen des Än- u. Auslandes, sowie Postämter. Redakteur: Hugo Toeppen, Realschul-Oberlehrer. Der Jahrgang erscheint in zwölf Monatsheften von vier Sogen, das Heft 8V Pf. Än der Mündung der Rhone in den Genfer See. Von I)r. William Kischer. Es war ein prächtiger Märzmorgen, der für Montreux heranbrach. Drüben vom Südufer des Genfer Sees her leuchtete die äawo än Ine, wir hatten also für heute gutes Wetter zu gewärtigen. Die gute Dame nämlich, vom Wasser abgeschliffene, auf dem dunkleren Felsen des Grammont sich licht abhebende Stellen, die man mit Hinzunahme einiger Phantasie für ein schleppentragendes Weib ansehen kann, ist eine Wetterprophetin. Wird sie dunkel, dann droht Regen, bleibt sie licht, dann steht gutes Wetter bevor. Der Vorgang ist physikalisch leicht erklärbar, wenn man weiß, daß die Felsen am Südufer des Sees aus Kalk bestehen. Der Be wohner von Montreux sieht früh ebenso nach seiner Dame, wie der deutsche Bauer nach seinem „Weibel" im Wetter häuschen, dessen auf einer Darmseite beruhende Konstruktion ja jedermann bekannt ist. Die ausgehende Sonne sandte ihre vergoldenden Strahlen über die vont'äo Norolos herüber auf die Südostecke des Sees und weckte die Bewohner des letzten wallisischen Dorfes Bouveret — die Grenze zwischen dem Waadtland und Wallis bildet der Lauf der Rhone — aus dem Schlafe. Armes Dorf, das während des Winters nur früh auf einige Stunden das goldne Licht des Tages genießt' Das nördliche Ufer sowie das südliche, nach Evian zu, lagen noch in feuchten Nebel gehüllt. Bouveret dagegen war so hell beschienen, daß man mit bloßem Auge jedes Haus einzeln. mit seinen Fenstern erkennen konnte; es schien kaum eine Viertelstunde entfernt, und doch hatten wir sonst bei schnellem Ruhern ungefähr anderthalb Stunden bis an das Ufer des Fischerdorfes gebraucht. Wir durchschritten in kühler Morgenluft das noch schlummernde Montreux und Territet und erreichten nach einstündigem Marsche am Ufer des nach Südosten zu sich krümmenden Sees, dessen blaues Gewässer ein Wind aus dem Rhonethal her leicht emporkräuselte, vorüber an dem viel besungenen Schlosse Chillon, das Städtchen Villeneuve. Aus -m-n WeMheMn. IX. Jahrg. Hier beginnt das Mündungsgebiet der Rhone. Das Städtchen, das an der Stelle des i. I. 563 durch einen Bergsturz ver schütteten Pennilucus stehen und in dessen Nähe 107 v. CH. der Konsul L. Cassius Longinus von dem mit den Kimbern verbündeten Fürsten der Tiguriner, Divico, geschlagen und dabei gefallen sein soll, besteht aus einer einzigen Straße, durch welche der Heerweg nach dem Großen St. Bernhard und dem Simplon führt. Seine Häuser zeigen schon den italiänischen Typus, Platte Dächer, grüne Jalousien, die Werk stätten offen nach der Straße zu liegend. Villeneuve liegt auf ganz sumpfigem Terrain nahe dem See, dessen Wellen sich bei stürmischem Wetter mit gewaltiger Wucht an der zum Schutz des Ufers aufgeführten Strandmauer brechen, und fast auf gleichem Niveau mit demselben. Gleich hinter der Stadt breiten sich die Wiesen aus, die, halb Sumpf, halb festes Land, jenes hohe Schilfgras erzeugen, welches, als Nahrung für das Vieh nicht brauchbar, zur Erzeugung von Dünger und von den ärmeren Dörflern zur Bereitung ihrer Lager stätten benutzt wird. Früher kamen, sagte man mir, die Malariakrankheiten aus dem Orte nicht heraus; jetzt aber ist, seitdem das überschüssige Wasser der Umgebung und der Stadt durch Kanäle dem See zugeleitet wird, der Gesundheitszustand besser geworden, wenngleich in recht heißen Sommern das Fieber immer noch oft genug auftritt. Da die Durchschnitts temperatur des Dezember, Januar und Februar am Ostende des Sees ungefähr 3" 0., das Mittel der relativen Feuchtig keit vom 1. Oktober bis 30. April aber etwa 80A beträgt, so könnte man jedenfalls einen Versuch mit der Anpflanzung von Eukalypten wagen und zwar in der unmittelbaren Um gebung von Villeneuve, weil diese durch die vorspringende lour ä'^ vor den rauhen Ostwinden des Rhonethals ge schützt ist. Von Villeneuve aus sührt die Straße am rechten Fluß ufer nach Bex über Aigle und das nußbaumbeschattete Ollon. 33